Sportschule Hennef Die Wiege des Sommermärchens

HENNEF · Alte Freundschaften sind schon etwas Besonderes. In Nostalgie schwelgend blickt man gerne auf so manche Verbindung von damals zurück, auch wenn die Bilder der vergangenen Tage langsam verblassen.

Hin und wieder entsteht aus diesen Freundschaften etwas Besonderes, etwas, das man so schnell nicht vergisst. Zum Beispiel das Sommermärchen 2006.

Der Ursprung dieser wunderbaren Geschichte findet sich allerdings weder in einem mystischen Wald noch in einer stattlichen Ritterburg wieder - das Märchen der Fußball-WM im eigenen Land wurde in der Sportschule Hennef geboren. Dort stellten der spätere Bundestrainer Jürgen Klinsmann und sein Nachfolger Joachim Löw bei einem DFB-Trainerlehrgang im Jahre 2000 gewisse Parallelen fest, die sechs Jahre später als Trainer-Duo zu einem schwarz-rot-goldenen Sommernachtstraum führten.

Auch wenn es eine Sportschule nicht unbedingt vermuten lässt, der Geburtsort dieses Märchens hätte nicht besser gewählt werden können. Inmitten des Hennefer Waldes bietet die Sportschule nicht nur für Sportbegeisterte eine perfekte Idylle.

"Diejenigen, die die Sportschule nicht kennen, sind nach einem Aufenthalt allein von der Umgebung fasziniert. Wir sind hier schon traumhaft eingebettet", erklärt Sportschulleiter Sascha Hendrich-Bächer die Faszination der Sportschule.

Auf 60 Hektar Fläche bietet die Sportschule alles, was das Sportlerherz begehrt. Fußball-Teams können sich auf den drei Naturrasenplätzen, einem Kunstrasenfeld, zwei Soccercourts sowie in einer 40 x 60 Meter großen Kunstrasenhalle austoben.

In der Mehrfachhalle sind unter anderem die Bundesleistungszentren der Boxer, Ringer und Judoka sowie das Landesleistungszentrum der Gewichtheber mit Spezialhallen untergebracht. Natürlich kommen auch Hallensportler wie Hand-, Volley- Basketballer, Tischtennisspieler oder Fechter auf ihre Kosten.

Zwar steht der Sport erwartungsgemäß im Vordergrund, doch die Sportschule hat noch mehr zu bieten. Ein Umstand, der nicht überall bekannt ist. "Der Name 'Sportschule' ist historisch gewachsen und Teil unserer Tradition", sagt Hendrich-Bächer. "Inzwischen kann man hier aber sehr viel mehr machen, als sich nur sportlich zu betätigen." Tatsächlich vermittelt der Begriff "Sportschule" ein anderes Bild.

Angestelltes Lehrpersonal, Trainer oder herkömmliche Klassenräume gibt es nicht. Dafür geht das Angebot der Schule weit über den Sport hinaus. 13 Seminarräume bieten die Voraussetzungen für Firmen-Tagungen, der angeschlossene Kletterwald und die gesamte Umgebung ideale Bedingungen für Teambuilding- oder Freizeitaktivitäten. Zudem werden 120 Zimmer mit 235 Betten angeboten. Unternehmen veranstalten ihre Firmenfeiern auf dem Gelände, die Gastronomie ist für ihre gute Qualität bekannt.

55.000 Gäste zählt die Sportschule jährlich. "Es heißt immer überall, man muss sich auf ein Gebiet spezialisieren. Doch das ist nicht Auftrag der Sportschule. Wir wollen hier ganz bewusst eine ganze Bandbreite abdecken", sagt Hendrich-Bächer, der aber in dem Namen kein Image-Problem sieht. "Wir haben den Namen der Sportschule um den Titel 'Trainieren, Tagen, Wohlfühlen' ergänzt. Ich denke, das deckt alles ab. Der Name bleibt. Wir haben ein hohes Renommee und eine Historie, auf die wir sehr stolz sind", so der Leiter der Sportschule.

Und die Historie ist beeindruckend. Im Oktober 1949 wurde der Grundstein gelegt, 1950 öffnete die Sportschule ihre Pforten. Seitdem haben sich einige Größen des Sports die Klinke in die Hand gegeben. Sepp Herberger vereinte seine Weltmeister 1954 unmittelbar nach dem Titelgewinn in der Sportschule, 1989 bereitete Franz Beckenbauer die künftigen Weltmeister auf das entscheidende Qualifikationsspiel gegen Wales vor, die Nationalmannschaft Argentiniens war 2005 anlässlich des Confed-Cups zu Gast. Doch auch Jugend- und Breitensportmannschaften aus der Region sind gern gesehene Gäste.

"Hier läuft ein Torsten Frings auch gerne mal einem Bambini über den Weg. Das ist die Mischung, die es so besonders macht", sagt Hendrich-Bächer. Berührungsängste gibt es dabei nicht. "Die Profis wissen ja auch, wo sie herkommen. Auch sie haben mal in einem Jugendtrikot gesteckt. Die Jugendlichen haben da schon mal ein wenig Ehrfurcht", sagt der Leiter der Sportschule.

Profimannschaften finden sich in Hennef regelmäßig ein. Von den Trainingsvoraussetzungen sind sie meist begeistert. "Vor ein paar Jahren hatten war den FC Arsenal mit Lukas Podolski zum Trainingslager hier. In der Vorbesprechung teilte man uns mit, dass die Spieler aber nicht die 'gefürchtete Treppe' (Punkt 11) benutzen würden", erinnert sich Hendrich-Bächer. "Die Spieler wurden damals mit dem Bus zum Trainingsgelände gefahren." Denn das liegt auf einer Anhöhe.

Auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ist von der Qualität der Sportschule offenbar überzeugt. 2011 verlegte der DFB die Hennes-Weisweiler-Akademie von der Deutschen Sporthochschule in Köln nach Hennef. Dort werden jährlich 24 Teilnehmer zu Fußball-Lehrern ausgebildet. Mit der Lizenz sind die Übungsleiter dann berechtigt, Mannschaften aus den drei deutschen Fußball-Profi-Ligen zu trainieren. Allerdings wird die Akademie voraussichtlich nach Frankfurt umgesiedelt.

"Ich gehe davon aus, dass das 2018 der Fall ist. Wenn es dann so kommt, war die Akademie sieben Jahre bei uns. Das ist für uns eine hervorragende Auszeichnung", so Hendrich-Bächer: "Die Entscheidung des DFB, zukünftig alles in einem eigenen Leistungszentrum in Frankfurt anzusiedeln, ist vollkommen nachvollziehbar. Aus dem gleichen Grund hat ja auch der Fußball-Verband Mittelrhein als Träger der Sportschule seine Geschäftsstelle 2012 aus Köln in die Sportschule verlegt. Und bis 2018 ist ja auch noch genug Zeit." Genug Zeit, dass eine neue Freundschaft geknüpft und ein weiteres Sommermärchen geboren werden kann.

Hauptgebäude: Am 1. Oktober 1949 wurde der Grundstein gelegt. Heute befinden sich in dem Hauptgebäude Seminar- und Tagungsräume sowie der gastronomische Bereich. Der Fußball-Verband Mittelrhein (FVM) nutzt das verbandseigene Leistungs- und Tagungszentrum für sportliche und außersportliche Maßnahmen.

Empfang: Vor der WM 2006 wurde die Sportschule für 6,8 Millionen Euro renoviert und erweitert. Unter anderem wurde der Empfang ergänzt.

Haus Schleiden: Das Gebäude wurde ebenfalls 2006 gebaut. Es bietet 20 Premium-Unterkünfte, um Sportler auf große Wettkämpfe vorzubereiten.

Erweiterungsbau: Dient heute als Geschäftsstelle des FVM. Das Gebäude bietet weitere Unterkünfte und Seminarräume.

Bettenhaus: Das Bettenhaus wurde in den 70er Jahren gebaut, später aber modernisiert. Neben Unterkünften gibt es weitere Seminarräume.

Hallenkomplex: Neben der Dreifachhalle für unterschiedliche Ballsportarten sind hier unter anderem die Bundesleistungszentren Judo, Ringen und Boxen angesiedelt. Die Hallen sind mit Sportgeräten und neuester Analysetechnik ausgestattet. Im Hallenkomplex findet sich auch ein Wellnessbereich mit Sauna, Tauchbecken und Hydromassagebecken.

Hennes-Weisweiler-Akademie: Seit 2011 werden in der Sportschule Hennef die künftigen Profi-Trainer ausgebildet. Voraussichtlich 2018 zieht die Akademie zur DFB-Geschäftsstelle nach Frankfurt um. Dort wird momentan ein Leistungszentrum gebaut.

Schwimmhalle: Das Hallenbad verfügt über ein klassisches 25-Meter-Becken. Es wird von Gästen der Sportschule sowie von Schulen und Vereinen aus Hennef genutzt. Zu bestimmten Zeiten steht es auch der Öffentlichkeit zur Verfügung.

Außenbecken: Das 50-Meter-Becken wurde erst 2013 saniert wieder in Betrieb genommen. Es verfügt über einen 10-Meter-Sprungturm. Es steht der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung.

Ehemaliges Personalhaus: Beherbergt seit 2013 die Egidius-Braun-Stiftung, benannt nach dem früheren DFB- und FVM-Präsidenten, sowie die Sepp-Herberger-Stiftung des DFB.

"Gefürchtete Treppe": Die steile Treppe verbindet die beiden Trainingskomplexe. Sie war aufgrund der steilen und hohen Stufen selbst bei den Profisportlern gefürchtet, wurde 2011 saniert und ist heute deutlich leichter erklimmbar.

Fußballplatz: Das Herzstück der Sportschule ist nach wie vor der Fußball. Die Schule verfügt über drei Naturrasenplätze, einen Kunstrasenplatz, eine Kunstrasenhalle und zwei Soccercourts.

Kletterwald: Bei den Gästen sehr beliebt. Der öffentliche Kletterwald wird privat betrieben, von der Sportschule an seine Gäste aber vermittelt.

Die fliegende Kamera

Das Bild von der Sportschule Hennef machte Fotograf Volker Lannert mit einem Oktokopter: Das Fluggerät mit integrierter Kamera kann bis zu 1000 Meter hoch steigen, erlaubt sind in NRW bis zu 100 Meter wegen des Flugverkehrs. Vom Boden aus steuert der Fotograf, sieht im Mini-Monitor, was die Linse einfängt und löst die Kamera aus.

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