Kölner Hauptbahnhof "Die Reise beginnt bei uns"

KÖLN · Hinter den Kulissen des Kölner Hauptbahnhofs: Von Currywurst bis Pömpel - die Warenlogistik sorgt dafür, dass in den Zügen nichts fehlt.

 Ein Mitarbeiter der Warenlogistik parkt sein voll beladenes Elektro-Auto neben einem ICE, um den Zug zu beladen.

Ein Mitarbeiter der Warenlogistik parkt sein voll beladenes Elektro-Auto neben einem ICE, um den Zug zu beladen.

Foto: Christoph Meurer

Die Reise in die Unterwelt des Kölner Hauptbahnhofs beginnt auf Gleis 1, Abschnitt F. Hier, etwas abseits vom Trubel der ein- und aussteigenden Passagiere, empfängt Martin Hemmersbach den Gast. Der 62-Jährige ist "Eisenbahner" aus Leidenschaft. 1974 begann er bei dem Unternehmen zu arbeiten, das damals noch "Deutsche Bundesbahn" hieß und ein Staatsbetrieb war. 29 Jahre hat er als Zugbegleiter, auch Schaffner genannt, gearbeitet. Mittlerweile kümmert er sich als Gruppenleiter bei der Warenlogistik der DB Fernverkehr darum, dass Reisende auf den Fernstrecken der Bahn Speisen und Getränke kaufen können, aber auch immer Toilettenpapier auf den stillen Örtchen im Zug finden. Dafür arbeiten Hemmersbach und seine 74 Kollegen jeden Tag tief im Keller unter dem Bahnhof.

Einige Schritte vom Bahnsteig entfernt, in einer Ecke des Bahnhofsgebäudes, öffnet Hemmersbach die Tür eines Lastenaufzugs. Mit diesem geht es hinunter. Wie tief, kann er nicht genau sagen. "Mindestens sieben Meter", schätzt er. Unten angekommen, steht man unvermittelt in einem Tunnel aus dem Jahr 1893. "Er wurde einst von der Post gebaut, um Postzüge zu beladen", berichtet Hemmersbach. Heute nutze die Warenlogistik den Tunnel, um über Lastenaufzüge die Züge auf den Gleisen zu erreichen. Wie auf Bestellung nähert sich ein Elektroauto, beladen mit Getränkekisten und Rollwagen, sogenannten Trolleys, voller Lebensmittel und anderen Dingen. Vor einem der Lastenaufzüge hält der DB-Mitarbeiter sein Gefährt an, öffnet die Tür und verschwindet in Richtung Erdoberfläche, um einen Zug zu be- oder auch zu entladen, der in wenigen Minuten einfahren wird.

Durch den alten Post-Tunnel geht es zur Warenanlieferung. Jeden Tag kommen hier Lkw mit Currywürsten, Getränken oder anderen Dingen an. "Nachts um 2.45 Uhr werden etwa die Zeitungen für die Züge angeliefert", sagt Hemmersbach. Direkt neben der Anlieferrampe befinden sich einige Parkplätze einer Mietwagenfirma. Es sei schon vorgekommen, dass Menschen einen Mietwagen direkt vor der Rampe abgestellt haben, berichtet Hemmersbach sichtlich verärgert. Dies könne nämlich zu Verzögerungen in dem feinen Räderwerk der Warenlogistik führen. "Dann ärgern sich Menschen im Zug auf dem Weg nach München, dass sie keine Zeitung bekommen, wissen aber nicht, dass es daran liegt, dass in Köln jemand falsch geparkt hat", sagt der Bahn-Mitarbeiter. Eine gute Kooperation bestehe hingegen mit dem Hotel, dessen Anlieferrampe direkt nebenan ist. Man helfe sich gegenseitig, wenn etwa ein Kühlhaus oder eine Kaffeemaschine Probleme bereite, sagt Hemmersbach.

140 Züge werden von der Kölner Warenlogistik jeden Tag bedient. Unter anderem mit 100 Portionen Currywurst, 150 Portionen Chili con Carne, 360 Sandwiches oder 750 Flaschen Bier. "Etwa 70 Leistungen sind ungeplant", erläutert Hemmersbach. Ungeplant bedeutet, dass den Verantwortlichen im Zug während der Fahrt auffalle, dass etwa zu wenig Kaffee oder Bier vorhanden sei und beim Halt in Köln schnell nachgeliefert werden muss.

Für die Warenlogistik bedeutet das dann Stress, der aber nicht immer zum Erfolg führt. "Ungeplante Bestellungen können wir erfüllen, wenn sie bis zu 45 Minuten vor der Einfahrt des Zuges gemeldet werden", sagt Hemmersbach. Von der Anlieferrampe werden die Waren durch den Tunnel in die verschiedenen Lagerräume gebracht. Gerade für frische Lebensmittel wie Currywurst und Co. ist es dabei die Kühlung von entscheidender Bedeutung. "Alles, was eine Temperatur von mehr als sechs Grad hat, wird nicht mehr verkauft", betont Hemmersbach.

In der Tat zeigt in einem der Kühlhäuser der sogenannte Logger zur Kontrolle der Temperatur genau 5,2 Grad an. Wahrhaft eisig ist es wiederum im Raum nebenan. Genau minus 20,3 Grad weist der Logger hier aus. "Wir haben hier einen künstlichen Permafrostboden", erläutert Hemmersbach. Kein Wunder, dass die Männer und Frauen, die hier arbeiten, warm angezogen sind. Neben der peniblen Beachtung der Hygienevorschriften ist eben die Einhaltung der Kühlkette ein wichtiger Aspekt der Arbeit in der Warenlogistik. So sind auch alle Trolleys, in denen gekühlte Lebensmittel transportiert werden, mit Loggern versehen. Bei Bedarf könne man die Temperatur über die Logger auch zwei Jahre zurückverfolgen.

Darum landet etwa auch so manch unverkauftes Hühnerfrikassee im Abfall. "Was die Kühlkette nicht eingehalten oder das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten hat, wird nicht mehr verkauft", sagt Hemmersbach. "Da gehen wir kein Risiko ein." Waren, die allerdings durch den vierteljährlichen Produktwechsel in den Zügen aussortiert werden, kämen aber karitativen Zwecken zugute. "Wenn sie noch in Ordnung sind", betont Hemmersbach. Lebensmittel, die nicht gekühlt werden müssen, und andere Dinge für den täglichen Bedarf im Zug sind in einer riesigen Lagerhalle in unzähligen Regalen untergebracht. "Das ist quasi ein Kaufhaus für die Züge", scherzt Hemmersbach. In der Tat ist das Angebot reichhaltig. Es gibt etwa Süßigkeiten und Kaffee, Besteck, Tabletts und Reinigungsmittel, aber auch Pömpel für sanitäre Notfälle auf der Bordtoilette. Zwischen den Regalen wuseln Mitarbeiter, so genannte Kommissionierer, emsig hin und her. Mit gezielten Griffen werden die Trolleys mittels der vorgegebenen Packlisten beladen. Dabei hat jedes Teil einen bestimmten Platz im Rollwagen. "Im Zug muss es schnell gehen, daher müssen die Kollegen sich darauf verlassen, dass alles dort zu finden ist, wo es auch liegen soll", sagt Hemmersbach.

Währenddessen sind andere Männer und Frauen etwa damit beschäftigt, Geschirr zu spülen, Brötchen aufzubacken oder Kaffee zu kochen. Bemerkenswert sind dabei die Dimensionen. Die Kaffeemaschine kann laut Hemmersbach 35 Liter in 20 Minuten kochen, in den drei Backöfen werden ab drei Uhr täglich bis zu 2500 Brötchen, Croissants oder Teilchen aufgebacken.

Zehn Warenlogistiken der Deutschen Bahn gibt es in Deutschland. Laut Hemmersbach ist Köln eine der größten. Gearbeitet wird rund um die Uhr. Und das nicht nur für DB-Züge. Auch für die Reisenden im Thalys, dem länderübergreifenden Hochgeschwindigkeitszug, werden unter dem Kölner Hauptbahnhof fleißig Trolleys gepackt und Tabletts für Frühstück oder Abendessen an Bord zusammengestellt. "Für Thalys bauen wir etwa 500 Tabletts am Tag", erläutert Hemmersbach. Das Unternehmen sei ein sehr kritischer Kunde und kaufe seine Produkte immer selbst. "Das darf nur Bio und aus der Region sein."

Die Arbeit der Warenlogistik findet fast vollständig vor den Reisenden verborgen statt. Auch wenn die Fahrer mit ihren Elektro-Autos für wenige Minuten an der Oberfläche erscheinen, um Züge zu be- oder entladen, werden sie sicherlich nicht von jedem Bahnhofsbesucher wahrgenommen. Aber: "Wenn ein Reisender im Zug etwa keinen Kaffee oder keine Zeitung bekommen kann, ist die Stimmung mies", findet Hemmersbach. Damit das nicht passiert, herrscht unter dem Kölner Bahnhof 24 Stunden am Tag emsiger Betrieb. Oder wie es Hemmersbach ausdrückt: "Die Reise beginnt bei uns."

Der Bahnhof in Zahlen

Der Kölner Hauptbahnhof ist eine kleine Welt für sich. Sie erstreckt sich auf rund 15.700 Quadratmeter. Alleine die Bahnsteighalle ist 255 Meter lang, 92 Meter breit und 30 Meter hoch. Im Untergrund verlaufen Versorgungsgänge auf einer Länge von 1,4 Kilometern. Nach Angaben der Deutschen Bahn (DB) arbeiten knapp 1000 Menschen im Hauptbahnhof, davon sind mehr als 200 DB-Mitarbeiter. Der Rest arbeitet unter anderem in den 70 Geschäften in den Bahnhofspassagen. Etwa 1450 Züge passieren die elf Gleise pro Tag, davon rund 650 Fern- und gut 800 Nahverkehrszüge. Täglich kommen so rund 280.000 Reisende und Besucher zusammen. Zu Großveranstaltungen wie Karneval können es auch bis zu einer Million pro Tag werden. Laut DB gehört die Station damit zu den meist frequentierten Bahnhöfen in Deutschland.

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