Reise nach Kroatien Wo Winnetou seinen Blutsbruder traf

Kroatien wirbt um Touristen, die Drehorte der Karl-May-Filme besuchen. Jedes Jahr treffen sich deutsche Fans in Starigrad. Das Mittelmeerland hat mehr zu bieten als Strand und Wassersport. Wandern und Biken sind vor allem im Frühling und Herbst eine gute Alternative.

 Hella Brice weiht die Gedenktafel für ihren Mann Pierre ein.

Hella Brice weiht die Gedenktafel für ihren Mann Pierre ein.

Foto: Jörg Manhold

Möglicherweise hatte Manitu seinen Finger mit im Spiel. An Zufall mögen die Winnetoufans nicht glauben. Die 150 Apachentreuen hatten im vergangenen Jahr gerade ihren einwöchigen Konvent im kroatischen Starigrad mit dem gemeinsamen Kinoerlebnis der Sterbeszene aus Winnetou III beendet, als die Nachricht vom Tode Pierre Brice' über die sozialen Medien kam. Die Hiobsbotschaft traf sie ins Mark.

Zwei Tage zuvor hatte das Open-Air-Kino wegen eines Sturms verschoben werden müssen. Und jetzt das. Genau 50 Jahre, nachdem der Tod des Apachenhäuptlings gedreht wurde, ging auch dessen Darsteller Pierre Brice in die ewigen Jagdgründe ein. Eine Duplizität der Ereignisse. „Wir redeten die ganze Nacht und spendeten uns gegenseitig Trost“, sagt Uli Wirsing. Der 52-jährige Flugzeugmechaniker aus Frankfurt organisiert seit 2009 die Treffen von Freunden und Fans der Karl-May-Filme alljährlich im Hotel Alan. Von dort aus brechen die Winnetouianer auf zu bekannten und weniger bekannten Drehorten der wohl beliebtesten Indianerfilme des deutschen Sprachraums. Auch Brice hatte das Jahrestreffen 2012 durch seine Anwesenheit geadelt.

Wirsing ähnelt in Statur und Aussehen seinem Vorbild Winnetou. „Pierre hat mir gesagt, ich sei sein kleiner Bruder.“ Diesen Satz des Schauspielers trägt er seitdem wie einen Schatz im Gedächtnis. Das ist ihm anzumerken. Er gibt sich wortkarg, mit ernster Miene, und versucht, Weisheit auszustrahlen. Ganz so wie sein Vorbild.

In diesem Jahr enthüllte er zum ersten Todestag von Pierre Brice gemeinsam mit dessen Witwe Hella (66) und dem Filmkomponisten Martin Böttcher (89) eine Gedenktafel. Und zwar genau am Tulove Grede, der Gebirgskulisse, vor der so viele Karl-May-Western gedreht worden sind. Dort, wo Winnetou seine letzten Worte sprach: „Ich höre die Glocken von Santa Fe“. Wo der Apachenhäuptling drei Filme zuvor seinen Vater und seine Schwester beerdigte. Und dort, wo sich Kroaten und Serben zu Zeiten des Jugoslawienkrieges erbitterte Gefechte um eine strategisch wichtige Gemarkung geliefert haben. Denn hier oben hat man den Überblick.

Es ist eine illustere Gruppe, die dem feierlichen Akt in diesem Jahr beiwohnte. Die 150 Fans, der Hoteldirektor, in dessen Obhut sich auch das Winnetoumuseum befindet, der örtliche Bürgermeister und eine Vertreterin des kroatischen Tourismusministeriums.

Winnetous Spuren in Kroatien
58 Bilder

Winnetous Spuren in Kroatien

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Sie alle wissen, dass Winnetou wichtig ist für den Fremdenverkehr. Denn die Deutschen sind die größte Touristengruppe in Kroaten. Und das Land will weg von dem gemeißelten Ruf nur für Strandferien, Camping und Wassersporturlaube geeignet zu sein. „Das Hinterland hat sehr viele sehenswerte Landschaften“, sagt Mirna Bender vom Tourismusverband. Tatsächlich locken die bergigen Karstlandschaften schon jetzt Wanderer, Mountainbiker und Kletterer besonders im Frühling und Herbst, denn im Hochsommer erreichen die Temperaturen leicht mehr als 30 Grad.

Die Winnetoufans ihrerseits schwören im Frühsommer auf das Hotel Alan in Starigrad. Denn dort haben in den 60er Jahre schon Pierre Brice und Old-Shatterhand-Darsteller Lex Barker höchstpersönlich genächtigt. Aus jenem Trakt ist inzwischen das Winnetoumuseum geworden. Es ist klein und fein und birgt etliche Originalrequisiten. Ein Indianerkanu, Filmlichtspot, Waffen, Uniformen und Federschmuck. Dazu viele großformatige Fotos von Dreharbeiten, Filmplakate und und und. Die beiden Hotelzimmer der Hauptdarsteller sind noch so spartanisch eingerichtet, wie einst. Man würde sich nicht wundern, wenn die beiden plötzlich vom anstrengenden Drehtag zurückkämen und ihre müden Skalps ablegten. Ein nicht unbedeutendes Stück im Museum ist das Gästebuch. Wer darin blättert, spürt wie tief die Liebe zum guten, edlen und friedfertigen Apachenhäuptling in den Herzen der heute 45- bis 80-jährigen Deutschen ist. Sie sahen die Filme in den 60er Jahren im Kino oder in den 70ern im Fernsehen.

Nur wenige Kilometer vom Hotel entfernt ist die Schlucht des Paklenica National Parks. Die weißen Felsen erheben sich Hunderte Meter senkrecht in die Höhe. Hier rettete sich Old Surehand mit seinem Pferd unter einen Felsvorsprung, als die Feinde ihn mit einer Gerölllawine tangieren wollten. Wer den Blick schweifen lässt, sieht in den Steilhängen Kletterer, überwiegend Anfänger, die erste Erfahrungen im Hang machen. Hier ist Zvonimir Cubelic zu Hause. Der 40-Jährige ist der vielleicht beste kroatische Winnetouführer. Er kennt fast alle Drehorte, und seien sie noch so klein und kurz im Film zu sehen. Cubelic hat stets eine Kladde unterm Arm und zeigt wie auf Knopfdruck Bilder von Filmen und Dreharbeiten, wenn sich der Touristentross wieder mal einer wichtigen filmischen Naturkulisse genähert hat.

Für heißere Tage empfiehlt der Fremdenführer einen Ausflug in den südlich gelegenen Nationalpark Krka. Das Tal ist ein überdimensionales Gewässersystem aus Flussauen und unzähligen Wasserfällen. Und es gibt nur einen Weg, dort hindurchzukommen. Auf einem schier endlosen Holzsteg, der sich durch die bewaldete Landschaft windet. Die Gischt der Wasserfälle variiert von Jahreszeit zu Jahreszeit. Davon kann Gordana Zeitz-Ceko ein Lied singen. Sie stammt von hier und war als 16-Jährige auserkoren (heute heißt es: gecastet), die Schauspielerin Daliah Lavi für den Film „Old Shatterhand“ zu doubeln. Sie musste nackt von einem Felsvorsprung in den Wasserfall springen. „Das Wasser war sehr kalt, und ich hatte große Angst.“

Zeitz-Ceko ist erst seit Kurzem wieder in ihrer Heimat. Sie arbeitete Jahrzehnte als Journalistin bei der Deutschen Welle in Bonn. Jetzt erzählt sie als Fremdenführerin regelmäßig über ihre Erinnerungen an die Dreharbeiten und darüber, dass der junge Pierre Brice damals gefallen an ihr gefunden hatte, sie sich genötigt fühlte, ihr Hotelzimmer zu verbarrikadieren. Heute schwärmt sie von der Landschaft rund um die Wasserfälle, die, ebenso wie die Plitvicer Seen weiter nördlich, wiederholt Kulisse für den Häuptling der Apachen waren.

Das gilt auch für das Puebloplateau hoch über Fluss Zrmanja. Der spielte in den Karl-May-Filmen die Rolle des Rio Pecos, der in Wirklichkeit in New Mexico fließt. An dieser Stelle wurden Winnetou und Old Shatterhand Blutsbrüder, hier lebten die Film-Apachen in ihren Lehmhäusern, den Pueblos. Der Blick über die Schlucht ist nach wie vor unverbaut und atemberaubend.

Das findet auch Stefan von der Heiden. Der aus Bonn stammende Wahlhamburger lebt als Lobbyist der Tabakindustrie in der Hauptstadt Berlin und ist gewissermaßen ein Star unter den vielleicht ein bisschen verrückten Winnetoufans. Die Witwe des Filmproduzenten Horst Wendlandt hatte ihm unerwartet einige wertvolle Filmrequisiten vermacht. Das war der Grundstein für eine umfangreiche Sammlung. Inzwischen gilt er in der Karl-May-Community als der Besitzer mit den meisten Winnetoureliquien.

Auch er erwartet gespannt die Winnetou-Neuverfilmung, die der Fernsehsender RTL an Weihnachten 2016 zeigt. Neue Schauspieler, mehr Tricktechnik und auch neue Drehorte hat das Filmteam akquiriert. Fotosafarianer Marin Marasovic gab einen Insidertipp im Velebit-Gebirge. Als die Filmcrew mit dem Geländewagen plötzlich die schwer zugängliche Hochebene erreichte, war die Begeisterung groß. Ideal für die Neuverfilmung. Weite Wiesen, ein Bergpanorama und der Blick auf das Meer. Auch ohne Winnetou ein Erlebnis.

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