Filmkritik zu "T2 Trainspotting" Endzeit im „Trainspotting“-Universum

Bonn · Danny Boyles Kultfilm-Fortsetzung „T2 Trainspotting“ kommt am Donnerstag ins Kino. John Hodges Drehbuch nach den Romanen „Trainspotting“ und „Porno“ von Irvine Welsh legt einen melancholischen Schleier über die Geschichte.

 Surrealer Augenblick: Jonny Lee Miller (links) und Ewan McGregor als Simon und Mark. FOTO: SONY PICTURES

Surrealer Augenblick: Jonny Lee Miller (links) und Ewan McGregor als Simon und Mark. FOTO: SONY PICTURES

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Kaum glaublich, aber wahr: Nach Jahren der Heroinsucht hat Spud (Ewen Bremner) doch noch ein paar Murmeln im Kästchen. Mensch, analysiert er hellsichtig, die vergangenen 20 Jahre sind ja wie im Flug vergangen. Wohl wahr, denkt auch der Zuschauer. 1996 kam Danny Boyles Film „Trainspotting“ ins Kino. Das von John Hodge verfasste, auf dem gleichnamigen Roman von Irvine Welsh basierende Drehbuch transportierte einen oft zitierten Satz über Heroinkonsum: „Nimm den besten Orgasmus, den du je hattest, multiplizier' ihn mit 1000, und du bist noch nicht einmal nah dran.“

Der Film verherrlichte aber nicht etwa die Droge, sondern: Jugend. Allerdings eine Jugend ohne Vorbildfunktion: Junkies mit destruktiven Instinkten, die Freunde und Familie verraten, lügen und betrügen. Danny Boyles Figuren bewegten sich 1996 in einem Universum jenseits jeder Moralität. Heroin verschaffte ihnen eine provisorische Illusion von Lebenssinn. Nicht alle überlebten die Sucht. „Trainspotting“ punktete mit erbarmungslosem Witz, makabren Details, wunderbar zitierfähigen Dialogen und einem legendären Soundtrack.

Nach gut 20 Jahren, die wie im Flug vergangen sind, treffen wir sie alle in Danny Boyles „T2 Trainspotting“ wieder: Spud, Mark (Ewan McGregor), „Sick Boy“ Simon (Jonny Lee Miller) und Begbie (Robert Carlyle). Es ist wie im richtigen Leben. Anfangs fremdelt man mit den Figuren, die man so lange nicht gesehen hat. Am Ende will man sie gar nicht mehr ziehen lassen.

John Hodges Drehbuch nach den Romanen „Trainspotting“ und „Porno“ von Irvine Welsh legt einen melancholischen Schleier über die Geschichte. Alle sind älter geworden, am Boden oder lebensmüde. Endzeit im „Trainspotting“-Universum. Mark Renton, der seine Kumpel (außer Spud) seinerzeit um viel Geld erleichtert hat, kehrt nach Edinburgh zurück. Stellvertretend für seine Ex-Freunde artikuliert er seine Zukunftsaussichten mit 46: „I'm fucked.“

Das Wiedersehen mit den Freunden von einst birgt viel Konfliktpotenzial. Insbesondere Begbie läuft zu alter psychopathologischer Höchstform auf. In die dünne Story, die sich um ein gemeinsames Projekt, die Eröffnung eines Bordells in Leith, rankt, montiert Regisseur Danny Boyle historische Clips. „T2 Trainspotting“ ist auch eine Bilderbiografie der Charaktere: mit wenigen Glücksmomenten und vielen Abgründen und Abstürzen.

Es ist Zeit, Bilanz zu ziehen, und keine der handelnden Personen hat Anlass zu Optimismus. Die existenzielle Verunsicherung drückt sich auf unvergessliche Weise in einem atemlosen Monolog Marks aus, in einem Brief von Spud an Gail und Sohn Fergus und, man glaubt es kaum, in einem hellen, einfühlsamen Moment von Begbie.

Zu den Ingredienzen des „T2“-Cocktails gehören auch wieder surreale Augenblicke und witzige Miniaturen. Das Drehbuch will es, dass Mark und Simon sich zum Zweck der Geldvermehrung in einer bizarren Parallelwelt von fanatischen, Bier und Gesang zugeneigten Protestanten wiederfinden. Um sich in den Rahmen einzufügen, improvisieren McGregor (Gesang) und Miller (Klavier) den Song „1690“ mit dem Anklang findenden Refrain „There were no more Catholics left“.

Anthony Dod Mantles Kamera fängt abermals die erhabene Schönheit der Highlands ein. Doch auch diese Szenen kommen nicht ohne Trauerrand aus. Die Erinnerung an Tommy (Kevin McKidd) wird wach, der in „Trainspotting“ auf qualvolle Weise gestorben ist – nicht das einzige Memento mori in dem im Kern hochmoralischen „T2“. Danny Boyle und sein Team besinnen sich aber auch – zum Beispiel mit einer Klo-Szene – auf die cineastischen Kultqualitäten des ersten Teils. Kelly Macdonald kehrt kurz zurück als Diane, die 1996 Mark Renton um den Verstand zu bringen drohte. Ihr folgt Anjela Nedyalkova nach. Sie bringt als Veronika bulgarischen Sex-Appeal ins Spiel und die Strategie für einen würdigen Schluss des 117-Minuten-Films. Er endet mit einem programmatischen Song: Iggy Pops „Lust For Life“. (Kinopolis, Woki)

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