Kinokritik zur Chaos-Kömödie von Dani Levy "Die Welt der Wunderlichs"

Bonn · Am Donnerstag kommt der neue Film von Dani Levy, die Chaos-Komödie "Die Welt der Wunderlichs", in die Kinos. Eine Kinokritik.

„Wir sind nicht interessant“, entgegnet Mimi Wunderlich am Telefon dem Produzent einer Casting-Show, „Wir sind Psychos“. Über eine halbe Stunde hat man bis dahin schon dem chaotischen Treiben der Familie beigewohnt und möchte ihr sowohl zustimmen als auch widersprechen. Psychos? Auf jeden Fall!

Aber auch verdammt interessant und unterhaltsam präsentiert sich diese Familie auf der Leinwand, für die das Attribut „dysfunktional“ fast schon eine Schmeichelei darstellt. Zu Beginn des Filmes muss Mimi (Katharina Schüttler) ihren hyperaktiven Sohn Felix (Ewi Rodriguez) wieder einmal bei der Direktorin abholen, weil er seine Lehrerin in den Schrank gesperrt hat.

Zu Hause angekommen merken Mutter und Sohn, dass die Haushaltskasse aus dem Brotkasten verschwunden ist – und dafür kommt nur ein Täter infrage: Opa Walter (Peter Simonischek). Der ist nämlich nicht nur spielsüchtig, sondern auch manisch-depressiv und wieder einmal aus der geschlossenen Abteilung ausgebüxt.

Ex-Frau Liliane (Hannelore Elsner) darf zwar noch frei herumlaufen, liegt aber lieber als eingebildete Sterbenskranke im Bett und trauert ihren gründlich verblassten Ruhm als Schlagersängerin nach. Vom Erfolg vergangener Tage zehrt auch Mimis ehemaliger Lebensgefährte Nico (Steffen Groth). Der Rockstar mit Bauchansatz ist allerdings aufgrund seines umfangreichen Drogenkonsums als Erziehungberechtigter keine große Hilfe.

Mimis Schwester Manuela (Christiane Paul) könnte fast als halbwegs normal durchgehen. Aber sobald sie mit ihrem Vater zusammenrasselt, wird sie zur bekennenden Cholerikerin. Mitten hinein in die Dauereskalation kommt der Telefonanruf einer Schweizer Casting-Show. Mimi hat früher als erfolgreiche Singer-Song-Musikerin auf der Bühne gestanden und soll nun in der Show „Second Chance“ eine Möglichkeit zur Wiederbelebung ihrer Karriere bekommen. Natürlich will Mimi ohne die Sippschaft nach Zürich fahren. Klar kommen alle mit.

Von der ersten Minute an braust Dani Levys „Die Welt der Wunderlichs“ hochtourig los und passt sich mit rasantem Schnittrhythmus und schnellem Dialogabtausch dem hyperaktiven Betriebsnmodus seiner Figuren an. Tempo ist der wichtigste Treibstoff der Komödie, aber das nützt alles nichts, wenn die Charakterisierung der Figuren nicht gelingt.

Aber Levy hat ein fabelhaftes Ensemble zusammengestellt: Peter Simonischek brilliert im feinsten „Erdmann“-Modus als manisch-depressiver Vater, Frau Elsner nimmt den eigenen Diven-Status aufs Korn, Steffen Groth präsentiert sich furchtlos als Keith-Richards-Verschnitt mit weit geöffnetem Bademantel, Christiane Paul entwickelt als tätowierte Friseurin cholerisches Sex-Appeal und auch Katharina Schüttler meistert die Rolle der einzig Normalen im explosiven Familien-Cocktail bestens.

Dass ausgerechnet eine Casting-Show als familientherapeutisches Instrument herhalten muss, mutet zunächst etwas käsig an, aber Levy lotet auch das Chaos-Potenzial dieses Mikrokosmos' gründlich aus. Soviel Beziehungsdynamik und Pointenreichtum sieht man selten im deutschen Lustspielwesen, da kann man über das etwas übersteuerte Massen-Happy-End in den letzten zwei Filmminuten großzügig hinwegsehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Großes Herz
Filmkritik: "Tschick" von Fatih Akin Großes Herz