Thriller Chang Chen als "Mr. Long": Vom Killer zum Suppenkoch

Japans Regie-Star SABU ("Miss Zombie") stellt das Genre des Thrillers lustvoll auf den Kopf: Profi-Killer "Mr. Long" wandelt sich durch die Zuneigung Fremder zum Menschenfreund. Erzählt wird das in brillanter Balance von Action, Witz und Gefühl.

 Auftragskiller "Mr. Long" (Chen Chang) hilft Lily (Yiti Yao) und ihrem Sohn (Runyin Bai) mit einer mobilen Suppenküche.

Auftragskiller "Mr. Long" (Chen Chang) hilft Lily (Yiti Yao) und ihrem Sohn (Runyin Bai) mit einer mobilen Suppenküche.

Foto: Rapid Eye Movies

Berlin (dpa) – Am Anfang blitzt ein Messer auf. Es ist tödlich scharf. In einer rasanten Szenenfolge wird sofort klar, dass die Klinge das liebste Werkzeug eines Profikillers ist.

Ironie des Schicksals: Seine Fähigkeit, überaus flink und geschickt mit dem Schneidwerkzeug umzugehen, beschert dem mörderischen Titelhelden "Mr. Long" erst eine Karriere als Koch und wandelt ihn dann zu einem wahren Menschenfreund.

Wie es zu der überraschenden Entwicklung kommt, erzählt der unter dem Künstlernamen SABU weltbekannte japanische Regisseur Hiroyuki Tanaka in einem Thriller, der überraschend anders daherkommt als üblich. SABU lässt den namenlosen Auftragsmörder (Chang Chen) aus Taiwan in einem tristen Ort in Japan stranden. Dorthin flieht der Gangster, nachdem er einen Job verpatzt hat und nun selbst zum Gejagten geworden ist.

Ein unschuldiges Kind (Runyin Bai) übernimmt zunächst die Rolle des Retters. Der halbwüchsige Junge führt den Fremden zu seiner drogenabhängigen Mutter (Yiti Yao). Die Funken der Liebe zünden sofort. Um der jungen Frau und ihrem Sohn zu helfen, eröffnet der Flüchtige eine mobile Suppenküche. Mit seinem Essen macht er sich in der Nachbarschaft ungemein beliebt. Alle im ärmlichen Viertel verehren "Mr. Long" als Engel der Entrechteten. Von so viel Güte umgeben, kann er nicht anders und muss selbst Gutes tun.

Wie es sich für eine handfeste Geschichte um einen Gangster gehört, wird der Titelheld natürlich von seiner Vergangenheit eingeholt. Am Ende muss er beweisen, ob er sich wirklich gewandelt hat. Ist aus dem Teufel in Menschengestalt tatsächlich ein wahrlich himmlischer Menschenfreund geworden? Die Antwort zum Finale des Films fällt überraschend aus.

SABU ("Miss Zombie") begeistert mit einer brillanten Balance von Action, Komik und Gefühl. Dazu kommt ein für das Unterhaltungskino ungewöhnlich kritischer Blick auf das Leben von durchschnittlichen Menschen am unteren Rand der sozialen Skala. SABU zeigt mit geradezu dokumentarischer Genauigkeit den Alltag sogenannter kleiner Leute, die ihr Dasein finanziell nur mühsam bewältigen. Das wertet den Film ungemein auf.

Action, Lovestory und Milieustudie harmonieren exzellent. Zu danken ist das der visuellen Virtuosität der Inszenierung, dem intensiven Spiel aller Akteure und der feinen Ironie, die den Erzählstil dominiert. Wenn sich die Gangster-Ballade zum Hohelied auf die Solidarität der Schwachen mausert, reift der Spielfilm zu bestem Vergnügen von ungewöhnlichem Format.

In der Titelrolle agiert der seit Hits wie "Tiger and Dragon" (2000) von Regisseur Ang Lee und Wong Kar-Wais "2046" (2004) weltweit gefeierte taiwanesische Schauspiel-Star Chen Chang. Ihm gelingt es scheinbar mühelos, sowohl die Aura des Zwielichtigen, den Schein des Geheimnisvollen und als auch das Leuchten reiner Menschlichkeit miteinander zu vereinen.

Chen Changs Mr. Long glaubt man nicht nur, dass er ein Messer auf wirklich jede erdenkliche Art gebrauchen kann. Man nimmt ihm auch ab, dass er sich vom brutalen Beelzebub in einen Boten des Himmels verwandelt. Dies ist besonders reizvoll, weil Chen Chang mit viel Charme dennoch zeigt: Raubtier bleibt Raubtier, selbst wenn es sanft wie ein Kätzchen schnurrt.

Mr. Long, Japan, Taiwan, Hongkong, Deutschland, 129 Min., FSK ab 16, Regie: SABU, mit Chang Chen, Yiti Yao, Runyin Bai

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