Film-Akademie zeigt sich politisch Oscar-Panne spielt Trump in die Karten

Meinung | Washington · Die liberalen Hollywood-Schauspieler zeigen sich auf Gegenkurs zum Präsidenten. So sad, dass die Profis nicht unfallfrei einen Preis verleihen können. Dabei hat die Film-Akademie aus der Kritik der vergangenen Jahre gelernt.

Fast vier Stunden haben sie den selbstverliebten Grobian in Washington gekonnt gekitzelt, geschmäht, geschurigelt und gefoppt. Ohne unmittelbare Wirkung - der eitle Präsident hat nicht zurückgetwittert. Am Ende war es trotzdem Donald Trump, der nach der 89. Oscar-Gala klammheimlich den ideellen Hauptpreis einheimste.

Amerikas Präsident wird seinen den Küsten-Eliten in tiefer Skepsis verbundenen Anhängern im „Heartland“ der Vereinigten Staaten ab heute gar nicht mehr eintrichtern müssen, dass man auf die liberale Hollywood-Mischpoke keinen Pfifferling geben darf. Die Traumfabrik, auf Gegenkurs zum nationalistisch-isolationistischen Amerika-zuerst-Vertreter, besorgt das schon ganz allein.

Der Mega-Gau bei der Vergabe des wichtigsten Film-Preises durch die lebenden Legenden Warren Beatty (80) und Faye Dunaway (76) - die Ursachenforschung für die offenbare Verwechselung der Umschläge bei „La La Land“ und „Moonlight“ ist wegen des Schockzustandes noch gar nicht richtig begonnen worden - entwertet einen bis kurz vor Schluss von Moderator Jimmy Kimmel überaus gelungen orchestrierten Abend, der viele kraftvolle, bleibende Eindrücke und große Emotionen hervorrief.

Allen voran die Erkenntnis, dass die Film-Akademie die Lehren des vergangenen Jahres gelernt hat, als Schmelztiegel-Amerika bei den Nominierungen schlicht vergessen worden war. In vielen herausragenden Filmen, stellvertretend seien hier „Hidden Figures“ und „Moonlight“ genannt, prägten diesmal völlig verdient schwarze Regisseure und schwarze Schauspielerinnen und Schauspieler die Leistungsschau einer Branche, die mit ihrer Wirkungsmacht gerade jetzt in der Stunde Null nach Trump dringender denn je als Ortsmarke für offene Gegenrede und Vielfalt gebraucht wird. „Moonlight“, der tatsächliche und sehr würdige Sieger des Abends, dokumentiert Menschen und ein Amerika, das seit Amtsantritt des neuen Präsidenten ausgeblendet ist.

Die unter die Haut gehende Geschichte eines schwarzen Ghetto-Jungen aus Miami, der trotz drogenverseuchter Mutter und brutalen Mobbings nach und nach lernt, zu seiner Homosexualität zu stehen, ist (noch) kein Kassenknüller - aber als Aufschrei gegen den zielgerichtet gegen Minderheiten zu Felde ziehenden Präsidenten unverzichtbar. Trump und seine Truppe, alles andere wäre Ausdruck seltener Souveränität und ehrlicher Anteilnahme an einem der dicksten Patzer in der Oscar-Geschichte, werden den „Schocker“ für ihre Zwecke instrumentalisieren. Motto: Große Klappe haben sie in Hollywood - aber nicht mal unfallfrei einen Preis können sie verleihen. So sad.

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