Raumfahrt-Ausstellung in der Bundeskunsthalle Der Countdown läuft

Blick hinter die Kulissen: Die Bundeskunsthalle bereitet eine spektakuläre Ausstellung über die Geschichte der Raumfahrt vor.

Das Tor zum Weltraum hätte man sich durchaus spektakulärer vorstellen können. Ein relativ kleines Büro hinter der Bundeskunsthalle, in dem drei Menschen über Pläne gebeugt sind. Es sind bizarre Grundrisse für eine Ausstellung, die man so in der Bonner Institution noch nicht gesehen hat. Zackig, rund, oval, kaum Rechtecke. Denkt man sich das raffinierte Farbkonzept hinzu, das auch auf dem Tisch liegt, mit einem musealen Burgunderrot startet und den Besucher am Ende in dunkle Welten und gleißende Lichträume entlassen wird, dämmert es einem, dass sich hier doch etwas sehr Spektakuläres anbahnt. Die Bundeskunsthalle macht sich in den Weltraum auf. Mit etwas Fantasie könnte man Gustav Peichls türkise Kegel auf dem Bundeskunsthallendach als Raketenköpfe interpretieren. Auf einen davon fällt der Blick aus dem kleinen Büro. Fertig zum Abheben.

Eine Brücke zwischen Kunst, Kultur und Wissenschaft

Das Ausstellungsthema Weltraum sei so alt wie die Bundeskunsthalle, die ja vor über 20 Jahren angetreten war, unter anderem eine Brücke zwischen Kunst, Kultur und Wissenschaft zu bauen, sagt Stephan Andreae, der für die Projekt- und Programmleitung im Forum zuständig ist und nun zusammen mit der Gastkuratorin Claudia Dichter, Hörfunkjournalistin und Ausstellungsmacherin, die Schau "Outer Space. Faszination Weltraum" vorbereitet. Anfang Oktober wird sie eröffnet. Der Countdown läuft unerbittlich. Von Nervosität ist im Kontrollzentrum in der Bundeskunsthalle jedoch nichts zu spüren.

Was denn mit den Leihgaben aus Houston, San Diego und Washington sei, fragt die Projektassistentin Tanja von Stegmann und hängt sich ans Telefon. Langsam füllt sich das Depot der Bundeskunsthalle mit Exponaten, im leeren Forum findet eine Stellprobe für die geplante Weltraumoper mit Corinna Harfouch statt, Andreae blättert durch die Korrekturfahnen des 276-seitigen Katalogs. Und seine Kuratorenkollegin Dichter erzählt mit strahlenden Augen, wie perfekt die zwölf Themenräume ineinandergreifen werden und wie im Sommer 2010 die Idee zu "Outer Space" geboren wurde.

Das Weltraumthema blieb zunächst in der Luft

Damals saß sie mit Andreae im Auto. Genauer: im Stau. Und man unterhielt sich über die Anfänge der Bundeskunsthalle und den von Gründungsintendant Pontus Hultén propagierten Mix aus Kultur und Wissenschaft. Man habe damals schon über das Thema Weltraum gesprochen, sich aber zunächst für eine andere Perspektive entschieden, erzählt Andreae: "Erdsicht. Global Change" hieß eine der vielbeachteten Eröffnungsausstellungen der Bundeskunsthalle im Jahr 1992. Das Weltraumthema blieb in der Luft. Bis zu jener Staufahrt 2010. "Im November kam das Go", erinnert sich Dichter. Und damit begannen die Recherchen in einschlägigen Sammlungen von Peenemünde bis Paris, Washington bis Moskau. Das Thema wurde von der Sphäre der Forschung über die Kunst bis zu Populärkultur und Science-Fiction durchdekliniert. Der Außerirdische E.T. und der Droide R2-D2 sollten ebenso dabei sein wie die im Berliner Museum für Naturkunde untergebrachte einzigartige Meteoritensammlung des Astronomen und Goethe-Zeitgenossen Ernst Florens Friedrich Chladni. Der Blick sollte sich zur Bildenden Kunst hin richten und natürlich soll auch die neueste Weltraumforschung beleuchtet werden. Die Kuratoren machten Atelierbesuche, etwa bei Via Lewandowsky oder Katie Paterson, natürlich nahm man Kontakt mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) auf. "Wir haben von der Technik keine Ahnung, die konnten uns genau erklären, was ein Schwarzes Loch ist."

Und noch mehr. Dank dem DLR laufen jetzt in der Bundeskunsthalle alle Fäden zusammen. So ist eine Bundesbiene, die gemeinhin auf dem Dach der Bundeskunsthalle Pollen sammelt, als Passagier bei der ISS-Mission dabei. Ein weiterer Passagier, der deutsche Astronaut Alexander Gerst, wird nach der Landung in Bonn zur Welcome-home-Party erwartet. Auch die Landung von Philae auf dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko, Höhepunkt der Rosetta-Expedition, wird im Rahmen der "Outer Space"-Ausstellung gefeiert. Am 11. November ist das Ereignis geplant.

Eine Reise zu den Sternen

Claudia Dichter verspricht eine "sinnliche Reise" zu den Sternen und "wenig Didaktik". Die Geschichte der Weltraumfahrt soll mittels Objekten und Inszenierungen erzählt werden, "diese Ausstellung ist ein Essay". Vom Weltraumklo aus dem Technikmuseum in Speyer bis zu Peter Paul Rubens' herrlicher Allegorie "Geburt der Milchstraße" aus dem Prado in Madrid reicht die Liste der Exponate. Rubens orientierte sich an der antiken Mythologie, wonach Zeus seinen (unehelichen) Sohn Herakles an der Brust seiner schlafenden göttlichen Frau Hera trinken lassen wollte, um ihm göttliche Kräfte zu schenken. Der Knabe saugte so heftig, dass Hera aufschreckte, den ihr unbekannten wilden Herakles von sich stieß, derweil der Milchstrahl in den Himmel spritzte. Die Geburt der Milchstraße ist wohl etwas anders verlaufen. Die Bonner Schau wird aufklären.

Dass der legendäre Stummfilmregisseur Fritz Lang den Countdown erfunden hat, auch das wird man gleich zu Beginn der Schau erfahren. Lang setzte den Countdown im Science-Fiction-Stummfilm "Frau im Mond" (1929) ein, um die Dramatik vor dem Abheben der dargestellten Mondrakete zu erhöhen. Die Rakete hieß "Friede", entworfen hat sie Hermann Oberth für Fritz Lang, erzählt Claudia Dichter. Der Raketenpionier habe als Elfjähriger die Science-Fiction-Romane von Jules Verne verschlungen, sagt Dichter und belegt damit die Nähe von Fiktion, Kunst und Wissenschaft.

Die Kapsel "Liberty Bell 7" verlässt erstmals die USA

Der Besucher soll in "Outer Space" von Mythen und Geschichten hören, aber auch über die Anfänge der Raumfahrt informiert werden. Er wird Raketenmodelle und Programme kennenlernen, aber auch Zeuge des Ost-West-Wettlaufs ins All sein. Claudia Dichter freut sich speziell auf Miss Baker, den "Monkeynaut", ein Totenkopfäffchen, das 1959 ins All geschossen wurde, den Trip überlebte und 1984 als bislang ältester Affe dieser Gattung in Alabama starb. Und sie ist auf das Bett, in dem Neil Armstrong in seiner ersten Nacht nach der Rückkehr vom Mond schlief, gespannt. Letzteres ist pure Fiktion, ein Kunstwerk des New Yorkers Ronald Jones, der kritische Momente der US-Geschichte in einer Betten-Serie verewigt hat. Auch Jack Ruby, der Mörder des Kennedy-Attentäters Oswald, hat von Jones ein Bett bekommen.

Spannend dürfte die Transportaktion der Kapsel "Liberty Bell 7" werden, die, so Andreae, erstmals die USA verlassen darf, Ende August in Bremerhaven erwartet wird und dann die Weiterreise nach Bonn antritt. Die Kapsel, die 1961 nach ihrem Weltraumflug mit Virgil Grissom an Bord planmäßig wasserte und unplanmäßig versank - Grissom konnte sich schwimmend retten -, konnte erst 1999 geborgen werden. In Bonn wird die restaurierte Kapsel zu den spektakulärsten Objekten zählen. Auch das Triebwerk einer Vikingrakete oder die zwölf Meter hohe Ariane, die auf dem Museumsplatz aufgebaut wird, der "Phoenix-Raumgleiter" auf dem Trajektknoten der B9 und die fesselnde Astrofotografie von Trevor Paglen, die in der Bundeskunsthalle und im benachbarten Kunstmuseum zu sehen sein wird, dürften Freunde finden.

Ob denn auch an das berühmte Bügeleisen, das als Bedienungselement des Maschinenleitstandes eine zentrale Bedeutung in der 60er-Jahre-Serie "Raumpatrouille Orion" spielte, gedacht wurde? Die Kuratoren beruhigen mich. Ja, das Bügeleisen wird dabei sein. Es wird eine ziemlich komplette Ausstellung.

Outer Space. Faszination Weltraum

Die Bonner Bundeskunsthalle zeigt vom 3. Oktober 2014 bis 22. Februar 2015 die Ausstellung. "Outer Space. Faszination Weltraum". In zwölf Themenräumen und mit rund 300 Objekten will sich die Ausstellung dem spannenden Thema nähern. Die Kuratoren Claudia Dichter und Stephan Andreae sehen ihre Ausstellung als Verknüpfung aus Wissenschaftsschau und kulturgeschichtlicher Präsentation. "Outer Space" ist eng mit laufenden Weltraumprojekten verknüpft. So wird die für den 11. November vorgesehene Landung von Philae auf dem 7,1 Milliarden Kilometer entfernten Kometen Tschurjumow-Gerasimenko - Höhepunkt der Rosetta-Mission - ebenso Thema in der Ausstellung sein wie der Abschluss der aktuellen ISS-Mission mit dem deutschen Astronauten Alexander Gerst. Ein Blog (www.bundeskunsthalle.de/blog) dokumentiert das Werden der Ausstellung.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Neue Musik zwischen Wohnwagen
Beethoven Orchester im BaseCamp Neue Musik zwischen Wohnwagen
Aus dem Ressort