Sieger der Goldenen Palme "The Square": Böse Satire auf den Kunstbetrieb

Berlin · Ein Museumskurator sieht rot, als sich eine geplante Installation zum Eklat ausweitet. Ruben Östlunds scharfsichtige, palmengekrönte Satire weitet sich zum existenziellen Drama.

 Elisabeth Moss spielt in "The Square" Christians Freundin Anne, die es nicht immer leicht hat mit dem machohaften Museumsmanager.

Elisabeth Moss spielt in "The Square" Christians Freundin Anne, die es nicht immer leicht hat mit dem machohaften Museumsmanager.

Foto: Alamode

Der Kunstbetrieb bietet Filmschaffenden viel Stoff: Mit all seinen Eitelkeiten, Übertreibungen, Egotrips und horrenden Preisen ist er ein gefundenes Fressen für jede Art von Satire.

Die Attacke fiel vor zwei Jahren in Wolfgang Beckers "Ich & Kaminski" mit Daniel Brühl als eitlem Journalisten auf der Suche nach einem spinnerten Maler eher mild aus. Auch Tim Burtons bonbonbunter Film "Big Eyes" mit Amy Adams als verkannter Kulleraugen-Künstlerin und Verkaufsgenie Christoph Waltz entpuppte sich eher als nostalgischer Spaß.

Richtig zur Sache und mitten hinein ins Herz unserer traurigen Gegenwart führt uns der 43-jährige schwedische Regisseur Ruben Östlund ("Höhere Gewalt") mit seiner bitterbösen Satire "The Square", einer deutschen Koproduktion. Für dieses gnadenlose, mit 142 Minuten etwas zu lang geratene Drama, das weit über den Kunstzirkus hinaus in existenzielle Abgründe blickt, ist Östlund bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet worden.

Östlund, der auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, schickt seinen Protagonisten Christian (Claes Bang), einen ehrgeizigen Museumskurator, auf eine Reise an die Grenzen der Existenz. Dabei will der nicht uneitle Museumsmann anfangs nur eine möglichst spektakuläre Kunstinstallation über die Themen Mitgefühl und Solidarität promoten. "The Square", ein vier mal vier Meter großen Platz, soll eine "Schutzzone für Vertrauen und Fürsorge" sein, ein fast schon utopischer Ort, in dem "jeder gleiche Rechte und Pflichten hat".

Aber die schnöde Realität holt Christian immer wieder ein. Als ihm Handy und Brieftasche geklaut werden, gelingt es ihm mit Drohbriefen, die Sachen zurückzubekommen. Aber damit hetzt er ein Kind gegen sich auf. Dann läuft die Promo-Kampagne für "The Square" völlig aus dem Ruder, ein Schockvideo auf der Internet-Seite des Museums wird nicht zum erhofften viralen Hit, sondern löst einen Eklat aus. Zu diesem Zeitpunkt ist Christians Welt längst aus den Fugen geraten. Da kann dem durchaus machohaften Museumsmanager dann auch seine eher feministisch angehauchte Freundin Anne (Elisabeth Moss, "Mad Men") nicht mehr aus der Patsche helfen.

Beklemmender Höhepunkt dieses fragmentarisch erzählten Alptraums ist eine Museumsgala, bei der die geladenen Honoratioren und der Starkünstler Julian (Dominic West, "The Wire") von einem Affenmenschen (Terry Notary, "Kong: Skull Island") bedroht werden. Als der Unhold sich über eine Frau hermacht, vergehen quälende Minuten, bis ihr endlich andere Gäste zur Hilfe eilen.

Solidarität und Hilfsbereitschaft sind praktische Tugenden, keine Stichwörter für eine auf Spektakel schielende Kunstinstallation. So lautet das Fazit von Östlunds beklemmender, mitunter schwarzhumoriger Satire. Als ein Putzmann zu allem Überfluss in Christians Museum eine Skulptur zerstört, grüßt von weitem die berühmte "Fettecke" von Beuys, die in den 1980er Jahren angeblich von einem Hausmeister in den Müll befördert wurde.

Am Ende sitzt Christian mit seinen beiden kleinen Töchtern im Auto und fährt zu dem Jungen, den er beschuldigt hatte, um sich zu entschuldigen. Aber auch diese Geste bleibt ihm verwehrt. Fast schon mitleidig blicken ihn dabei seine Kinder an - der Wahn der Erwachsenenwelt scheint grenzenlos zu sein.

The Square, Schweden 2017, 142 Min., FSK ab 12, von Ruben Östlund, mit Claes Bang, Elisabeth Moss, Dominic West, Terry Notary

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