GA-Serie "Rheinland für Entdecker" In Maastricht ist der Geist Europas inklusive

MAASTRICHT · Die Maastrichter lieben das Leben und diese Lebenslust spürt man auch in ihrer Stadt. Die romantische Universitätsstadt mit mittelalterlicher Architektur und vielen Facetten lädt zum Lustwandeln, Einkaufen und Schlemmen ein.

 Eine Universitätsstadt beiderseits der Maas mit mittelalterlicher Architektur und einer lebhaften Kulturszene ist Maastricht im Süden der Niederlande.

Eine Universitätsstadt beiderseits der Maas mit mittelalterlicher Architektur und einer lebhaften Kulturszene ist Maastricht im Süden der Niederlande.

Foto: Jana Bauch

Der Niederländer Laurent Theunissen war einst ein Rebell, - weil er gerne Fahrrad fährt. Denn Maastricht ist nicht Amsterdam, ist nicht Den Haag, ist nicht der liberale Norden. Die Hauptstadt der niederländischen Provinz Limburg ist im Gegensatz zum Rest des Landes stark römisch-katholisch geprägt. Und zu dieser Kultur gehört laut Laurent Theunissen auch: "Fahrradfahren ist für die Menschen hier etwas Anstrengendes, etwas, das man nicht aus Lust und Laune tut, sondern um Sport zu machen." Aber Radeln, das sei doch etwas so wunderbar Befreiendes, findet Laurent Theunissen. Und deshalb kämpft er seit 40 Jahren dafür, dass die Maastrichter auch zu ihrem Vergnügen Fahrradfahren, "weil es für alle besser ist: für die Stadt, für die Umwelt, für die Gesundheit." Und seine Meinung, wird inzwischen auch gehört.

Der 59-Jährige ist selbsternannter und selbständiger Fahrradspezialist. Als junger Mann studierte er Verkehr und Mobilität. Das Radfahren in der Stadt hat er zu seinem Lebensthema gemacht. Inzwischen bietet er auch Führungen für Radfahrer durch seine Heimatstadt an. Maastricht ist aber nicht nur auf und mit dem Rad eine Reise wert - die Universitätsstadt mit mittelalterlicher Architektur und reger Kulturszene besticht durch Vielfalt und Überschaubarkeit. Wer auf das Rad verzichten mag, kann sich Maastricht auch bequem erlaufen.

Die 120 000-Einwohnerstadt verteilt sich auf einer Fläche von etwa 60 Quadratkilometern. Alt- und Innenstadt kann man in zwei Stunden durchqueren. Zum Vergleich: Düsseldorf ist fast viermal so groß, Aachen knapp dreimal, Köln fast siebenmal so groß wie das hübsche Maastricht.

Es ist eine Stadt für Genießer, für Mode- und Designliebhaber und Träumer. Maastricht bietet verwunschene Grünanlagen, Geschäfte mit skandinavischem und niederländischem Innendesign, Cafés mit belgischer Trinkschokolade, rustikale Kneipen mit kräftigen Bieren, verwinkelte Gässchen mit kleinen, teils hochpreisigen Boutiquen und versteckte Ecken mit Industriecharme. Der Geist Europas weht dort inklusive. Immerhin wurde in Maastricht am 7. Februar 1992 mit dem Maastrichter Vertrag auch die politische Gemeinschaft der europäischen Staaten. Heute wirkt Europa in Maastricht nicht nur durch die vielen internationalen Studenten, an der Universität sind mehr als 14.000 Studierende eingeschrieben.

Maastricht ist vor allem eins: wuselig. In der Innenstadt riecht es von morgens bis abends nach süßen Waffeln und heißem Frittenfett. Das Ding Ding von Fahrradklingeln, das Knattern der "Bromfietsen" - der allgegenwärtigen Mopeds - und ein freundliches "Goedemiddag" hier und dort, machen den Sound der Stadt aus. Maastricht möchte moderne Metropole sein.

Besonderes Herzstück der Stadtplanung ist die "Groene Loper" - der grüne Läufer. Eine grüne Fahrrad- und Fußgängerstrecke, die sich zwischen der Landgoederenzone und dem Europaplein erstreckt. Die grüne Route ist Teil eines ehrgeizigen Milliardenprojekts, das seit 2012 läuft: Seit Herbst 2016 werden rund 80 Prozent des Verkehrs durch einen 2,3 Kilometer langen Tunnel umgeleitet. "A 2 Maastricht" heißt das Stadtentwicklungskonzept.

Theunissens Route führt zu den traditionellen Höhepunkten der Stadt. Angefangen auf der rechten Maasseite im angesagten Stadtteil Wyck. Rund um die Wycker Brugstraat lohnt es sich auch mal vom Rad abzusteigen, denn dort lässt es sich hervorragend bummeln, schlendern, schwelgen. Die Rechtstraat ist eine der schönsten Gassen der Stadt. Auch für das Maasufer sollte man sich mehr Zeit nehmen. In der ehemaligen Bordenhal, einem Fabrikgebäude aus dem 19. Jahrhundert, gibt es jetzt ein Theater und ein Café mit großer Sonnenterasse, auf der an schönen Tagen alles sitzt, was etwas auf sich hält. Die Maastrichter legen Wert auf Ästhetik, modernen Schick und einen freundlichen Umgang.

Ins Stadtzentrum gelangt man am besten über die 160 Meter lange, historische Sankt Servatiusbrücke - oder wie die Maastrichter sagen: die "Oude Brug". Im Zentrum ist Fahrradfahren aber nicht erlaubt. Und das hat auch seinen Grund: Die Innenstadt ist stets sehr gut besucht. Dort wird es auch ohne Radfahrer schon mal eng. Die Innenstadt ist zweifelsohne das Herz der mittelalterlichen Stadt. Besondere Höhepunkte sind der Vrijthof, ein großer Platz, auf dem im Sommer häufig Konzerte stattfinden. Ringsum liegen zahlreiche Cafés und Restaurants, in denen man dem Trubel um sich herum im Sitzen zusehen kann. Von dort hat man auch einen fantastischen Blick auf die gotische Johanniskirche, eine protestantische Kirche mit einem weithin sichtbaren dunkelroten Turm, und die romanische Servatiusbasilika mit ihrer bedeutenden Sakralkunstsammlung. Zwischen Katholiken und Protestanten liegt in den Südniederlanden immer noch "Het Vagevuur" - das Fegefeuer - zumindest als Straßenname der kleinen Gasse zwischen den beiden Kirchen.

Ein wirklich einzigartiges Erlebnis unweit des Vrijthofs ist die Dominikanerkirche, in der inzwischen die wohl weltweit schönste Buchhandlung untergebracht ist. Besonders an Regentagen oder im Winter kann man sich dort zwischen sakralen Mauern und Bücherregalen so hoch wie das Kirchenschiff verlieren. Und zum Abschluss bei einem Kaffee und einem Stück Karottenkuchen im Chorjoch der Kirche schon einmal in den neu erworbenen Büchern blättern. Die Maastrichter Bücher-Kirche ist aber nicht das einzige zweckentfremdete Gotteshaus der Stadt: Die Kreuzherrenkirche beherbergt inzwischen ein Hotel. Auch dort kann man im vorderen Teil gehoben speisen oder in der Hotelbar einen Cocktail schlürfen.

Mit dem Rad oder zu Fuß geht es weiter ins charmante Stokstraatquartier. Das Altstadtviertel, in dem es sich hervorragend Bier trinken, Mode und Interieur einkaufen und auf der alten Stadtmauer lustwandeln und träumen lässt. Von dort geht es weiter in das angrenzende Jekerquartier, das Studentenviertel der Stadt. Wer sich nach etwas mehr Ruhe sehnt, kann an schönen Tagen auch einen Spaziergang durch die aneinander liegenden Stadtparks mit Mini-Tiergarten und D'Artagnan-Statue machen.

Letzter Höhepunkt der Stadt ist der Marktplatz, der ähnlich wie der Vrijthof zahlreiche Besucher durch Gastronomie und umliegende Geschäfte anlockt. In der Mitte des Platzes steht das historische Rathaus aus dem 17. Jahrhundert. Und wer dann noch Luft hat, kann sich ansehen, was die Stadt aus des Hallen des Traditionsunternehmens De Sphinx, einer Keramikfabrik, macht: In einer ehemaligen Fabrikhalle sind seit Kurzem ein Studentenwohnheim sowie ein Kino untergebracht.

Im Sphinxviertel entsteht Maastrichts neustes Kreativviertel: Künstler und Designer haben sich dort niedergelassen, traditionell ist dort die Hausbesetzerszene ansässig. Wer sich für die Geschichte der Keramik-Produktion in Maastricht interessiert, sollte durch die 120-Meter-lange Sphinx-Passage schlendern, die täglich kostenlos besucht werden kann.

Der zweifache Familienvater Laurent Theunissen mag seine Stadt aber am liebsten am Abend. "Wenn alles ruhig geworden ist." Ganz so stimmt das aber nicht: Denn in den Gassen rund um den Vrijthof beginnt dann das Nachtleben. Die ersten Abendstunden dort zu verbringen, lohnt auch für weniger ausdauernde Partygänger.

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