Israelisches Drama "Foxtrot": Emotionen, starke Bilder, politisch umstritten

Tel Aviv · Das preisgekrönte israelische Drama "Foxtrot" bringt seine Zuschauer zum Weinen, zum Lachen, zum Mitfühlen - blendet aber Kritik an den Palästinensern im Nahost-Konflikt aus. Israels Kulturministerin war entsetzt über den Oscar-Anwärter.

 Der Sohn von Michael Feldmann (Lior Ashkenazi) und seine Frau Dafna (Sarah Adler) ist während des Militärdienstes getötet worden.

Der Sohn von Michael Feldmann (Lior Ashkenazi) und seine Frau Dafna (Sarah Adler) ist während des Militärdienstes getötet worden.

Foto: Giora Bejach/NFP

Michael sitzt auf dem Toilettendeckel und hält die Hand im Waschbecken unter heißes Wasser, bis die Haut aufplatzt. Der Handrücken leuchtet feuerrot - doch alles ist besser, als den Schmerz über den Tod seines Sohnes zu ertragen.

Michaels Junge ist während des Militärdienstes getötet worden. Wie und warum, erklärt ihm niemand. "Unser herzliches Beileid, Herr Feldman", hatte der Soldat nur gesagt, als er ihm die Nachricht überbrachte - in der Wohnung mit moderner Kunst an den Wänden und dem Ausblick auf Wolkenkratzer. Michaels Frau Dafna bricht sofort zusammen, als sie die Soldaten vor sich stehen sieht. Wenig später schläft sie mit Medikamenten ruhiggestellt im Bett. Schon der Anfang des israelischen Dramas "Foxtrot" macht deutlich: Dieser Film setzt auf große Gefühle, Bilder wie Gemälde und Musik, die überrascht. Er erzählt die Geschichte der Feldmans, die um den toten Jonathan trauern.

Der preisgekrönte Film löste allerdings auch eine politische Kontroverse aus. Die stark rechtsorientierte Kulturministerin Miri Regev sagte, "Foxtrot" beschädige das Ansehen der israelischen Armee. Denn in einer Schlüsselszene kehrt das Militär die Tötung von vier arabisch aussehenden jungen Menschen unter den Teppich. Der Vorgesetzte sagt zu den verantwortlichen Soldaten: "Meines Erachtens haben Sie nur die Anweisungen befolgt. Aber Krieg ist nun mal Krieg."

"Foxtrot" erhielt beim Filmfestival von Venedig den Großen Preis der Jury und war im Rennen um den Oscar für den besten ausländischen Film. Nach der Auszeichnung in Venedig sagte Regisseur Samuel Maoz: "Wenn ich den Ort kritisiere, an dem ich lebe, tue ich das, weil ich besorgt bin. Ich tue es, weil ich ihn beschützen will."

Dabei zeigt Maoz, wie trist das Leben auf dem abgelegenen Militärstützpunkt ist, wie deprimierend die Kontrollen der vorbeifahrenden arabischen Menschen sind. Die Überprüfungen wirken überflüssig, gewollt, triezend. Der Film bietet allerdings keine Einordnung in den jahrzehntelangen Nahost-Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Er erwähnt nicht die oft tödlichen Anschläge und Angriffe von Palästinensern auf Israelis.

Optisch und emotional jedoch nimmt Maoz die Zuschauer gefangen: Er zeigt das Geschehen manchmal in extremer Nahaufnahme. Als ein Soldat etwa Michaels Feldmans (stark: Lior Ashkenazi) Verfassung kontrolliert, zeigt die Leinwand nur noch das Auge des Vaters, vor dem ein Finger von rechts nach links wandert. Oder die Kamera filmt von oben: Michael - grauschwarze Haare, weißes Hemd, Anzughose - sitzt wieder allein auf einem Stuhl auf dem Weiß und Grau gekachelten Boden, neben sich auf dem runden Tisch ein Laptop, dessen Bildschirm bläulich leuchtet. Eine Aufnahme wie ein Kunstwerk.

Der Regisseur setzt zudem unter anderem getragene klassische sowie Tanzmusik gezielt ein, um Stimmungskontraste zu unterstreichen. So trifft Michael im Altenheim bei seiner kranken Mutter auf einige Paare, die beim Gesellschaftstanz zu lateinamerikanischer Musik die Hüften schwingen.

Dabei zieht Maoz Symbolik konkreter Kritik an der Situation vor. Der Container, in dem Jonathan und seine Kameraden leben, versinkt während ihres Dienstes langsam im Dreck. Jeden Tag ein bisschen schiefer liegt der Blechkasten in der weichen Erde. "Am Ende versinken wir ganz", unkt ein Kamerad von Jonathan. "Wenn's passiert, geht das ganz schnell."

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