Hinter den Kulissen Im Wohnzimmer von Hennes und Poldi

Köln · Kommt man aus Richtung Frechen nach Köln, sind es nicht die Türme des Kölner Doms, die zuerst die Rheinmetropole ankündigen, sondern die an die Mülheimer Brücke erinnernden 72 Meter hohen Pylonen des Rheinenergie-Stadions.

 Nur ein Schritt entfernt ist das Büro von Stadionchef Hans Rütten von der Osttribüne mit seinem herrlichen Blick.

Nur ein Schritt entfernt ist das Büro von Stadionchef Hans Rütten von der Osttribüne mit seinem herrlichen Blick.

Foto: Marianne Suntrupp

Es ist der Ort, zu dem 2014 bisher pro Spiel rund 46.000 Menschen pilgerten. Der Umbau des Stadions vor zehn Jahren hat - da ist sich Stadionchef Hans Rütten sicher - großen Anteil an den hohen Besucherzahlen. "Früher war das hier nur etwas für hartgesottene Fans", erinnert er sich.

Auf den zugigen Rängen des 60.000 Menschen fassenden Müngersdorfer Stadions hätten nur etwa 20.000 Fans gemeinsam gefroren. Und dann war auch noch die Laufbahn zwischen ihnen und dem Spielfeld. Jetzt steht in Müngersdorf ein "Schmuckkästchen", das das Olympische Komitee 2005 zu einer der besten Sportstätten weltweit gekürt hat.

Gut 1000 Führungen hat der Besucherdienst der Kölner Sportstätten GmbH, Eigentümerin des Stadions, im Jahr zu bewältigen. Die Besucher wandeln gern auf den Spuren von Poldi, Hennes und Co. Am FC-Museum am Marathontor beginnen die Führungen mit Malte Rauert.

Der 19-jährige Auszubildende für Eventmanagement der Kölner Sportstätten geht heute am Spielfeldrand vorbei direkt in die sogenannte Mixed Zone. Hier treffen vor dem Spiel Heim- und Gastmannschaft zusammen. An der Tür klebt der erste überlebensgroße Hennes, mit dem sich die Kölner eine kleine Gemeinheit gegenüber ihren Gästen erlauben: Auf der Seite des FC grüßt er freundlich von vorne, den Gästen hält er sein Hinterteil hin.

Gespräche mit Journalisten, wie es die Bezeichnung Mixed Zone suggeriert, gibt es vor dem Spiel nicht, klärt Malte Rauert auf. "Man hört dann nur das Klackern der Schuhe und die Spieler starren geradeaus." Die FC-Kabine, die er als nächstes zeigt, ist im Sommer enttäuschend leer. Nichts, außer ein paar roten Servietten, deutet darauf hin, wessen Stadion es ist. Das liege daran, sagt Rauert, dass der Verein nicht Besitzer des Stadions ist, sondern es nur gepachtet habe. Nach dem neuen Vertrag zahlt der Klub für Spielzeiten in der 1. Liga 7,9 Millionen Euro jährlich, für die 2. Liga 2,1 Millionen.

Die Leere der Kabine kann Malte Rauert jedoch mit seiner detaillierten Beschreibung eines Spieltages wettmachen. Er weiß, wo Poldis Platz war (gleich vorn rechts neben der Tür). Heute sitzt dort Kapitän Miso Brecko.Malte Rauert zeigt die unluxuriösen Duschen, die Mini-Sauna, das Entmüdungsbecken und die sehr hart aussehenden Liegen für physiotherapeutische Behandlungen.

In der Kabine gibt es außerdem Monitore für Motivationsfilme und eine Taktiktafel, die frühestens in der Pause genutzt wird. "In den eineinhalb Stunden vor dem Spiel, in dem die Mannschaft da ist, gibt es keine Ansprache mehr vom Trainer. Alle nutzen die Zeit zur Konzentration", erklärt Malte Rauert. Er erzählt auch, dass die Spieler nur mit einem Kulturbeutel anrücken, weil der Zeugwart alles andere für sie bereitstellt. Drei bis vier Paar Schuhe haben sie zur Auswahl, die sie je nach Rasenbeschaffenheit aussuchen.

Gegenüber in den Gästekabinen ist der Fußboden nicht grau, sondern rot. "Richtig, der FC hat sich mal auf dieser Seite vorbereitet. Aber Faryd Mondragon hat vorgeschlagen, das zu tauschen", sagt Rauert. Das sei zwar aus einem Aberglauben des ehemaligen Keepers geschehen. Danach habe der 1. FC Köln aber die nächsten drei Heimspiele gewonnen, unter anderem gegen den FC Bayern.

Ein Muss auf den Stadiontouren sind die Logen. Sie sind auf den Längsseiten in die mittlere Etage der Tribünen gebaut. Ausnahme ist - mit Rücksicht auf die Fans - bisher die Südtribüne gewesen. Dort entstehen jetzt zwar keine Logen, aber Büros. Auf dem Weg zu den exklusiven Sitzplätzen macht Malte Rauert einen Abstecher zum Mosaik mit dem Wappen des 1. FC Köln. Es ist eines der wenigen mit dem Club verbundenen Objekte im Stadion, die nicht einfach entfernt werden können. Hier erzählt er auch, wie das Maskottchen Hennes bis 1964 noch zu jedem Auswärtsspiel mitgefahren ist. "Dann soll er aber der Legende nach mal einem Spieler ans Bein gepinkelt haben", sagt er.

Der Fahrstuhl unweit des Mosaiks führt auf die Ebene der Logen. Es gibt die größeren Bereiche, in denen man für 275 Euro je Spieltag einen der 4650 Ledersitze, freies Essen und Getränke bekommt. Und es gibt die Logen mit zwölf bis 24 Plätzen, die für sechs Jahre vermietet werden. Die größeren kosten jährlich 150 000 Euro. Für sie gibt es eine Warteliste. An fußballfreien Tagen sind die Logen und Veranstaltungsräume eine lukrative Einnahmequelle für die Kölner Sportstätten.

Wenn am 21. September die Kölner Elf erstmals seit zwei Jahren wieder auf Borussia Mönchengladbach trifft, herrscht in der Stadion-Leitstelle der Polizei höchste Alarmbereitschaft. Sie befindet sich auf Höhe der Logen mit einem guten Blick auf Spielfeld und Tribünen. Von hier überwachen während der Spiele sieben bis zehn Polizisten unter der Leitung von Michael Meyer das Geschehen im und um das Stadion und stehen in ständigem Kontakt zu den dort stationierten Polizisten. Meyer weiß natürlich um die "heftige Rivalität" der Fangruppen. I

n den vergangenen Jahren äußerte sie sich schon mal in provozierenden Plakaten einiger Kölner, die auf eine "Fohlenschlachterei" in der Nähe des Stadions wiesen. Aus der Leitstelle heraus werden dann an solchen Tagen Kameras bedient, die bei Bedarf auf bestimmte Bereiche des Stadions gerichtet werden können.

Ein Höhepunkt für viele Besucher fehlt noch: Die Lukas-Podolski-Loge. In dem Raum mit hellgrauer Sitzecke und großem, modernem Holztisch schauen sich Poldi und seine Familie die FC-Spiele an. Über der Couch hängen Porträts des Kölner Idols. An der Wand sind hinter Glasscheiben Trikots aller bisherigen Stationen des Spielers aufbewahrt. In der Mitte gibt es einen Kasten mit dem Dress der Nationalmannschaft und Medaillen, darunter die des Vize-Weltmeisters von 2010 und die bronzene von 2006.

"Die goldene von diesem Jahr muss er uns auch noch bringen", scherzt Pressesprecherin Carmen Diaz, glaubt aber daran, dass Poldi das seiner alten Wirkungsstätte zuliebe tut.

Stadionführungen

Ob "Auf den Spuren von Lukas Podolski" oder die "Meister-Tour mit Harald Konopka" - Die Führungen im Rheinenergiestadion finden wochentags und an Wochenenden zu festen Terminen statt. Sie dauern bis zu 90 Minuten. Start ist am Museum des 1. FC Köln in der Nordtribüne.

Kosten: 9,20 Euro, ermäßigt 6,20 Euro, Familienkarte 22,10 Euro. Für Gruppen gibt es andere Preise. Infos: Montag und Freitag von 9 bis 12 Uhr, Dienstag bis Donnerstag von 9 bis 17 Uhr unter 0221/71616104 oder per E-Mail an stadionfuehrungen@koelnersportstaetten.de

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