Picknick in Bad Godesberg Wenn Mama die Paella kocht

Bad Godesberg · Wenn in der Taverna Latina in Bad Godesberg in diesem Sommer Paella bestellt wird, ändert sich das Regiment am Herd: Der Koch weicht seiner eigenen Mutter. Maria Humeres hat den Sommerreportern gezeigt, wie man das Reisgericht richtig zubereitet

 Hier schwingt die Mama das Zepter: Wenn Maria Humeres Paella kocht, hält sich ihr Sohn Marcelo, Chefkoch im„La Taverna Latina“, im Hintergrund.

Hier schwingt die Mama das Zepter: Wenn Maria Humeres Paella kocht, hält sich ihr Sohn Marcelo, Chefkoch im„La Taverna Latina“, im Hintergrund.

Foto: Andreas Dyck

Mit einem gewaltigen Zischen fallen die kleinen Teile vom Huhn in die riesige Pfanne. Kochend heiße kleine Tropfen Olivenöl spritzen in die kühle Luft, Dampf steigt auf und wird von einem leichten Lüftchen in den Sommerabend getragen. Zwar hat man in diesem Jahr schon besseres Wetter gesehen – doch heute stört der Regen nicht, denn unter einem Pavillonzelt im Garten des Restaurants „La Taverna Latina“ im Godesberger Kurpark scheint die Sonne. Als stünde man unter dem Himmel Spaniens oder Chiles strahlt sie aus einer etwa ein Meter großen Pfanne heraus – in Form einer brodelnden kunterbunten Paella.

„Ich bin Maria, aber alle nennen mich Mama“, begrüßt uns die kleine, liebenswerte Frau. Sechs Kinder, 14 Enkel und sogar fünf Ur-Enkelinnen haben der 64-Jährigen ihren Titel eingebracht. Nachdem sie uns die Hand gegeben hat, zieht sie schwarze Gummihandschuhe an. Neben der Pfanne mit einem Durchmesser von knapp einem Meter stehen schon fein säuberlich aufgereiht alle Zutaten, die wir heute brauchen, um die perfekte Paella zu kochen: gehackte Petersilie, Knoblauch, Paprika, Erbsen, Gewürze, verschiedene selbstkreierte Soßen, Meeresfrüchte, Hühnchenteile, Gambas, Reis. Der kleine Tisch ist voll beladen und leuchtet in sommerlichen Farben.

Wer hier der Chef an der Pfanne ist, ist klar zu erkennen. Das Zepter in Form eines Kochlöffels hält eindeutig Mama. Obwohl ihr Sohn, Marcelo Humeres, nicht nur der Besitzer, sondern auch der Koch des Restaurants ist. „Wenn Mama die Paella macht, habe ich nix zu melden“, sagt der 47-jährige Chef einsichtig. „Sie macht es besser.“ Er darf heute einzig den Gasgrill anzünden, der in drei Ringen unter der großen Pfanne verläuft – damit die Hitze gleichmäßig verteilt wird. Dann wird er verscheucht. Mama Maria schüttet zunächst eine ordentliche Menge Olivenöl in die Pfanne und gibt das Hühnerfleisch dazu. „Das ist in mundgerechte Stücke geschnitten, damit man es leichter essen kann“, erklärt Mama Maria nicht nur den neugierigen Journalisten, sondern auch einigen Zuschauern, die sich von der Paella-Expertin etwas abgucken wollen. So wie Oknam Domschke. „Ich liebe Paella“, sagt sie, „heute kann ich bestimmt etwas lernen.“

Zischend lässt Maria das Fleisch einige Minuten garen, bevor sie Petersilie und Knoblauch dazugibt. Das heiße Öl lässt sie mit einem Löffel in routinierten Bewegungen immer wieder über die Fleischteile tropfen. „Das Fleisch muss langsam anbraten, damit sich der Geschmack entwickeln kann“, erklärt Humeres. Sie ist vor 28 Jahren aus Chile nach Bonn gekommen – kommt also ursprünglich gar nicht aus Spanien. Doch Paella-Variationen sind auch in der Landesküche am Zipfel des südamerikanischen Kontinents schon lange traditionelle Gerichte. 1987, nach der Flucht aus Chile, das damals von Diktator Augusto Pinochet regiert wurde, fand die gläubige Katholikin Anschluss in der Spanisch sprechenden Gemeinde in Beuel.

Damals fing sie an, für die Mitglieder ihre Paella zu kochen. Bald schon wurde es zur Tradition. Seither wird die Gemeinde zweimal im Jahr mit der Reispfanne verwöhnt.

„Sie hat über die Jahre viel Erfahrung gesammelt, was schmeckt und was gelingt. Deshalb weiß sie, wie die Paella am besten wird“, erklärt Marias Schwiegertochter Constanza, die ebenfalls nur zugucken darf.

Zum Hühnchen sind mittlerweile eine Soße mit geheimer Rezeptur, Paprika, Meeresfrüchte wie Tintenfisch gekommen. „Was ist mit Salz und Pfeffer?“, fragt Oknam Domschke. „Salz kommt gleich, Pfeffer gar nicht“, erklärt Maria, während sie geduldig die Zutaten anbrät. Dann greift sie zu einem neon-orange-farbenen Pulver. „Das ist eine spezielle Safranmischung.“ Sie gibt der Paella die typische sonnengelbe Farbe.

„Wir sind hier eine große Familie“

Während Maria im Garten weitere Tipps zur Zubereitung der Paella gibt, verzieht sich ihr Sohn Marcelo in die Küche des Restaurants. Schließlich wollen auch die anderen Restaurantgäste versorgt werden. Vor neun Jahren hat er das Restaurant im Godesberger Kurpark übernommen und „La Taverna Latina“ eröffnet. „Wir sind hier eine große Familie“, sagt Marcelo Humeres. Dabei schließt er nicht nur seine Mutter und seine Schwester Patricia mit ein, die sich im Restaurant vor allem um die Desserts kümmert, sondern auch die Bedienungen und jungen Aushilfskräfte, die im Restaurant mitarbeiten.

Im Garten ist es nun so weit: Der Reis kommt in die Pfanne. Vorher gibt Maria jedoch sechs Liter Wasser zu den bisherigen Zutaten. „Wenn der Reis drin ist, darf nicht mehr gerührt werden“, erklärt sie. „Dann wird er zu matschig.“ Drei Kilo von einem speziellen Paella-Reis verteilt sie nun vorsichtig in der brodelnden Flüssigkeit. Erst dann legt sie die Gambas und Miesmuscheln oben drauf. Sie schaut auf die Uhr. „Das dauert jetzt zwanzig Minuten.“

In der Küche bereitet Marcelo gerade seine Spezialität zu, die „La Banana del Jefe“: eine frittierte Kochbanane, gefüllt mit Garnelen. Bevor Marcelo Humeres seiner Mutter nach Deutschland folgte, war er Musiker. In Chile spielte er Bassgitarre in einer Band. Das Kochen erlernte er erst in Deutschland. „Bei mir hat er früher nie in der Küche geholfen, von mir kann er das Kochen also nicht gelernt haben“, sagt Mama Maria mit einem Augenzwinkern.

In seinem Restaurant verbindet Marcelo Humeres beide Talente. Der Chefkoch steht nicht nur in der Küche, einmal im Monat unterhält er seine Gäste auch mit Musik, live gespielt von ihm und Freund Manuel Torres. Und auch am 18. September wird er lateinamerikanische Lieder im Kurpark erklingen lassen. Dann feiert das „La Taverna Latina“ den chilenischen Nationalfeiertag – mit typischen Gerichten und fünf Bands.

Jetzt eilt Humeres erst einmal in den Garten. Mama Maria möchte, dass der mittlere Heizring des Gaskochers abgestellt wird. Der Reis in der Mitte der riesigen Pfanne ist bereits vollständig aufgequollen. Gerührt hat sie kein einziges Mal, sondern mit konstanten Bewegungen die Flüssigkeit vom Rand mit einem Löffel über die Gambas und den Reis getröpfelt. „Ich hätte den Reis extra gekocht“, sagt Andreas Domschke. „Auf keinen Fall“, sagt Maria fast schon empört.

Marcelo Humeres darf nun als erster einen Löffel vom Rand der Pfanne kosten. „Fast perfekt, nur der Reis ist noch etwas hart“, sagt er. „Noch fünf Minuten“, sagt Maria. Widerspruch ausgeschlossen. „Paella zu kochen ist nicht so schwierig, man braucht nur die richtigen Zutaten“, sagt sie und verrät noch ihr Geheimnis: „Man sollte mit Geduld und Liebe kochen.“

Wenn der Reis fertig gekocht ist, darf er noch zehn Minuten unter Alufolie ruhen. Als die dann wieder gelüftet wird, strömt nicht nur betörender Geruch durch den Garten – auch die knallbunten Farben des Gerichts machen Lust auf Sommer. Und dann darf endlich probiert werden: Großzügige Portionen verteilt Mama Maria auf die Teller. Wie schmeckt's? „Der Reis ist nicht matschig, sondern trocken, und hat den vollen Geschmack der Soße. Das Gemüse ist knackig und das Fleisch zart“, sagt Andreas Domschke. „Sehr gut.“ Auch seine Frau ist begeistert: „Sie hat alle Garzeiten perfekt abgepasst. Der Geschmack ist mild, aber gut gewürzt.“ Schnell wandern weitere Gabeln der Reispfanne in die hungrigen Mägen, schon bald sieht die Pfanne ziemlich geplündert aus.

Auch heute verbindet Mama Maria noch viel mit ihrem Geburtsland. Im Oktober wird sie wieder nach Chile reisen, auch um dort ihre Ur-Enkelinnen zu besuchen. Vor einigen Jahren, nachdem ihr Ehemann gestorben war, überlegte sie, ob sie vielleicht für immer in ihr Geburtsland zurückkehren sollte. Doch sie entschied sich dagegen. „Deutschland ist jetzt mein Zuhause“, sagt Humeres. Für die Beueler und Bad Godesberger ein Glücksfall, denn mit Mama Maria bleibt auch ein Geheimnis in Bonn, das selbst Chefkoch Marcelo noch nicht entschlüsselt hat: Das Rezept für die perfekte Paella.

Paella-Live-Cooking: Die nächste Möglichkeit, Maria Humeres bei der Zubereitung ihrer Paella zuzuschauen, ist am Freitag, 7. August. Beginn ist um 17.30 Uhr im Garten der „La Taverna Latina“, Koblenzer Straße 76.

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