Reise durch Kenia Nachts hört man nur das Schnaufen der Hippos

Eine Reise durch das ostafrikanische Kenia bietet viel Abwechslung. Nach einer abenteuerlichen Fahrt durch Mombasa werden die Gäste in den Hotels in Diani Beach von singenden Tanzgruppen empfangen. In der Masai Mara bieten Safaris jede Menge Gelegenheit zu spektakulären Fotos.

 In der Masai Mara.

In der Masai Mara.

Foto: Cem Akalin

Es ist nur ein kurzer Sprint. Aber in ihm steckt alle Kraft, die die Gepardin aufbringen kann. Wir sind gleich zur Stelle, nähern uns vorsichtig mit dem Jeep dem Ort, wo die Wildkatze im trockenen Gras der Savanne hockt, die Thompson-Gazelle noch an der Gurgel gepackt. Und sie lässt das Tier solange nicht los, bis auch das letzte Leben aus dem Jungtier gewichen ist. Sie atmet schwer, setzt sich auf und blickt zum Horizont hinter sich. Dann setzt sie ein paar merkwürdig quietschende Laute ab. Immer wieder.

„Sie ruft ihre Jungen“, flüstert Daniel, unser Guide. Tatsächlich, von uns unbemerkt, erheben sich zwei junge Geparden im Gegenlicht und nähern sich vorsichtig, die Nackenhaare stehen ab. Dann wälzen sie sich neben der Mutter im goldenen Gras,zupfen nur hin und wieder an der Beute. Fast eine halbe Stunde liegen sie da, die Gepardin ist entspannt, nur das kraftvolle Aufblähen der Lungen zeigt, dass sie sich völlig verausgabt hat. Dann beugt sie sich über die Gazelle. Als sie wieder aufblickt, ist ihr Maul blutverschmiert.

Es ist Dinnertime in der Masai Mara, dem beeindruckenden Naturschutzgebiet in Kenia, das im Süden an die Serengeti in Tansania grenzt. Die Sonne senkt sich blutrot am Horizont. Sobald die Temperaturen nachlassen, kommt Leben in die Raubtiere des Reservats. Tagsüber verkriechen sie sich in die Büsche und die Schatten der wenigen Bäume. Ihre Mahlzeiten holen sie sich im Morgengrauen oder eben am Abend.

Reise durch Kenia
36 Bilder

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Es ist so still, dass man nicht mal den Wind hört, der sanft über die Ebene weht. Einzelne Schirmakazien, Leopardenbäume, Leberwurstbäume oder gedungene Stinkbüsche, die die Masai Schäferbaum nennen, geben der trockenen Savannenlandschaft einen pittoresken Charme. Ein Pavian läuft mit seiner Beute, einem Impala-Baby, über die Ebene – und andere folgen lautlos dem erfolgreichen Jäger. Nicht mal die dreifarbige Drossel mit ihrem glänzend-blauen Gefieder und dem rostroten Bauch, die in der Euclea divinorum, hier Magic Tree genannt, hockt, gibt einen Laut von sich.

Vor einigen Tagen präsentierte sich Afrika noch von einer ganz anderen Seite. Mombasa. Die Luft ist feucht und warm, ein feiner Schlammfilm liegt über dem Asphalt. Morgens um 6.30 Uhr ist die Stadt schon sagenhaft belebt. Viele Stände, Geschäfte und Werkstätten sind längst geöffnet. Schweißer und Reifenflicker haben ihre Arbeit aufgenommen. Junge Frauen im schicken Kostüm, Männer in Anzügen zieht es zum Internationen Flughafen oder den Büros, die sich in der Nähe angesiedelt haben. Burschen in weißen Hemden oder zerlöcherten T-Shirts. Die meisten indes laufen zum Hafen, einer der wichtigsten des Kontinents, oder zu den vielen kleinen Geschäften und Werkstätten, die die Straße säumen.

Mit der Fähre nach Likoni

Barfüßige alte Männer mit riesigen Säcken auf den Rücken, verhüllte Frauen, Frauen in bunten Tüchern, Kinder in Schuluniformen. Sie alle wollen irgendwie mit der Fähre übersetzen, denn Mombasa ist eine Insel, und die Staus an den wenigen Fähren sind überwältigend. Autos, Laster, Mopeds und etliche dreirädrige Rollertransporter stehen kreuz und quer an der Anlegestelle. Die Menschen reihen sich wie Ameisenkolonnen geduldig in die unbeschreiblich langen Schlangen. „Welcome to a World without Limits“, wirbt eine Bank mit riesigen Plakatwänden, für die die Menschen keinen Blick übrig haben. Die Fähren sind so überfüllt, dass sich die Menschenmassen beim Anlegen regelrecht an Land ergießen.

Die Fähre von Mombasa nach Likoni verbindet die Metropole mit der kenianischen Südküste, und jeder Reisende, der sein Ziel an der Südküste hat, wird vom Airport durch Mombasa geführt und muss hier herüber. Die Fähren sind so überfüllt, dass es ein Wunder ist, dass hier nicht öfters Unglücke geschehen. Es sind die ersten abenteuerlichen Erlebnisse in Afrika.

Man hat das Gefühl, jeder, der laufen kann, ist unterwegs. Vor den Hütten steigt Rauch von den Feuerstellen auf. Wir fahren an Haufen von Palletten vorbei, an Bergen ausrangierter LKW-Reifen. Und dann wird es plötzlich einsamer. Gut 30 Kilometer südlich bei Ukunda im Kwale County hat der Reisende dann endlich Muße, die üppige Vegatation zu genießen. Großblättige Büsche, Mango- und Affenbrotbäume umschließen die Straße. Wir nähern uns Diani Beach. Ziel vieler Touristen. An der Shakatak Disco, die erst wenige Stunden zuvor geschlossen hat, stehen immer noch ein paar junge Leute. „Die wird von einem Deutschen betrieben“, sagt Steven, unser Guide, in hervorragendem Deutsch. Wo er das so gut gelernt hat? „Goethe Institut“, sagt er nur und lacht.

Cocktails zum Sonnenuntergang

Plötzlich schwenkt der Wagen auf eine schlammige Straße, umfährt geschickt riesige Pfützen und bleibt vor einem großen Flügeltor stehen. Der Innenhof des Neptun Hotels ist mit Pflastersteinen gestaltet, die Lobby ist offen. Wir werden von einer bunt gekleideten Musikgruppe singend, tanzend und trommelnd begrüßt. Die Zimmer sind in landestypischen zweigeschossigen Bungalows im afrikanischen Hüttenstil untergebracht. Auf dem großzügigen Balkon werde ich von zwei frechen Äffchen begrüßt. „Halten Sie die Tür immer geschlossen, sonst haben sie die als ungebetene Gäste im Zimmer“, sagt Kristina lachend.

Das Hotel bietet wie praktisch alle an dieser wunderschönen Küste am Indischen Ozean unglaublichen Komfort. Frische Früchte, Cocktails zum Sonnenuntergang. Der 17 Kilometer lange schneeweiße Strand lädt zu ausgiebigen Spaziergängen ein – jedenfalls bei Ebbe. Wenn Flut ist, dann schlagen die Wellen bis an die Hotelmauer.

Wer afrikanischen Alltag erleben möchte, der ist mit einer Mountainbike-Tour gut beraten. Wir fahren zwischen den kleinen Häusern über rumplige Wege. Danny von Diani Bikes führt uns in eine Selbsthilfe-Volksschule. Stella, die Lehrerin, begleitet uns in den dunklen Raum, in dem gut 50 kleine Kinder mucksmäuschenstill auf uns warten und uns dann stolz vorführen, was sie gelernt haben. In einem Dorf lernen wir den örtlichen Mganga, eine Art Dorfschamane, und sein Wissen über Heilkräuter kennen. Amani kocht vor ihrer Hütte Ugali, ein ziemlich fester Brei aus Maismehl, der irgendwie recht neutral schmeckt und immer zu Fleisch oder Spinat gereicht wird. Hier gehört er zum Hauptnahrungsmittel. Dazu wird Gemüse, Fisch oder Fleisch gereicht, was man auf dem belebten Markt in Ukunda besorgen kann.

Der Kilimandscharo ist fast eisfrei

Am nächsten Tag fliegen wir mit einer kleinmotorigen Maschine über die changierende Landschaft mit ihren üppigen Farben. Rötliche Farbtöne wechseln sich mit gelben, braunen und grauen Feldern ab. Die Schotterstraßen unten sehen aus, wie mit dem Lineal gezogen.

Das Rot der Landschaft weicht, als wir nach gut einer Stunde Flugzeit den Kilimandscharo passieren. Alles wirkt wie in sanftes Ocker getaucht, über dem feine grüne Sprenkel verstreut sind. Die Gipfel des Berges sind kaum noch mit Schnee bedeckt. Nur drei kleine weiße Flecken sind auszumachen. Der Klimawandel ist längst angekommen in Afrika. Vor fünf Jahren, erzählt mir später ein Wildhüter, seien am Fuße des mächtigen Gebirges unzählige Tiere verdurstet. Langsam stellen sich die Tiere offenbar darauf ein, dass der Berg ihnen kein Wasser mehr zukommen lässt. Auch das Wetter habe sich verändert. Regen im September, kühler Wind am Abend, der aus Osten weht. „Das gab es früher nie, sagt Vickram Korla, Regionaldirektor Ostafrika der Neptune Hotelgruppe.

Großgewachsene Masai warten an der Piste, eingehüllt in Tücher mit rotem Schottenmuster, die uns zu unserem Camp begleiten. Mitten in der Wildnis am Mara-Fluss befinden sich die auf Stelzen aufstellten Zelte des Neptune Mara Rianta Luxury Camps. Unter dem Baldachin ist es angenehm, die polierten dunklen Holzdielen fühlen sich kühl an. Vom Bett aus kann ich die Flusspferde im Strom beobachten, der Wind streift durchs Moskitonetz und umschmeichelt mein Gesicht. Sobald die Sonne weg ist, wird es bitterkalt.

Im Neptune Mara Rianta Luxury Camp

Ein Masai begleitet die Gäste nach dem Essen in die luxuriös ausgestatteten Zelte, wo die Seitenwände mittlerweile heruntergelassen wurden und kleine Lampen den gut 50 Quadratmeter großen Wohnbereich in ein wohliges Licht hüllen. Jacob, der Butler, hat schon die Wärmeflasche ins Bett gelegt. Nachts hört man nur das Röhren und Schnaufen der Hippos, hin und wieder das höhnische Gelächter der Paviane vom anderen Flussufer oder das Brüllen eines rastlosen Löwen. Die Masai wachen die ganze Nacht über.

Am frühen Morgen werden die Gäste mit heißer Schokolade oder Kaffee geweckt. Mit einem metallischen „Tink, Tink, Tink“ macht ein Waffenkiebitz, hier Blacksmith Plower genannt, auf der Terrasse auf sich aufmerksam. Bereits vor dem Morgengrauen machen wir uns mit Daniel, unserem Guide, auf den Weg: Er kennt als Masai nicht nur die Gegend bestens, sondern er hat auch ein Gespür dafür, wo man die Tiere am besten findet. Daniel trägt Schal und Wollmütze. Es ist eiskalt, und wir wickeln uns in die dicken Decken ein, die er mitgebracht hat.

Während wir durch die gelbe Steppe und über die eisenrote Schotterstraße fahren, segeln Schwalben neben uns wie Delfine der Savanne. Sie jagen die Insekten, die wir mit unserem Fahrzeug aufschrecken. Warzenschweine trotten entspannt durchs trockene Gras, Gruppen von grazilen Giraffen lassen sich die ersten wärmenden Sonnenstrahlen aufs Fell scheinen, junge Hyänen blicken ängstlich hoch. Den Geruch des Gnu-Kadavers haben sie wohl noch nicht aufgenommen. Die Brust ist aufgerissen, alle Innereien bereits aufgefressen. Ganz in der Nähe lagert eine Gruppe von Löwen. Zwei erwachsene männliche, zwei weibliche und ein Jungtier. Ziemlich entspannt und vollgefressen. Und so beachten sie uns gar nicht, selbst als wir uns ihnen auf gut zwei Meter nähern. Geier kreisen. Ein Adler schwingt sich von einem Leopardenbaum auf. Er hat es auf ein Impala-Baby abgesehen, doch Mutter und Kind reagieren geistesgegenwärtig. Nochmal Glück gehabt!

Hier in der Olorgesailie-Senke Ostafrikas leben und jagen Mensch und Tier schon seit Hundertausenden von Jahren. Die Masai indes haben das Jagen weitgehend aufgegeben. Sie leben vor allem von der Viehzucht. Hin und wieder treffen wir auf große Herden, die von den in rote Tücher gewickelten hochgewachsenen Männern getrieben werden. Nacht bringen sie die Tiere in Grale, von Dornenbüschen umgebene Schutzräume. Das Blut der Tiere ist eine kostbare Nahrungsquelle. Es wird aus der Halsvene gezapft und häufig mit Milch vermischt und getrunken.

Die große Wanderung

Unser Ziel ist aber das Grenzgebiet zu Tansania. Wir wollen uns das Naturschauspiel der großen Wanderung, der „Migration“, nicht entgehen lassen. Riesige Herden von Gnus, Zebras, Kaffernbüffel, Hunderttausende Thomson Gazellen und Impalas machen sich jährlich auf die große Reise durch die Serengeti und die Masai Mara. Ein gefundenes Fressen für Raubtiere – vor allem die Krokodile warten im Fluss, um fette Beute zu machen. Einige Elefanten sind schon drüben und stehen noch unentschlossen am Ufer. Die Gnus indes können sich nicht entscheiden, an welcher Stelle sie in den Fluss steigen sollen. Immer wieder schert ein Tier nervös aus, und alle anderen folgen ihm. Da. Eine Gruppe Zebras wagt sich zaghaft ins Wasser.

Die Krokodile warten schon

Die Krokodile gehen in Stellung. Die Zebras traben schwimmend durch den trägen schlammigen Strom. Doch das Ufer ist felsig, Einige Tiere schaffen es nicht auf Anhieb, das rettende Ufer zu erklimmen. Panik bricht aus. Mit aufgerissenen Augen und brüllend versucht jedes Tier irgendwie aus dem gefährlichen Gewässer zu kommen. Die Gruppe hat Glück. Die Krokodile scheinen gesättigt zu sein und lassen sich einfach nur im Wasser treiben. Doch die Gnus hat die Situation wieder unsicher werden lassen. Ihre mächtigen behaarten Köpfe gesenkt, als hätten sie eine schwere Last zu tragen, entfernen sie sich - eine hohe Staubwolke mit sich ziehend - vom Flussufer. Ein einsamer alter Elefant beäugt die Szenerie skeptisch. Er hält sich fern von allen. „Vielleicht ein ausgestoßenes Tier“, meint Daniel, der immer wieder einen Blick zu ihm wirft. „Vor denen und den Büffeln muss man sich in Achtnehmen. Die können schnell wütend werden.“

Auf der Fahrt zurück ins Camp machen wir Rast unter einer Schirmakazie. Es ist wieder ruhig um uns. Antilopen grasen in der Ferne. Die braunen Rücken von Gnus sind auszumachen und ein paar Vogelsträuße, die die Hälse recken. Nicht ein Knistern ist zu hören. Es ist heiß. Zu heiß zum Jagen. Die Raubtiere haben sich in die schattenspendenden Büsche zurückgezogen. Das große Fressen wird noch kommen.

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