Filmkritik zu Blade Runner 2049 Replikanten auf der Müllkippe

Bonn · Denis Villeneuves „Blade Runner 2049“ kommt am Donnerstag in die Kinos. Der Film schafft über zweieinhalb Stunden hinweg ohne Qualitätsverluste Bilder von düsterer, atemberaubender Schönheit.

 Schöne neue Welt? Szene aus „Blade Runner 2049“. FOTO: DPA

Schöne neue Welt? Szene aus „Blade Runner 2049“. FOTO: DPA

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Gerade einmal zwei Kalenderjahre sind wir von dem Zeitpunkt der Zukunftsvision entfernt, die Ridley Scott in seinem Science-Fiction-Film „Blade Runner“ 1982 entworfen hat. Auch wenn sich glücklicherweise nur wenig von der düsteren Fantasie in unserer heutigen Welt bewahrheitet hat, die menschliche Existenz in keiner Konkurrenz zu künstlichen Replikanten steht, Autos nicht fliegen können und die Regenwahrscheinlichkeit in Los Angeles weiterhin sehr gering ist – auf der Leinwand hat Scotts frühes Neo-Noir-Meisterwerk auch heute nichts von seiner Wirkung verloren. Dabei war „Blade Runner“ bei seinem Start im Juni 1982 ein veritabler kommerzieller Flop. Erst im Laufe mehrerer Neustarts mit verschiedenen Fassungen vom „Director's Cut“ bis zum „Final Cut“ entwickelte der Film jenen Kultstatus, den er bis heute genießt.

Viele der dystopischen Visionen, die in den vergangenen 30 Jahren in Hollywood vom Band gelaufen sind, wären ohne die prägenden Einflüsse von „Blade Runner“ nicht vorstellbar. Wenn nun Denis Villeneuve mit „Blade Runner 2049“ in Scotts Fußstapfen tritt, ist die Erwartungshaltung überlebensgroß. Der frankokanadische Regisseur hat sich in denvergangenen sieben Jahren vom politisch engagierten Kunstkino („Die Frau, die singt“) kommend mit Genrewerken wie „Prisoners“, „Sicario“ und zuletzt mit dem brillanten Alien-Film „Arrival“ als Vertreter eines höchst anspruchsvollen Mainstreamkinos etabliert, wie man es sonst heute nur noch von dem britischen Kollegen Christopher Nolan kennt.

Düsteres Szenario der Zukunft

Und so ist es keine wirkliche Überraschung, dass sich Villeneuves „Blade Runner 2049“ als würdiges Nachfolgewerk erweist, das seiner Vorlage mit Liebe und Respekt begegnet, aber inhaltlich wie künstlerisch auf eigenen Beinen steht. Die Zukunft des Jahres 2049 sieht hier noch um einiges düsterer aus: Gigantische Solarfelder erstrecken sich durch verwüstete Landschaften bis zum Horizont, die Stadt San Diego wurde in eine riesige Müllkippe verwandelt, und das dauerverregnete Los Angeles schützt sich mit hohen Mauern gegen die heranbrandenden Meeresfluten. Hier verrichtet K (Ryan Gosling) seinen Dienst beim LAPD. Genau wie seinerzeit Harrison Fords Deckard ist auch er ein Blade Runner, der menschenähnliche Replikanten einer frühen Serie mit unbegrenzter Lebenszeit aufspürt und gewaltsam in den „Ruhestand“ versetzt.

Was bei Deckard im Ungewissen blieb und unter Fans zu Glaubenskriegen führte, ist im Falle von K sofort Gewissheit: Der versierte Jäger ist selbst ein Replikant. „Ihr neuen Modelle reißt euch um die Drecksarbeit, weil ihr noch nie ein Wunder gesehen habt“, sagt ein Replikant alter Schule vor dem Ableben zu dem polizeilichen Vollstrecker. Reste eines solchen Wunders finden sich in einer Kiste 30 Meter unter der Erde: Das Skelett eines weiblichen Replikanten trägt deutliche Gebärspuren. Dass diese sich selbst fortpflanzen und nicht auf die schöpferische Hochtechnologie der Menschen angewiesen sind, ist für die rigide Polizeichefin Joshi (Robin Wright) ein nicht akzeptabler Entwicklungsfortschritt.

Beeindruckende Bilder

Wie Scotts Vorlage erzählt sich auch das Nachfolgewerk nicht über die Aneinanderreihung von Plotpoints, sondern über eine atmosphärische Narration, die vieles nur andeutet und nicht alles in Dialogen erklären will. Meisterhaft bauen Villeneuve und sein Kameramann Roger Deakins diese Assoziationsräume auf. „Blade Runner 2049“ ist mit Abstand der bestaussehende Science-Fiction-Film seit vielen, vielen Jahren und schafft über zweieinhalb Stunden hinweg ohne Qualitätsverluste Bilder von düsterer, atemberaubender Schönheit.

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