"Gefühlt Mitte Zwanzig" Woody Allen hat einen Nachfolger

Josh (Ben Stiller) und Cornelia (Naomi Watts) haben die Vierzig überschritten und schlagen sich tapfer durch ihr kreatives Mittelklasseleben in New York.

 Hip-Hop-Tanz mit über Vierzig: Naomi Watts als Cornelia.

Hip-Hop-Tanz mit über Vierzig: Naomi Watts als Cornelia.

Foto: dpa

Ihre Liebe ist nicht mehr die frischeste. Der gemeinsame Kinderwunsch blieb unerfüllt. Ebenso neidvoll wie befremdet blicken sie auf ihre Freunde, die im Rausch der späten Elternschaft vollkommen aufzugehen scheinen.

Ihre mittelmäßige Existenz wird neu belebt, als Josh nach seinem Seminar von zwei jungen Zuhörern angesprochen wird. Man freundet sich über die offensichtliche Altersdifferenz miteinander an. Die Mittvierziger sind fasziniert von dem freien, lockeren Leben, dem offene Geist und dem großzügigen Wesen des jungen Paares.

In "Gefühlt Mitte Zwanzig" lotet Noah Baumbach die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der gealterten Generation X und der jungen Millenniums-Hipster gründlich aus und bürstet dabei mit feinem Humor die Klischees gegen den Strich. Während die Alten sich zu Hause mit iPad und Netflix dem Rausch der neuen Medien ergeben, vergnügen sich die Jungen retrocool mit Brettspielen, VHS-Videos und Vinylplatten.

Das Loft von Jamie (Adam Driver) und Darbie (Amanda Seyfried) ist mit den Sachen möbliert, die Josh und Cornelia vor mehr als zehn Jahren weggeworfen haben, und sogar die peinliche Musik ihrer Jugend gilt wieder als hip. Der unvoreingenommene Blick, mit dem die junge Generation in die Welt blickt, frischt auch das eingefahrene Dasein der Etablierten auf - selbst wenn deren Versuche, die eigene Jugend wiederzubeleben, sich oft an der Grenze zur Lächerlichkeit bewegen.

Selten hat ein Film die Nuancen der Selbstverleugnung, die mit einer uneingestandenen Midlife-Crisis einhergehen, derart genau und humorvoll herausgearbeitet. Genauso wie Baumbach zuletzt in "Frances Ha" das schwebende Lebensgefühl der Endzwanziger eingefangen hat, nimmt er jetzt die eigene Generation ins Visier. Dabei erweist sich die direkte Kontrastierung mit dem überentspannten Hipsterpaar als genialer Kunstgriff, zumal Baumbach noch eine Plotwendung aus dem Ärmel schüttelt, die alle Vertrautheit noch einmal gründlich auf den Kopf stellt.

Höhepunkt der fein gezeichneten Generationskomödie ist ein gruppentherapeutisches Ritual, in dem die Teilnehmer im gemeinsamen Erbrechen zu sich selbst finden sollen.

In solchen Szenen und den schnellen, pointierten Dialogen erweist sich Baumbach erneut als würdiger Woody-Allen-Nachfolger, der vollkommen entspannt auch noch einen Diskurs über die Manipulation von Wirklichkeit im Dokumentarfilm einflechten kann, ohne dabei prätentiös zu wirken.

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