Kinofilm über Peggy Guggenheim Böse Jungs und Meisterwerke

Neu im Kino: Die Dokumentation „Peggy Guggenheim – Ein Leben für die Kunst“ zeichnet das Porträt einer komplexen Persönlichkeit. Guggenheim wird sichtbar als Exzentrikerin, als emanzipierte Frau und obsessive Sammlerin.

 Das undatierte Archivbild zeigt die US-amerikanische Kunstmäzenin und -sammlerin Peggy Guggenheim auf einem Himmelbett im Schlafzimmer ihres Hauses in Venedig.

Das undatierte Archivbild zeigt die US-amerikanische Kunstmäzenin und -sammlerin Peggy Guggenheim auf einem Himmelbett im Schlafzimmer ihres Hauses in Venedig.

Foto: picture-alliance / dpa

Der Originaltitel von Lisa Immordino Vreelands Dokumentation kommt sofort auf den Punkt: „Peggy Guggenheim: Art Addict“. Die Beziehung der amerikanischen Kunstsammlerin, Galeriebesitzerin und Museumsgründerin (1898-1979) zur Kunst hatte Züge einer Sucht. Die Kunst, sagte Guggenheim rückblickend, war „das Wichtigste in meinem Leben“. Wichtiger als die vielen Künstler, deren Bekanntschaft sie machte und mit denen sie schlief. Wichtiger wahrscheinlich auch als ihre Ehen mit Laurence Vail und Max Ernst und als die beiden Kinder, Tochter Pegeen und Sohn Sindbad. Die 1925 geborene Pegeen Vail Guggenheim starb 1967 an den Folgen einer Medikamenten-Überdosis.

Lisa Immordino Vreelands Film „Peggy Guggenheim – Ein Leben für die Kunst“ kann auf einen Schatz zurückgreifen: bisher unveröffentlichte Tonaufnahmen von Interviews, die Jacqueline Bogard Weld in den Jahren 1978 und 1979 mit Guggenheim führte. Ihre Reaktionen auf die präzisen, bisweilen provozierenden Fragen liefern die zentrale Tonspur der Dokumentation.

Darüber legt Vreeland eine Collage aus Filmausschnitten, Fotos, Grafiken, Texten und munterer Musik von Steven Argila. Picasso-Biograf John Richards kommt ausführlich zu Wort, ebenso der legendäre Kunsthändler Larry Gagosian. Zahlreiche Meisterwerke der Moderne ruft der Film bildlich auf, manchmal droht die Hauptdarstellerin dahinter zu verschwinden.

Die Regisseurin verdankt Jacqueline Bogard Weld und deren Buch „Peggy: The Wayward Guggenheim“ viel. Das biografische Material erlaubt Lisa Immordino Vreeland, ihre Geschichte wie die Kapitel eines Buches zu strukturieren: von den Anfängen in New York bis zum Tod Guggenheims 1979 in Italien. Die Welt der Guggenheims, die es in Amerika zu sagenhaftem Reichtum brachten, wird in Schwarz-Weiß-Bildern gespiegelt. Peggys Vater Benjamin Guggenheim ging 1912 mit der Titanic unter, da war sie 13.

Es brauchte einige Jahre, bis sie sich mit 21 als Enfant terrible, als schwarzes Schaf der Familie profilierte; Paris war der perfekte Ort dafür. Guggenheim erfand sich selbst, ein kühner Schöpfungsakt. Sie wählte Bohème statt Großbürgertum und definierte sich als Person durch die Kunst – und Künstler – der Moderne. Guggenheim war die erste bedeutende Sammlerin der Werke Jackson Pollocks.

Zum Charme der Dokumentation gehören intime Details, die Guggenheim mit lässiger Nonchalance offenbart. Mit 23 sei sie entjungfert worden, an rund sieben Abtreibungen kann sie sich erinnern.

Ihre große Liebe, den britischen Literaturkritiker John Holms, verlor sie früh; er starb 1934. Die Zahl der Lover danach war Legion. „Sie stand auf die bösen Jungs“, heißt es einmal.

Ein formales Studium musste Guggenheim nicht absolvieren, sie konnte auf Männer wie Marcel Duchamp („Er war mein größter Lehrer“) zurückgreifen. Mit Geschick, Geschmack und Intuition erwarb sie eine der spektakulärsten Sammlungen moderner Kunst. In London, New York und Venedig fand sie Orte, um die Werke auszustellen.

Enttäuschungen blieben ihr nicht erspart. Die Frau, die vielen Menschen half, wurde oft ausgenutzt. Dem Alter konnte sie nichts abgewinnen: „Alt werden ist schrecklich.“

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