There Will Be Blood

Geschichte zwischen zwei Männern - Anderson über seinen neuen Film, der für acht Oscars nominiert wurde und auch bei Berlinale auf begeistertes Echo stieß: "Wir hätten eigentlich elf Oscars verdient"

There Will Be Blood
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Berlin. Paul Thomas Andersons Meisterwerk "There Will Be Blood" ist mit acht Nominierungen einer der Favoriten der diesjährigen Oscar-Verleihung und wurde jetzt auch bei der Berlinale gefeiert. Mit dem Regisseur sprach Uwe Mies.

General-Anzeiger: Ist "There Will Be Blood" eine Abkehr vom post-modernen Stil eines Films wie "Magnolia" zurück zu den Wurzeln des traditionellen amerikanischen Erzählkinos?

Paul Thomas Anderson: Ich weiß nicht, ob "Magnolia" ein post-moderner Film ist. Ich habe ihn in der Art erzählt, wie ich das damals für richtig hielt. Ich war eben jünger, hatte vielleicht mehr Energie in mir. Ich hatte noch keine Familie.

GA: Wie weit unterscheidet sich dieser Film von Ihren bisherigen Arbeiten?

Anderson: Naja, hier war der Dreh tatsächlich ein Vergnügen, auch wenn sich das auf der Leinwand nicht so widerspiegelt. Das gilt besonders für die Arbeit in der Natur, auf dieser Ranch in Texas. Die Leute dort waren unglaublich freundlich und auch stolz, dass mal wieder bei ihnen gedreht wurde. Denn der letzte Film, der da entstanden war, handelte auch von Öl und hieß "Giganten".

GA: Ihr Film spielt nun aber in Kalifornien.

Anderson: Ich weiß, dass man meist bei Öl an Texas denkt. Tatsächlich aber ist Kalifornien unser Ölstaat. Hier wurden die ersten massiven Förderungen betrieben. Hier gibt es eben überall Öl, sogar mitten in Beverly Hills. Das ist nur deshalb nicht so bekannt ist, weil die Förderstätte überdacht ist und wegen der Graffitys an den Außenwänden.

GA: Schwebte Ihnen von Beginn an ein großes, modernes Historienepos vor?

Anderson: Nein, weil mir beim Schreiben schon klar war, dass wir für einen solchen Stoff kein sonderlich großes Budget bekommen würden. Ich habe mich also auf Beschränkungen eingestellt, was letztlich gut war.

GA: Inwiefern?

Anderson: Wie bei John Hustons "Der Schatz der Sierra Madre" haben wir es im Kern mit einem Bühnenstück zu tun. Aber dann gehen wir mit den Kameras hinaus in die Natur und plötzlich haben wir ein Abenteuerepos. Das Gute daran ist, dass es nichts kostet, wenn man in der freien Natur dreht. Wir haben in den mittleren Regionen von Texas gedreht, und die Szenerie allein lässt einen Film wirklich schon groß und teuer erscheinen.

GA: Hätte die Geschichte denn auch anderswo spielen können?

Anderson: Vermutlich, denn es ist ja keine spezifisch amerikanische Geschichte. Überall auf der Welt gibt es Leute, die Mineralien aus dem Boden kratzen.

GA: Aber hier werden uramerikanische Züge im Blick auf Kapitalismus und religiöses Eiferertum reflektiert.

Anderson: Ja, diese Aspekte schwingen im Film mit, aber es sind nicht die Dinge, um die es grundsätzlich geht. Ein solches Ziel wäre wohl auch mehr, als ein Film allein bewältigen könnte.

GA: Der Film soll also keine Botschaft transportieren?

Anderson: Das wäre zu eng gefasst. Man weiß natürlich, dass es auch ein Film ist über Öl, Amerika und einen Mann, der Bibeln verkauft. Aber uns war sehr früh schon klar, dass es der beste Weg, sein würde, diese Geschichte als Familienfehde zwischen zwei Männern aufzuzäumen. Dann spielt es letztlich keine Rolle mehr, welche Berufe sie ausüben.

GA: Was stand denn am Anfang? Die Vorstellung eines Films über Öl und zwei verkrachte Männer inmitten weiter Landschaft oder die werkgetreue Adaption des zugrundeliegenden Romans von Upton Sinclair?

Anderson: Am Anfang hatte ich eine eigene Geschichte über zwei Familien im Kampf um ein Stück Land. Die Ausgangsidee war gut, aber dann trat die Sache auf der Stelle. Irgendwann stieß ich auf Upton Sinclairs Buch, was ein glückliches Timing war, denn ich hatte genug gute Sachen aus meiner eigenen Geschichte.

Und dann kamen aus dem Buch alle notwendigen Aspekte, um daraus ein rundes Ganzes zu machen. Mir war bis dahin eben einfach nicht klar gewesen, worüber genau ich in meiner Geschichte schrieb.

GA: Hätten Sie nach Upton Sinclair Lust, auch andere große amerikanische Erzähler wie Jack London oder John Dos Passos zu verfilmen?

Anderson: Natürlich. Im Fall von "Öl" habe ich es als Vorteil empfunden, dass der Roman nicht richtig gut ist. Es weder eines von Sinclairs besten noch eines seiner bekannten Bücher. Wir mussten also nicht gegen einen immensen Erwartungsdruck angehen.

GA: Daniel Day-Lewis steht im Ruf einer Diva. Wie arbeitet es sich mit so einem?

Anderson: Total gut, denn er ist ganz und gar konzentriert auf seine Arbeit. Es mag sein, dass er dann unnahbar wirkt, aber mir ist diese Einstellung lieber, als wenn ein Schauspieler sich in Lockerheit ergeht und ich mich um seine Aufmerksamkeit bemühen muss. Daniel ist permanent aufmerksam. Mir kommt das entgegen.

GA: Und das ging immer gut?

Anderson: Nein, wir haben uns auch gestritten. Aber das ist ja nichts Schlimmes. Unter Brüdern oder bei Liebespaaren herrscht ja auch nicht immer nur Friede, Freude, Eierkuchen. Im günstigsten Fall ist es wie eine romantische Beziehung.

GA: Haben Sie denn das Gefühl, jetzt mehr über das Filmemachen zu wissen?

Anderson: Ja, unbedingt. Ich schwitze jetzt weniger, wenn Entscheidungen getroffen werden müssen. Ich bin besser im Handwerk. Es gibt mehr Selbstvertrauen. Vor ein paar Jahren hätte ich einen solchen Film noch nicht erstellen können.

GA: Der Film empfängt höchstes Lob.

Anderson: Ja, das ist schön. Aber als die ersten guten Kritiken kamen, dachte ich schon, dass das alles jetzt zu gut ist, dass es jetzt genauso schnell auch komplett bergab gehen kann. Es mögen ja auch nicht alle den Film. Aber sie schreiben und sprechen darüber mit der gleichen Leidenschaft, mit der wir den Film gemacht haben. Das finde ich gut.

GA: Sind Sie mit den acht Oscar-Nominierungen zufrieden?

Anderson: Nein, wir hätten elf verdient gehabt. Zumindest gibt es ein paar Kategorien, wo wir übergangen wurden. Das ärgert mich, weil ich damit natürlich schon der Academy auf den Leim gegangen bin. Erst kann man sich gar nicht vorstellen, dass man beim Oscar überhaupt eine Rolle spielt. Dann geben sie einem Zückerchen mit den Nominierungen und man hängt am Haken bis zur Verleihung Ende Februar.

Zur Person

Paul Thomas Anderson (37) gehört zur Generation von Filmemachern, die ab Mitte der 90er Jahre frischen Stilwillen ins amerikanische Kino impften. Nach den modernen Tragikomödien "Boogie Nights", "Magnolia" und "Punch Drunk Love" legt Anderson nun mit "There Will Be Blood" ein wuchtiges Charakterdrama im Gewand eines amerikanischen Heimatabenteuers vor. Der Film ist für den diesjährigen Oscar in acht Kategorien nominiert.

(Film-Kritik aus dem General-Anzeiger)

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