Traumziel Masai Mara Die Seele kommt zur Ruhe

Masai Mara · Um die Tiervielfalt in der Masai Mara zu erhalten, setzt Kenia in den Conservancies auf sanften und sehr exklusiven Tourismus. Dafür erlebt der Besucher eine Tiervielfalt, die ihresgleichen sucht. Ein Reisebericht.

 Elefantenfamilie auf dem Weg zum Fluss Mara

Elefantenfamilie auf dem Weg zum Fluss Mara

Foto: Katrin Janßen

Es gibt Dinge, die die Seele erheben. Die einen verändern. Dass kann ein Erlebnis sein. Und manchmal die Natur. Eine Landschaft. Manchmal reicht es aus, nur vor einem Zelt zu sitzen und über die Ebene zu schauen, über Büsche und Bäume. Die Farben in sich aufzunehmen, die Weite. Der Blick über die Masai Mara macht demütig. Dort, wo vermutlich die Wiege der Menschheit stand, wird der Einzelne ganz klein.

Wenn Touristen dann diesen leicht verklärten Gesichtsausdruck bekommen, lächelt George nur milde. Der Massai ist in der Masai Mara aufgewachsen, seine Familie lebt seit Generationen in dieser Landschaft, mit ihrem Tierreichtum, der manchmal brutalen Schönheit. George kennt die Masai Mara. Er weiß, wo die Tiere leben, jagen und spielen. George ist einer von vielen Massai, die im Kicheche Mara Camp arbeiten. Das Camp steht für den neuen Tourismus, von dem sich Kenia verspricht, zur Natur versöhnlicher zu sein. Statt mit Masse will man jetzt mit seiner Klasse punkten.

Und davon hat es genug: Dank eines generellen Jagdverbots von Wildtieren im ganzen Land, kann Kenia auf einen Artenreichtum verweisen, der seinesgleichen sucht. Hier leben die „Big Five“ – also Löwe, Leopard, Elefant, Büffel und Nashorn. Aber auch Geparden und Schakale, riesige Herden von Flusspferden, Giraffen, Zebras und Antilopen. Um diesen Reichtum zu erhalten, setzen die Kenianer auf einen sanften, sehr exklusiven – und teuren – Tourismus.

Kenia Bilder
39 Bilder

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Dafür können die Gäste von George in der Masai Mara eine faszinierende Tierwelt erleben. Etwa die Löwenmutter, die ihren Blick wachsam über die Ebene schweifen lässt. Den Offroader mit den atemlosen Touristen scheint sie dabei gar nicht wahrzunehmen. Ihr Blick gleitet über den spielenden Nachwuchs, zwei etwa drei Monate alte Löwenkinder. Dann dreht sie um und schleicht davon.

Hinter dem Busch tauchen etwas größere Löwen auf. „Sie sind etwa acht Monate alt“, flüstert George. Er hat sie aufwachsen sehen. Zwei Familien haben sich zusammengeschlossen. Weil, wie George leise sagt, bei den Löwen die Weibchen jagen gehen. Der König der Steppe hält sich im Allgemeinen in der Familienarbeit vornehm zurück. Doch dann erscheint er doch, die Kleinen laufen auf ihn zu und reiben sich an seinem Hals. Wenig später erscheint ein zweiter Löwe, diesmal kommen die drei älteren und schnuppern an ihm. Dann verschwinden alle in einem großen Gebüsch, nur noch das martialische Knacken von Knochen ist zu hören.

Dass solche Beobachtungen überhaupt möglich sind, ist nicht zuletzt den Conservancies zu verdanken – privaten Reservaten, die im Norden des staatlichen Nationalparks Masai Mara entstanden sind. Der Grund und Boden gehört den Massai. 1997 startete die Regierung eine Initiative, von der Massai und die Tierwelt gleichermaßen profitieren sollten: private Parks, in denen nur wenigen, zahlungskräftigen Touristen eine außergewöhnliche Artenvielfalt präsentiert wird.

Nicht nur die Landbesitzer, die ihre Grundstücke zur Verfügung stellen, sollen an den Touristen verdienen, sondern die ganze Gemeinschaft – über die Parkgebühren, die sozialen Projekte, die die Camps finanzieren müssen, und die Spenden der Touristen. So fließen die Einnahmen von mehr als zwei Millionen US-Dollar jährlich zu einem Großteil in die Taschen und Kommunen der Massai. Sanfter Tourismus, der den Bewohnern der Masai Mara die besondere Bedeutung der Tierwelt auch in barer Münze vermittelt. Denn nur wenn Kenia die Wilderei in den Griff bekommt, die Einheimischen die Tierwelt als nachhaltigen Schatz und nicht als schnellen Profit durch den Verkauf von Elfenbein oder Nashorn betrachten, hat das Land auf Dauer touristisch eine Überlebenschance.

Für George ist der Tierschutz eine Selbstverständlichkeit, er kann nicht verstehen, wie man Wildtiere töten kann. Er dreht den Zündschlüssel im Schloss, startet den Wagen und lenkt ihn um den Busch herum. Dann stoppt er plötzlich. Gerade einmal drei Meter entfernt zerfetzt der Löwe eine Leierantilope, die er dann, doch ganz guter Vater, mit seinem Nachwuchs teilt. Die gelben Augen des Raubtiers scheinen sich in die des Betrachters zu bohren, das Desinteresse ist dennoch nicht zu übersehen. Die Beobachter trauen sich unterdessen kaum zu atmen. In der Stille ist nur der schwere Atem des Löwen und das Mahlen seiner Zähne zu hören. Schließlich startet George den Wagen. Die nächsten sind dran.

Wenn er anschließend nach Sonnenuntergang die Touristen zurück ins Camp fährt, braucht er kein Licht am Offroader. Das verschreckt nur die Tiere, sagt er. Und, das sei ihm unterstellt, die Touristen ein bisschen zu beeindrucken, macht ihm Spaß. Im Camp erwartet die Besucher eine Mischung aus Abenteuerurlaub und britischem Gentlemen's Club. Auch das ist gewollt.

In den Zelten edles Tuch und Duschen, die von Außen mit 25 Liter-Wasser-Eimern von Hand befüllt werden. Elektrisches Licht, das versagt, wenn tagsüber die Kollektoren nicht genug Energie getankt haben. Internet? Fehlanzeige. Und ein striktes Ausgehverbot für Gäste nach Einbruch der Dunkelheit, wird man nicht von einem Massai begleitet. Denn die Camps sind nicht eingezäunt, Elefant, Nashorn und Co wandern auch mitten durch die von den Touristikunternehmen errichteten Siedlungen – so, wie sie es seit Jahrhunderten gewohnt sind. Sie waren vor den Menschen hier.

Zum Sonnenaufgang bringt George am nächsten Morgen den Tee am Zelt vorbei. Auf der Terrasse, den jungen Elefantenbullen nur einige 100 Meter entfernt, den Ruf des Kronenkranichs im Ohr, kommt die Seele zur Ruhe. Das Auge blickt über das weite Grün, die fremde Landschaft, die inzwischen doch schon vertraut wirkt. Es scheint, als könnte das Ich diese klarere, reinere Luft atmen.

Wenn der Besucher die Masai Mara verlässt, bleibt ein Stück von ihm zurück. Stattdessen nimmt er ein Stück Afrika in seinem Herzen mit nach Hause. Die Prioritäten haben sich verschoben.

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