Radioteleskop in Effelsberg Lauschangriff aus der Eifel

EFFELSBERG · Hinter den Kulissen des 100-Meter-Radioteleskops in Effelsberg: Seit mehr als 40 Jahren erforschen Astronomen damit das Weltall.

 Das Radioteleskop in Effelsberg ist mit seinen 100 Metern Durchmesser das zweitgrößte der Welt. Bei Sonnenuntergang sieht es besonders beeindruckend aus.

Das Radioteleskop in Effelsberg ist mit seinen 100 Metern Durchmesser das zweitgrößte der Welt. Bei Sonnenuntergang sieht es besonders beeindruckend aus.

Foto: NORBERT JUNKES, MPIFR

Der Weg ins Weltall führt über die Eifel. Runter von der Autobahn, eine kurvige Landstraße entlang, zwischen Wäldern und Wiesen hindurch bis ins Örtchen Effelsberg, das zur Stadt Bad Münstereifel gehört. Von dort belauschen Wissenschaftler des Bonner Max-Planck-Instituts für Radioastronomie seit mehr als 40 Jahren die unendlichen Weiten jenseits der Erde, um den Geheimnissen des Universums auf die Spur zu kommen. Ihr Arbeitsgerät: Ein Radioteleskop mit 100 Metern Durchmesser, das größte in Europa und das zweitgrößte vollbewegliche Radioteleskop der Welt. Nur das Green-Bank Teleskop in West Virginia (USA) ist wenige Meter breiter.

Dennoch lässt sich erst kurz vor dem Ziel ein Blick auf die weiße Stahlkonstruktion erhaschen - gut versteckt steht sie in einem Tal zwischen bewaldeten Hügeln. Die Hügel seien auch ein Grund dafür, dass Effelsberg aus mehr als 30 möglichen Standorten ausgewählt worden sei, erklärt Norbert Junkes, Astronom und Physiker, bei einer Tour in das Innere der Riesenantenne, das für die meisten Besucher verborgen bleibt. "So ist das Teleskop vor Elektrosmog geschützt", sagt der 54-Jährige. "Denn die Strahlung, die die Menschen erzeugen, ist stärker als alles aus dem All." Handys, Mikrowellen, selbst die Zündelektronik von Autos können die sensiblen Radiowellenempfänger des Teleskops stören und Messergebnisse verfälschen. Autos müssen deshalb außer Reichweite geparkt, Handys ausgeschaltet werden. Und Mikrowellen sind gleich ganz verboten. "Sogar unsere eigenen Computer, die die Daten verarbeiten, müssen wir abschirmen."

Am Fuße des Radioteleskops angekommen, werden die Dimensionen erst richtig deutlich. Gut 100 Meter ragt es in die Höhe; auf meterdicken Streben lastet die 3200 Tonnen schwere Konstruktion, nur getragen von 32 Rädern mit 16 Motoren. Sie drehen das Teleskop auf einer Schiene in rund 15 Minuten um die eigene Achse. "Das ist so, als würden 800 Elefanten von 16 alten 'Enten', also Citroën 2CV, im Kreis gefahren", sagt Junkes. Wie bestellt setzt sich das Teleskop im nächsten Moment langsam in Bewegung.

Noch während es sich ausrichtet, geht es für die Besucher im Aufzug in die Luft. Erster Stopp auf 20 Metern Höhe: Die vier Kippmotoren, mit denen die riesige Schüssel in fünf Minuten über einen überdimensionalen Zahnkranz um knapp 90 Grad geneigt werden kann. Nahezu senkrecht kann der Spiegel aber nur in Richtung Süden genutzt werden, dort bietet das Tal einen freien Blick auf den Himmel. "Im Süden erreichen die Himmelskörper ihren höchsten Stand am Horizont", sagt Junkes. "Da haben wir die Chance, auch die Himmelsregionen zu sehen, die im Tagesverlauf nur ganz knapp über dem Horizont stehen." Nur dadurch erhalten die Astronomen beispielsweise Zugang zum Zentrum der Milchstraße. Generell zählt das Effelsberger Radioteleskop zu den leistungsfähigsten Observatorien in Europa. Mit seinen Radiowellenempfängern können Teile des Universums untersucht werden, die mit optischen Verfahren verborgen blieben. Die Forschung ist vielseitig: Beobachtet werden Gas- und Staubwolken, Sternentstehungsgebiete oder Kerne ferner Galaxien. Auch einzelne Atome und Moleküle haben die Astronomen im All aufgespürt. Dabei sei jede Beobachtung auch ein Blick in die Vergangenheit, sagt Junkes, da das Licht eine gewisse Zeit für diese Entfernungen brauche.

 Norbert Junkes

Norbert Junkes

Foto: Katharina Weber

In der Gegenwart geht es im Aufzug weiter nach oben - dem riesigen Parabolspiegel entgegen. Ein lautes Brummen dringt aus einem Raum in 50 Metern Höhe, in dem mehrere graue Kästen stehen. "Das ist das Heliumkühlsystem", sagt Junkes. "Es kühlt die Empfänger auf Minus 258 Grad Celsius herunter, um das störende Eigenrauschen zu reduzieren." Denn: Jeder Körper sendet eine gewisse Strahlung aus. Je kühler ein Gegenstand ist, desto geringer ist sie jedoch. Die 24 Empfänger selbst sitzen über dem Spiegel in zwei Brennpunkten, dem sogenannten Primär- und Sekundärfokus. Ein schmaler Steg führt hinauf, an diesem Tag ist an einer roten Ampel allerdings Ende. Der Grund dafür ist klar zu erkennen: Der Gang in die Spitze hängt etwa einen Meter oberhalb der Brüstung. Die Schüssel steht während der Messung im falschen Winkel für einen Besuch, ein Weiterkommen ist unmöglich.

Doch auch vom Steg aus ist die Aussicht imposant. Die Bagger auf dem Boden wirken winzig klein, während der Spiegel mit seiner gigantischen Gitterstruktur beim Blick nach oben nahezu das gesamte Sichtfeld füllt. Eine eindrucksvolle Konstruktion! "In einem Protokoll ist festgehalten, dass beim Bau Ende der 60er Jahre sogar ein Elektronenrechner benutzt wurde", erzählt Junkes. Das sei damals ein großer, hochprofessioneller Computer gewesen, der aber insgesamt nur die Leistung gehabt habe wie heute ein Rechner, den man beim Discounter für wenige Euro bekommen könne.

 Thomas Wedel

Thomas Wedel

Foto: Hannah Schmitt

Im August 1972 wurde das Teleskop offiziell in Betrieb genommen - gearbeitet wird daran aber weiterhin. Im Sommer müssen die Anstreicher ran, um die weiße Farbe zu erneuern. Bis alle Platten und Streben überpinselt sind, vergehen allerdings 15 Jahre. "Und dann fangen sie wieder von vorne an wie beim Kölner Dom", sagt Junkes. Dabei erfüllt die weiße Farbe mehrere Funktionen: Sie dient der Selbstreinigung und reflektiert besonders stark. Dadurch sei die thermische Verformung geringer, erklärt der Astronom. "Mit einer anderen Farbe kann man gar nicht so eine Genauigkeit bei der Messung erreichen." Kontinuierlich wird auch die Technologie verbessert, zum Beispiel dank neuer Empfänger. Dann ist von den Monteuren Handarbeit gefragt - mitten im Brennpunkt. Die meisten Arbeitsschritte werden inzwischen aber per Knopfdruck über Programme aus dem Kontrollraum gesteuert.

Zum Kontrollgebäude, in dem unter anderem Astronomen, Techniker und Operateure arbeiten, führt ein unterirdischer Gang. Ein Gefühl wie in einem Bunker kommt auf: Grauer Beton wohin das Auge schaut, an den Wänden dunkle Verkleidungen, hinter denen sich 140 Strom- und Datenkabel verstecken. Sie werden zunächst unter dem Teleskop im "Königszapfenraum" in dicken Strängen gebündelt. In dessen Mitte liegt unscheinbar das Lager, das das Teleskop in der Achse hält. Eine Drehung um 480 Grad lassen die Kabel zu. Dann muss es in die andere Richtung gehen.

Im Steuerraum angekommen, reihen sich schließlich unzählige Messinstrumente an Kontrollmonitore, Lämpchen leuchten, Nadeln schlagen aus. Von dort haben insgesamt neun Operateure nicht nur die digitalen Parameter ständig vor Augen, über eine riesige Fensterfront haben sie auch das Teleskop im Blick. In drei Schichten arbeiten sie bis auf Heiligabend und Silvester rund um die Uhr, richten das Teleskop mit wenigen Handgriffen aus, schalten von einem Empfänger zum nächsten und schauen, dass alles in Ordnung ist. "Probleme kann vor allem der Wind bereiten", sagt Thomas Wedel, einer der Operateure. Ein Bildschirm zeigt deshalb ständig die Windstärke an, übersteigt sie eine rote Markierung wird es gefährlich. "Vor zwei Wochen war eine Böe so stark, dass das ganze Teleskop gewackelt hat." Dann können die Operateure nur noch versuchen, den Spiegel gegen den Wind zu drehen. Denn er bietet mit seinen mehr als 9000 Quadratmetern Größe viel Angriffsfläche. "Er ist immerhin viereinhalb mal so groß wie die Segelfläche der Gorch Fock", erzählt Norbert Junkes.

Bei guten Wetterbedingungen laufen die Messungen bis auf regelmäßige Wartungszeiten nahezu rund um die Uhr. Eine der größten Entdeckungen gab es dabei 2008: Die Wissenschaftler fanden Wasser in einer elf Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie, ein Rekord. 15 Stunden dauerte die Messung - dank eines Zufalls. "Im Vordergrund lag eine Galaxie, die wie eine Gravitationslinse wirkte und das Signal verstärkte. Sonst hätten sie 580 Tage gebraucht", sagt Junkes. Mit dem Effelsberger Teleskop werden aber auch große Teile des Himmels kartiert; außerdem können die Forscher Pulsare messen, also sehr schnell rotierende Neutronenströme, die kleine Pulse aussenden. Sie entstehen beim Tod großer Sterne in einer Supernova-Explosion. Mit jedem Tag kommen die Wissenschaftler den Geheimnissen des Weltalls so weiter auf die Spur - und zwar mitten aus der Eifel.

Informationen für Besucher

Das Radioteleskop liegt neben Bad Münstereifel-Effelsberg. Aus Richtung Bonn ist es über die A 565 Richtung Altenahr und weiter über die L 257, L 76 sowie die L 234 zu erreichen. Autos müssen am Besucherparkplatz abgestellt werden, ein Fußweg führt zum Besucherpavillon. Dort gibt es von April bis Oktober für Gruppen von 10 bis 80 Personen dienstags bis samstags Vorträge. Eine Voranmeldung vormittags unter der Rufnummer 02257/301101 wird empfohlen. Kostenpunkt: zwei Euro. Kleinere Gruppen und einzelne Besucher können sich auf Anfrage den angemeldeten Gruppen anschließen. Von einer Aussichtsplattform gibt es zudem einen guten Blick auf das Teleskop. Weitere Infos gibt es auf www.mpifr-bonn.mpg.de.

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