Skurril Neu auf DVD: "Elvis & Nixon"

Berlin · Manche Filme hinken der Zeit hinterher, andere nehmen Entwicklungen vorweg und wieder andere treffen den Zeitgeist so genau, als hätte es zunächst den Film und danach erst die Wirklichkeit gegeben. "Elvis & Nixon" ist ein solcher Film.

 Deal: Ein Autogramm für die Tochter, ein Foto für das Image und eine Dienstmarke für Elvis.

Deal: Ein Autogramm für die Tochter, ein Foto für das Image und eine Dienstmarke für Elvis.

Foto: Universum Film

1970 - Memphis, Graceland, Fernsehzimmer: Der King of Rock'n'Roll schaut Nachrichten und was er sieht lässt ihn erbeben. Das Land, sein Land, die USA versinken im moralischen Morast!

Die Linken protestieren gegen Vietnam, die Schwarzen für gleiche Rechte und Eltern fordern Gleichheit für Ihre Kinder: "Raucht gemeinsam Gras mit euren Kindern, dann versteht ihr, warum sie so fröhlich sind" - es ist nicht zu ertragen. Elvis greift zum goldenen Colt und zerlegt die TV-Geräte. Es muss Schluss sein damit.

Was zunächst wie Eskapismus aussieht, ist für Elvis ein Grund zum Handeln. In einem achtseitigen Brief bittet er den mächtigsten Mann der Welt, Präsident Richard Nixon, um eine Audienz. Und er hat ein Ziel, er will helfen, helfen sein Land zu retten.

Das ist die zentrale Idee des Films: Elvis rettet die USA, indem er für die Drogenbehörde arbeitet. "Ich will Agent sein, Sonderagent ... Mit einer Dienstmarke der Drogenbehörde kann ich Amerika davor bewahren, in die Anarchie abzugleiten." Das ist der Lebenstraum des karatekämpfenden Popidols: Politische Gegner infiltrieren, subversive Elemente unterwandern, wie die Rolling Stones etwa oder Greatful Dead.

Die Begegnung der hohen Politik mit den "Niederungen" des Pop, heute selbstverständlich, war damals eine Sensation. Und doch ist wenig darüber öffentlich geworden, was am 21. Dezember 1970 zwischen Elvis und Nixon im Weißen Haus besprochen wurde, denn diese Begegnung fand tatsächlich statt.

Regisseurin Liza Johnson hat sich ganz dem Aufeinandertreffen zweier schrulliger Männer verschrieben, Elvis auf der Jagd nach einer Dienstmarke, Nixon auf der Jagd nach einem Autogramm für seine Tochter, vereint in der paranoiden Angst vor dem Verlust des eigenen Ruhmes. Und so wird der skurrile Dialog zwischen beiden zum Höhepunkt des Films: da jeder Elvis kennt, muss er natürlich undercover ermitteln, und zwar " ... müsste ich so tief undercover sein, dass niemand wüsste, dass ich undercover bin."

Während die deutsche Synchronstimme Spaceys noch an seinen Frank Underwood erinnert, präsentiert der Netflix-Star hier einen gänzlich anderen Staatschef als in "House of Cards", mit hochgezogenen Schultern, halslos, nahezu buckelhaft, die abstoßende und zugleich menschliche Verkörperung der Macht. Und Michael Shannon ("Batman v. Superman"), bewaffnet mit goldenem Gürtel, goldenen Ringen und goldener Sonnenbrille spielt mühelos auf Augenhöhe bis sich die Koteletten steil stellen.

Heraus kommt ein farbenfrohes Kaleidoskop der frühen Siebziger, vom Soundtrack sparsam zwar, aber passgenau unterstützt. Der Film ist kein Bio-Pic und kein Politthriller: Regisseurin Liza Johnson hat mit ihrer Independent-Novelle ein bis in die Nebenrollen durchkomponiertes Zeitbild erschaffen, in dem Sarkasmus und Skurrilität sich Satz für Satz das Niveau der Coen-Brüder erklettern - und das darüber hinaus auch noch ganz aktuell ist.

Hören wir einmal hinein und lauschen Präsident Nixon, wie er seinem Gast die Kommunisten erklärt (Spoileralarm): "Sie hassen nicht uns Elvis, sie hassen das, wofür wir stehen. Ich meine wir beide, wir kommen doch von ganz tief unten. ... Und wo stehe ich heute, Elvis und wo stehen Sie? Ja, die Linken sehen das, und statt unserem Beispiel folgen zu wollen, verfallen sie in Neid. Das führt Ihnen ihr Versagen lebendig vor Augen, wie tanzende Bären. Ja natürlich reagieren sie dann wie Tiere im Käfig, denn genau das sind sie, Tiere der Wildnis."

- Tiere im Käfig, Tiere der Wildnis, tanzende Bären - manchmal hilft es, ganz aktuell einen Blick in die Vergangenheit zu werfen, wenn man wieder wissen will, was zuerst war, Fiktion oder Fakten oder deren Alternativen.

"Elvis & Nixon", Komödie USA 2016, 86 Min., FSK ab 0, von Liza Johnson, mit Michael Shannon, Kevin Spacey, Alex Pettyfer, Johnny Knoxville, Colin Hanks; Bonusmaterial: Interviews mit Cast und Crew

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