Film "Lucy" startet in den Kinos Scarlett Johansson als Schönheit mit nahem Verfallsdatum

BERLIN · Als Titelheldin brilliert Scarlett Johansson in Luc Bessons Film "Lucy", der ab Donnerstag im Kino zu sehen ist. Eine Superdroge macht die Heldin zu einer Kampfmaschine mit rasant steigender Intelligenz.

 Hellsichtig: Lucy (Scarlett Johansson) kann dank einer Superdroge Radio- und Handywellen sehen und die Informationen "lesen".

Hellsichtig: Lucy (Scarlett Johansson) kann dank einer Superdroge Radio- und Handywellen sehen und die Informationen "lesen".

Foto: Universal Pictures Germany/dpa

Desinteressiert dösen die Geparden im Schatten, sodass für die Antilope noch alles gut ausgehen könnte. Doch dann stellen sie die Ohren auf, fokussieren die Beute - Game over. Luc Besson schneidet die Jagdszene parallel zum fatalen Fehler seiner Heldin Lucy (Scarlett Johansson). Als die sich von ihrem zwielichtigen Freund hereinlegen lässt und in Taipeh einen Koffer an den koreanischen Gangsterboss Jang übergibt, stolpert sie in einen Albtraum.

Gerade spült sich Jang (der furchterregende Choi Min-sik aus "Old Boy") in seiner Suite das Blut der Leichen im Nebenzimmer mit Evian von den Händen. Und wenig später wird der Amerikanerin ein Beutel mit einer blauen Superdroge unter die Bauchdecke genäht, den sie als Kurier nach Europa bringen soll. Doch die Hülle platzt, und der toxische Schock macht Lucy zur Kampfmaschine mit rasant steigender Intelligenz, die sie nun in Paris gegen Jangs Killer richtet.

Ein Organismus als surreale Ultraschall-Geisterbahn

Es scheint als habe auch Besson am überdosierten Rauschgift geschnuppert, denn er gibt in seinem Film "Lucy" den visuellen Hexenmeister. Wenn die Droge durch Lucys Blutbahn schießt, lässt die Kamera Synapsen blitzen, Nervenbahnen zucken und Zellen im Stroboskopgewitter glühen. Ein Organismus als surreale Ultraschall-Geisterbahn. Optisch ließ sich der Franzose ("Das fünfte Element", "Im Rausch der Tiefe") ohnehin nie lumpen, doch diesmal packt er seine Story zusätzlich in den Teilchenbeschleuniger. Resultat: ein nach knapp 90 Minuten fachgerecht geplättetes Publikum.

Morgan Freeman als weiser Professor

Dabei rast dieser Gangster-/Sci-Fi-Thriller derart über blank polierte Oberflächen, dass man die intellektuellen Hohlräume darunter rasch vergisst. So muss der arme Morgan Freeman als "weiser" Professor die längst widerlegte Theorie predigen, der Mensch nutze nur zehn Prozent seines Gehirns. Und auch Lucy trifft trotz zerebralen Turbowachstums oft auffallend falsche Entscheidungen. Etwa jene, im Pariser Stoßverkehr permanent gegen die Einbahnstraße zu fahren.

Klarer Fall, gern zitiert Besson hier seine "Taxi" und "Transporter"-Produktionen, wenn er nicht gerade David Cronenbergs Körperhorror krude Denkmäler setzt oder sein eigenes Killerindrama "Nikita" variiert. Doch trotz entbehrlicher Baller-Orgien und etwas angeberischer Evolutions-Schnellkurse (von Urfrau Lucy bis zur blonden "Schwester") ist dies mehr als Popcornkino.

Schönheit mit Verfallsdatum

So war Scarlett Johannson selten besser denn als gehetzte Schönheit, die vom naiven Mädchen erst zur Rachefurie, dann fast zum Friedensengel wird. Eine Schönheit mit erschreckend nahem Verfallsdatum, die anders als Super-, Spider- oder Batman keine Fortsetzungsheldin wird. Sicher, sie kann aus Handywellen die Gespräche "lesen", Glaswände in Räume zaubern oder Feinde allein mit einem Augenaufschlag an die Zimmerdecke kleben.

Und kurz bevor sie 100 Prozent ihrer geistigen Kapazität nutzt, hält sie am New Yorker Times Square mal eben den Trubel an, um ihn wie mit einem Smartphone-Wisch wieder zu beschleunigen oder das Rad der Geschichte kurzerhand in die Siedlerzeit oder die Ära der Saurier zurückzudrehen. Aber wenn sie vorher auf einem Flug buchstäblich zu zerstäuben beginnt und diesen Zeitraffertod nur mit dem blauen Gift stoppen kann, ist diese sensationelle Schockszene gewissermaßen der Anfang vom Ende.

Und ein einziges Mal hält Luc Besson die sonst rastlos entfesselte Kamera bemerkenswert lange ruhig. Dann fixiert sie das Gesicht von Lucy, die sich im Telefongespräch mit ihrer Mutter an alles Glück ihrer frühen Kindheit erinnert, an Tausende von Küssen und das für immer verlorene Gefühl des Beschütztseins. Und sie weint zum ersten und letzten Mal.

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