"Maps To The Stars" Eine Vorhölle namens Hollywood

BONN · Billy Wilder, Vincente Minnelli oder Robert Altman: Sie alle haben mit berühmten Filmen in die Schlangengrube Hollywood geblickt. Doch ihre Traumfabrik-Verrisse wirken geradezu zahm gegenüber dem neuen Werk des Kanadiers David Cronenberg: "Maps To The Stars" zeigt den Mittelpunkt der Filmwelt als Tummelplatz von Soziopathen und Brutstätte gemeingefährlicher Neurosen.

 Keine besten Freundinnen: Mia Wasikowska als Agatha (links) und Julianne Moore als Havana.

Keine besten Freundinnen: Mia Wasikowska als Agatha (links) und Julianne Moore als Havana.

Foto: Caitlin Cronenberg / MFA

Kinderstar Benji (Evan Bird) etwa, ein bekennendes Ekelpaket, blickt schon mit 13 auf eine imposante Drogenkarriere zurück. Kein Wunder vielleicht, hat doch Schwesterchen Agatha (Mia Wasikowska) vor Jahren das Haus der Familie abgefackelt. Frisch aus der Klapsmühle entlassen, heuert sie als Assistentin der abstiegsbedrohten Schauspieldiva Havana Segrand (Julianne Moore) an, die just in der Rolle ihrer toten Mutter zugleich das Trauma einer lieblosen Kindheit bannen und ein Comeback feiern will.

Doch um nicht vollends den Verstand zu verlieren, ist sie dauerhaft bei Benjis Vater Stafford (John Cusack) in Behandlung, einem eitlen Heiler-Guru, der fremde Probleme offenbar deutlich besser managt als die der eigenen Familie.

Irgendwelche Sympathieträger in diesem Panoptikum voll heillos verhedderter Schicksalsfäden? Bis auf Robert Pattinson als Chauffeur mit Drehbuch-Ehrgeiz - Fehlanzeige. Wenn Cronenberg hier die Vorhölle Hollywood besichtigt, will er keineswegs die Herzen wärmen.

[kein Linktext vorhanden]Den größten Mut zur Hässlichkeit zeigt gewiss Julianne Moore: furzend auf der Toilette, beim unverhohlenen Jubel angesichts der persönliche Tragödie einer Konkurrentin, oder beim sadistischen Kujonieren von Agatha. Letzteres freilich ist ein gefährliches Spiel, in dem irgendwann eine Goldstatuette zur schädelspaltenden Waffe wird.

Solcher Wahnsinn liegt hier permanent in der Luft, wobei Cronenbergs Inszenierungsstil selbst beim Auftritt einiger Spukgestalten äußerlich von chirurgischer Kälte bleibt. Solche aparten Kontraste können freilich nicht über die innere Leere einer Geschichte hinwegtäuschen, in der man ohnehin jedem die größte Perfidie zutraut. Eine so überschaubare Dramaturgie ist auf fast hysterische Exzessbefeuerung angewiesen und zeigt doch gewisse Abnutzungserscheinungen.

Es gibt kein Glück, wohl aber bizarre Hassliebespaare auf dieser Geisterbahn: Stafford und seine Frau (Olivia Williams) entpuppen sich als ebenso inzestuöses Gespann wie Benji und Agatha. Und doch ist hinter all dieser Verdorbenheit ein leises Sehnen: Cronenberg zieht Paul Eluards Gedicht "Liberté" als poetischen Faden durch die Geschichte. Wobei es "Freiheit" nach der Logik dieses gnadenlosen Films nur im Tod geben kann.

Neue Filmbühne, Rex, Stern

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