Filmkritik Schwache Fortsetzung des Horrofilms "ES"

Die Fortsetzung von Stephen Kings Horrorklassiker ist da: In „ES Kapitel 2“ ist bei einer Laufzeit von 169 Minuten kaum ein Plot erkennbar. Daran kann auch das hochkarätige Ensemble um Jessica Chastain und James McAvoy wenig ändern.

 Ein Clown, der das Böse verkörpert: Bill Skarsgård als Pennywise. FOTO: DPA

Ein Clown, der das Böse verkörpert: Bill Skarsgård als Pennywise. FOTO: DPA

Foto: dpa

Vor zwei Jahren brachte Andy Muschietti mit „ES“ Stephen Kings Horrorklassiker auf die Leinwand. Während der Roman auf zwei Zeitebenen arbeitet und mit einem Rückblendenplot die Figuren im Jugendlichen- wie im Erwachsenenalter gegen das Monster mit dem Clownsgesicht antreten lässt, splittete Muschietti seine Dramaturgie auf.

Der erste Teil gehörte den 13-jährigen Helden, die sich in ihrer Verliererbande zusammengeschlossen haben. In der Fortsetzung müssen sich die Erwachsenen erneut dem Bösen und eigenen traumatischen Erinnerungen stellen. Mike (Isaiah Mustafa) ist als Einziger in Derry geblieben. Auch 27 Jahre später ist die amerikanische Kleinstadt ein sozial unwirtlicher Ort, wie der brutale Übergriff von rechten Schlägern auf ein schwules Paar zu Beginn des Filmes zeigt. Das halb bewusstlose Opfer wird in den reißenden Fluss geworfen, und dort wartet etwas noch Brutaleres im Tunnel der Kanalisation: Pennywise (Bill Skarsgård), dessen lachendes Clownsgesicht sich in einen Monsterkopf verwandelt, fällt über den Gestrandeten her.

Versierter Manipulator

Die Jugendlichen haben damals einen Bluteid geleistet: Sollte „ES“ zurückkehren, würden auch sie wieder gemeinsam dagegen antreten. Aber Pennywise ist bekanntlich nicht nur ein Bösewicht, der grausam mordet, sondern auch ein versierter Manipulator der menschlichen Psyche. Und so endet schon das feuchtfröhliche Wiedersehensessen im China-Restaurant mit einer kollektiven Horrorvision, in der aus Glückskeksen und Essensresten illustre Mordmonster schlüpfen. Damit nicht genug, wird jedes einzelne Gruppenmitglied nacheinander an verschiedenen Erinnerungsorten von schmerzhaften Kindheiterlebnissen eingeholt, die regelmäßig in unkontrollierte Angstfantasien ausarten.

Und das dauert. Im ersten Teil führte der Verzicht auf Rückblenden zu einer klaren, stringenten Erzählung, die Kings Schreckensfantasien unverschnörkelt herausarbeitete. Im zweiten Teil hingegen ist ein relevanter Plot kaum erkennbar. Die Geschichte rennt wie ein aufgescheuchtes Huhn von einer Horrorvision zur nächsten. Das schleift sich schnell ab, zumal die Botschaft des Filmes, dass man sich seinen Ängsten gemeinsam stellen muss, um sie besiegen zu können, bereits im ersten Teil deutlich ausformuliert wurde. Allzu oberflächlich behandelt Muschietti die durchaus interessante Frage, wie sich die traumatischen Kindheitserlebnisse auf die seelische Verfassung der Erwachsenen auswirken. Daran kann auch das zum Teil hochkarätige Ensemble um Jessica Chastain und James McAvoy wenig ändern.

Wahrscheinlich leidet „ES Kapitel 2“ daran, dass zu viel Geld zur Verfügung stand. Wurde der erste Teil mit bescheidenen 35 Millionen Dollar auf die Beine gestellt, dürfte das Budget der Fortsetzung um ein Vielfaches höher gewesen sein, was eine deutliche Überdosierung digitaler Effekte zur Folge hat. Die epische Laufzeit von 169 Filmminuten hätte man ohne künstlerische und narrative Verluste mindestens um ein Drittel reduzieren können.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Eine Szene aus „One Life“: Anthony
Held ohne Heldenpose
“One Life“ mit Anthony HopkinsHeld ohne Heldenpose
Aus dem Ressort