Reise Skivergnügen an der Via Claudia Augusta

Nauders · Nauders ist kein Geheimtipp, aber eine Empfehlung für Genießer an der uralten Handelsstraße am Reschenpass. Im Winter Topskigebiet, im Sommer Hotspot für Radler mit Blick auf den Ortler und in den Vinschgau.

 Die „Stieralm“ ist chic, modern und erst seit kurzem eröffnet

Die „Stieralm“ ist chic, modern und erst seit kurzem eröffnet

Mit Fantasie hört man noch das dumpfe Geräusch der schwer atmenden Stiere, die den Winter im Stall hoch über Nauders verbringen. 50 Tiere zogen seit den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in jedem Herbst in die schlichte Hütte ein, nutzten sie bis 1972 als Winterquartier. Dann störte der zunehmende Tourismus die Almruhe. Wanderer verdrängten im Sommer die Stiere von den Wiesen. Die Hütte stand zehn Jahre leer, bis sie 1982 von den Bergbahnen Nauders erworben und als Lagerplatz genutzt wurde. Seit wenigen Wochen ist das Gebäude nahe der Grenze zu Südtirol für die stolze Summe von 3,5 Millionen Euro vorbildlich restauriert. Die neue „Stieralm“ ist ein beliebtes Ziel im Skigebiet Bergkastel geworden.

„Wir haben versucht, möglichst viel von der Substanz zu retten und heimische Materialien wie Zirbenholz für neue Balken oder auch Tische zu verwenden“, erzählt Karl Stecher, Bauingenieur und damit maßgeblich an der Wandlung des Stalls in das „gastronomische Leuchtturmprojekt“ der Bergbahnen Nauders beteiligt. Naturmaterialien, wohin man schaut: Ob bei Details wie Stahlhalterungen für Kleidung und Skiausrüstung oder den vielen Tischen, auf die eben keine Lacke aufgetragen wurden. „Wir wollten so viel Natürlichkeit wie möglich“, sagt Stecher. Er ist damit einem architektonischen Trend gefolgt, der seit einigen Jahren in den Alpen auf der mitunter doch etwas eintönigen Hütten-Landkarte einige neue Juwelen platziert hat.

„Qualität statt Massenware“, könnte man titeln. Diesem Motto hat sich jedenfalls der Tourismusverband Nauders verschrieben. Und das nicht nur beim Hüttenumbau. Schreibt das nicht jede Tourismusdestination auf ihre Fahnen? „Mag sein“, sagt Geschäftsführer Manuel Baldauf. „Aber wir liefern auch die Inhalte“, ist er überzeugt. Denn Nauders, etwas abseits der klassischen Alpenziele gelegen, muss mehr bieten als Superlative bei Pistenkilometern und Aufstiegshilfen. Schon die Anreise hat es in sich. Wer sich von Landeck an der Inntal-Autobahn zum Reschenpass auf mehr als 1200 Höhenmeter hocharbeitet, braucht dafür mindestens 45 Minuten.

Im Sommer, wenn viele Touristen sich über den Reschenpass statt über den Brenner auf den Weg nach Südtirol machen, oftmals auch länger. „Für Tagestouristen sind wir eher kein Ziel“, stellt Baldauf fest. Die Blechlawine stoppt im Sommer zwar gerne am Reschensee für Fotos vor dem Kirchturm der alten Pfarrkirche St. Katharina, die 1950 auf der italienischen Seite des Sees samt Dorf überflutet wurde und deren Spitze noch heute aus dem Wasser ragt. Aber vom durchaus hübschen Örtchen Nauders, direkt neben der Bundesstraße 180, nehmen nur wenige Notiz.

Die Skipisten, da ist sich Manuel Baldauf sicher, sind in Nauders breiter und besser präpariert als bei vielen Konkurrenten. Und wegen der Höhe vor allem eines: schneesicher. Familien sind, so frohlockt der Prospekt, noch willkommener und das Essen mit Bioprodukten soll in der Höhe der 2000 Jahre alten römischen Handelsstraße „Via Claudia Augusta“ noch viel besser sein als in den Hochburgen des Tourismus rechter und linker Hand. Seien es nun St. Moritz, das nahe Ischgl oder auch der Vinschgau mit dem majestätischen Ortler, der vom Reschenpass wunderbar zu sehen ist.

„Wir haben in diesem Winter unser neues Seilbahncenter eröffnet“, freut sich Baldauf, der als gebürtiger Nauderer übrigens eine gehörige Portion Rheinland im Blut hat. „Meine Mutter ist Düsseldorferin, verliebte sich im Urlaub in den Skilehrer.“ Und augenzwinkernd fügt er hinzu: „Bei den Genen ist klar, dass es bei mir mit einer Karriere als Skirennläufer nichts werden konnte.“

Und was macht nun die Qualität einer neuen Talstation für ein mittelgroßes Skigebiet aus? „Es ist das Gesamtkonzept mit Skiverleih, Gastronomie, kurzen Wegen und kaum Wartezeiten.“ Dazu kommt ein Service, der in dieser Form tatsächlich nicht in vielen Skigebieten anzutreffen ist. Im neuen Seilbahncenter gibt es 3000 „Einstellplätze“ für Ski, Helme, Stöcke, Handschuhe, Schuhe. Jeder Schrank bietet Platz für eine dreiköpfige Familie, ist belüftet und beheizt. Gebucht werden die Schränke direkt übers Hotel für einen geringen Preis. „Die Resonanz auf das neue Angebot ist hervorragend“, so Baldauf. „Wir stellen gerade weitere Schränke auf.“

Fahrräder passen allerdings nicht hinein. Womit wir beim Sommertourismus und dem Bike-Hotspot Nauders wären. Aber das ist eine andere Geschichte.

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