Heimat in der Fremde "Die kanadische Reise" mit leisen Zwischentönen

Berlin · Ein erwachsener Mann macht sich auf die Suche nach seinem unbekannten Vater - feinfühlig inszeniertes Familiendrama, die leisen Töne dominieren.

 Mathieu (Pierre Deladonchamps, r) und Pierre (Gabriel Arcand) kommen sich näher.

Mathieu (Pierre Deladonchamps, r) und Pierre (Gabriel Arcand) kommen sich näher.

Foto: Sébastien Raymond/temperclayfilm

Die Familie als Sehnsuchtsort steht heutzutage wieder hoch im Kurs, gerade weil viele Beziehungen scheitern. Zudem hat die klassische Vater-Mutter-Kinder-Konstellation sich immer öfter in einem bunten Patchwork-Geflecht aufgelöst.

Dies gilt auch für den Mittdreißiger Mathieu (Pierre Deladonchamps), der getrennt von seiner Frau und dem kleinem Sohn in Paris lebt. Mathieu arbeitet eher leidenschaftslos in einer Firma für Hundefutter, träumt aber von einer Karriere als Krimiautor. Seinen leiblichen Vater, der in Kanada lebt, hat er nie kennengelernt. Als ihn die Nachricht von dessen Tod erreicht, reist Mathieu nach Montreal und begreift erst viel später, dass er sich auf den Weg in ein neues Leben gemacht hat.

Der französische Regisseur Philippe Lioret ("Die Frau des Leuchtturmwärters", "Welcome") hat mit "Die kanadische Reise" ein feinfühliges Beziehungsdrama inszeniert, das mit etlichen Überraschungen und falschen Fährten gespickt ist und am Ende vielleicht einen Hauch zu betulich und harmonieselig endet. Zunächst ähnelt dieser sehr gelassen, aber konzentriert inszenierte Film einem Thriller: Mathieus Vater ist angeblich beim Angeln ertrunken. Die Leiche wurde noch nicht gefunden. Mit Pierre (Gabriel Arcand), einem engen Freund und Arztkollegen seines Vaters, reist Mathieu zum Unfallort, einem idyllischen Bergsee.

Dort trifft er auch auf seine beiden mäßig sympathischen Halbbrüder, zwei sehr unterschiedliche Typen, die sich ständig zoffen und schon ums Erbe feilschen. Viel mehr fühlt sich Mathieu zu Pierre, dessen Frau Angie (Marie-Thérèse Fortin), einer Krimiliebhaberin, und deren erwachsener Tochter Bettina (Catherine de Léan) hingezogen. Mit ihr verbringt Mathieu einen Kneipenabend, die beiden scheinen sich fast blind zu verstehen - man könnte sie auch als Wahlverwandte bezeichnen.

Viel mehr darf man nicht verraten von den Wendungen und Enthüllungen in diesem warmherzigen Film, der nicht auf laute Konflikte, sondern auf die leisen Zwischentöne setzt. Trotz aller neuen Erfahrungen fliegt Mathieu gerne zurück nach Frankreich - er hat Heimweh nach seinem Sohn. Und in der Ferne vielleicht eine neue Familie gefunden. Ein versöhnliches Ende, viel Harmonie. Aber die ist in unseren unsicheren Zeiten anscheinend wieder sehr en vogue.

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