Zu Besuch auf der Baustelle Schuften auf glühendem Asphalt

Sankt Augustin · Die Sperrung der Autobahn 560 kostet nicht nur Autofahrer Nerven: Auf der anderen Seite der Baustellenbaken laufen die Arbeiten bei großer Hitze auf Hochtouren. GA-Volontär Marcel Dörsing wagt sich auf einen Außeneinsatz in eine unwirtliche Umgebung.

Vorsichtig trete ich auf die Bremse. Meine Warnblickanlage leuchtet und gibt einen klickenden Rhythmus vor. Richtig wohl ist mir nicht. Gleich werde ich mein Auto durch eine Lücke zwischen zwei Baustellenbaken steuern müssen. Gar nicht so einfach, schließlich will ich nicht den Wagen hinter mir auf der Stoßstange haben. Ein beherzter Ruck am Lenkrad, dann habe ich eine Fahrspur ganz für mich alleine. Noch einmal lehnen ich mich zurück und genieße die kühle Luft aus der Klimaanlage, dann geht es los.

Gemeinsam mit Kollege Stephan Kern von Radio Bonn/Rhein-Sieg besuche ich heute die Baustelle von Bauleiter Jan Günther und seinen Mitarbeitern. Ich bin nervös vor meinem Spaziergang auf der Autobahn. Gewöhnlich halte ich mich auf Autobahnen stets an eine Regel, die genauso für die Raumfahrt gelten könnte: Bleib in deiner Kapsel, da bist du sicher. Autobahnen wirken auf mich immer wie luftleere Räume, wie Wurmlöcher, die die Distanz zwischen zwei Punkten verkürzen. Auf jeden Fall so, als seien sie nicht für Menschen gemacht, sondern für Maschinen.

Für meinen „Außenbordeinsatz“ auf dem gesperrten Straßenabschnitt zwischen der Ausfahrt Siegburg und der A59 benötige ich zwar keinen Raumanzug, ein paar Vorkehrungen sind aber dennoch nötig: Ich schlüpfe in meine Warnweste, die ich immer im Auto dabei habe und wechsele die Schuhe. Gerne würde ich jetzt ein Paar Flipflops anziehen, doch stattdessen versenke ich meine Füße in knöchelhohe Sicherheitsschuhe mit Stahlkappe. Hier auf der Baustelle sind die klobigen Stiefel eine unverzichtbare Vorsichtsmaßnahme, wie mir Baustellenleiter Günther von der Firma „Wolff und Müller“ vorab erklärt hat.

Insgeheim habe ich darauf gehofft, auch auch einmal auf einem Bagger oder einer Walze mitzufahren. „Das geht leider nicht“, sagt Günther, „wegen der Arbeitssicherheit“. Und ich frage mich, ob er dabei an meine Sicherheit oder an die seiner Arbeiter denkt. So bleibt mit nur die Rolle des Beobachters – des schwitzendes Beobachters, um genau zu sein. Nur ab und zu, wenn auf der Gegenfahrbahn ein Auto vorbeirast, erreicht mich hier ein kleiner Luftzug. Kleine Verwirbelungen in einer drückend heißen Hitzesuppe. Und nach jedem Lufthauch folgt eine Wolke von Abgasen. Der Benzingestank ist allgegenwärtig. „Man gewöhnt sich daran“, sagt Günther. „Hier ist es noch erträglich, auf größeren Baustellen, wenn der Verkehr an Ihnen vorbeifließt – das ist deutlich schlimmer.“ Nach wenigen Metern stehe ich mit meinen Stahlkappen rund einen halben Meter unterhalb der Fahrbahndecke auf einer Schicht von Kies und Erde. „Wir sind bereits seit Freitagabend damit beschäftigt, den alten Asphalt auf dem drei Kilometer langen Abschnitt herauszufräsen“, sagt Günther. Auf diese Weise wurden bereits rund 22 000 Tonnen Material entsorgt.

Video-Reportage: Heiße Stunden auf der Baustelle

Ein sogenannter „Grader“ ebnet jetzt den Untergrund ein, damit in den nächsten Tagen und Nächten die neuen Asphaltschichten aufgetragen werden können. Eine Maßnahme, die laut Günther dringend notwendig ist: „Die alte Fahrbahndecke stammt aus dem Jahr 1976. Mittlerweile haben sich große Risse gebildet – jetzt schon eine echte Gefahr für Motorradfahrer.“ Obwohl die Arbeiter in den Ferien letztlich für die vielen Benutzer der Straße arbeiten, erlebten sie es immer wieder, dass Autofahrer wütend werden, wenn sie im Stau warten müssten. Sprüche wie „asoziale Arbeiter“ und „Warum macht ihr das nicht nachts?“ bekämen Günther und seine Kollegen regelmäßig zu hören. Auch Becher und Flaschen seien schon geworfen worden.

Dabei läuft der Verkehr aus Sicht des Bauleiters bisher besser als gedacht. „Das es in Stoßzeiten zu Stau kommen kann, lässt sich bei einer Vollsperrung leider nicht verhindern. Dennoch: Das Umleitungskonzept von Straßen.NRW funktioniert.“ Eine halbseitige Sperrung hätte wenig Sinn gemacht, so Günther, dann würde die Baustelle viel länger dauern. „Außerdem muss man auch einmal an die Arbeiter denken“, sagt er. Bauarbeiter Willi Schaar, der sich um die Verfestigung der Tragschicht kümmert, weiß, wie gefährlich die Arbeit auf der Autobahn sein kann. „Ich habe schon erlebt, dass ein Lkw eine Bake gerammt hat. Die flog dann in hohem Bogen über unsere Köpfe. Hätte die jemanden getroffen, dann wäre es aus gewesen.“

Mittlerweile zeigt mein Thermometer 39 Grad an. In der Ferne flimmert der Asphalt wie Sand in der Sahara. Weit und breit ist kein Schatten in sich. „Richtig heftig wird es, wenn Schwarz gefahren wird“, sagt Schaar. „Schwarzfahren“ nennt er das auftragen des neuen lärmmindernden Gussasphalts. Rund 160 Grad hat die schwarze Masse, wenn sie auf aufgebracht wird. Schaar: „Dann hilft nur noch ganz viel trinken.“

„Das hätte ich auch nicht gedacht, dass ich hier noch einmal arbeiten werde“

Als wären Hitze und Abgase nicht schon genug, wirbelt mir immer wieder Staub in die Augen, der von den Baumaschinen aufgewirbelt wird. Dabei benötige ich hier draußen alle Sinne. Ständig schiebt sich ein anderes Gefährt an mir vorbei, immer ist es haushoch und tonnenschwer. Dennoch sind sie beim Heranfahren aufgrund des Baulärms und des Verkehrs kaum zu hören. Für mich steht fest: In dieser Atmosphäre herrschen tatsächlich unwirtliche Bedingungen. Ich bin überrascht, das anscheinend nicht nur leben, sondern sogar arbeiten hier draußen möglich ist – jedenfalls für eine besondere Spezies.

Zu ihr zählt auch Josef Schneider. Der braungebrannte 63-Jährige aus Bell in der Eifel steuert eine Bodenfräse. Er war hier sogar schon 1976 im Einsatz, als die Straßendecke erstmals eingelassen wurde. „Das hätte ich auch nicht gedacht, dass ich hier noch einmal arbeiten werde“, sagt Schneider. Der Ablauf habe sich seit damals „nicht sonderlich verändert“, so Schneider. „Nur die Maschinen sind andere, heute müssen überall Computer drin sein “, sagt er und lacht. „Und zum Glück gibt es heute auch Klimaanlagen.“

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