Kritik zum Kinoneustart "The Florida Project" überzeugt mit sozialer Wahrhaftigkeit

Bonn · In dem Drama "The Florida Project" mit Willem Dafoe erzählt Regisseur Sean Bakers von der Armut am Rand von Disneyworld. Der Film zeichnet sich durch eine soziale Wahrhaftigkeit aus. Unsere Filmkritik.

 Leere Disneywelt: Halley (Bria Vinaite) und ihre Tochter Moonee (Brooklynn Prince).

Leere Disneywelt: Halley (Bria Vinaite) und ihre Tochter Moonee (Brooklynn Prince).

Foto: dpa

„The Magic Castle“ nennt sich verheißungsvoll das dreistöckige Hotel. In schönstem Prinzessinnen-Pink steht es am Rande des Highways, der geradewegs nach Disney-Land führt. Aber die Wirtschaftskrise ist auch an der Vergnügungsparkindustrie nicht spurlos vorüber gegangen. Der Besucherstrom ins Märchenland hat nachgelassen und ins „Magic Castle“ kommen kaum noch Touristen.

Stattdessen wohnen in dem von Bobby (Willem Dafoe) geführten Billighotel Leute, die am Rande der Obdachlosigkeit stehen, die Miete ihrer Wohnung oder die Raten fürs Haus nicht mehr bezahlen können und nun Tag für Tag die 38 Dollar fürs Hotel zusammenkratzen.

„Der Mann, der hier lebt, wird oft verhaftet. Der hier hat eine Krankheit, die die Füße groß macht.“ weist die sechsjährige Moonee (Brooklynn Prince) ihre neue Freundin ein, während sie die Laubengänge des Hotels entlang streifen. Für sie das „Magic Castle“ tatsächlich ein verzauberter Ort und die Umgebung der abgehalfterten Vergnügungspark-Peripherie ein riesiger Abenteuerspielplatz.

Das Mädchen lebt mit seiner Mutter in Zimmer 323. Halley (Bria Vinaite) ist Anfang 20, umfangreich tätowiert, ohne Arbeit und verhält sich gegenüber der Tochter eher wie eine große Schwester. Sicherlich keine Helikopter-Mutter, aber eine, die viel Zeit für ihr Kind hat, Verantwortung übernimmt.

Die Sommerferien mit all ihren abenteuerlichen Verheißungen liegen vor den Kindern, für die es ganz normal ist, am Wagen eines Wohlfahrtsverbandes für Brot anzustehen und sich von den Touristen mit Rehaugenblick ein Eis spendieren zu lassen. Kompromisslos zeigt Sean Baker in „Florida Project“ das Leben am Rande der Armutsgrenze aus der Kinderperspektive. Sein Blick ist von großartigem Einfühlungsvermögen geprägt und verzichtet auf alle paternalistischen Mitleidsbekundungen.

Die zum Großteil mit Laiendarstellern gedrehte Low-Budget-Produktion zeichnet durch eine soziale Wahrhaftigkeit aus, ganz ohne in Armutspornografie abzugleiten. Im Gegenteil gelingt es Baker durch den Kontrast zwischen den sozialen Verhältnissen und den quietschbunten Disney-World-Kulissen die Magie einzufangen, mit der die Kinder in die Welt blicken, ohne die Härte der Lebensumstände zu kaschieren.

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