An jedem verdammten Sonntag

Es gebe eigentlich nichts Besseres, hat der amerikanische Filmemacher Oliver Stone bei Gelegenheit bemerkt, "als ein gutes Buch zu lesen oder der Musik von Ludwig van Beethoven zu lauschen".

Das sagt ein Mann, der in seiner künstlerischen Karriere "Natural Born Killers" hat Amok laufen lassen und zuletzt, 1997, Sean Penn in "U-Turn - Kein Weg zurück" in ein trostloses Kaff entsandte, wo er in der Rolle des Bobby Cooper zunächst die schöne Jennifer Lopez fand - und zuletzt einen ganz furchtbaren Tod.

Ein Mann der leisen Töne ist Stone nie gewesen, dafür ein Erfinder kühner, überwältigender, bisweilen gewalttätiger Effekte, deren suggestiver Kraft sich kein Zuschauer entziehen kann: Oliver Stone ist der Meistermanipulator des amerikanischen Kinos.

Mit seinem Film "Any Given Sunday - An jedem verdammten Sonntag" hat nicht ein Regisseur sein Thema gefunden, sondern das Thema ihn. Hier steckt Gewalt in jeder Szene, Sport ist Mord und die Mannschaft eine Kompanie. Kurz gesagt: Es geht um American Football.

Und die Hölle bricht los. Kraft, Gewalt und Tempo stecken in den Bildern des Films, die förmlich zu explodieren scheinen. Wenn die Athleten aufeinander losgehen, hört es sich an, als würden Schädel gespalten; das ist kein Kino für Warmduscher.

Der Regisseur zwingt dem Publikum das leidenschaftliche Interesse an einem Sport auf, dessen Praxis sich dem Verständnis weitgehend entzieht. Wer kennt schon "60 Comanche Right" oder "Regular 22 Fox"?

Stone tut für den American Football, was Martin Scorsese einst mit "Raging Bull" für das Boxen getan hat: Er liefert den definitiven Film zur Sportart; jetzt ist - zumindest von Seiten des Kinos - alles zum Thema gesagt.

Der Filmemacher, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, den Zustand amerikanischer Mythen zu überprüfen, erzählt von den Eigenheiten des Sports und von den Mechanismen des Sportbetriebs, in dem Werte wie Teamgeist und Kameradschaft nur mehr rhetorisch aufgerufen werden.

Im Zentrum des Films steht jedoch ein bedeutenderes Thema. "Any Given Sunday" ist die Geschichte eines alternden Mannes in der Krise. Tony D''Amato, den Al Pacino fulminant wie immer verkörpert, ist der Coach der Miami Sharks, ein Team so glamourös wie Borussia Dortmund in diesen Tagen.

Im Football entdeckt der Trainer jene Stringenz und Überschaubarkeit, die ihm das Leben verweigert. Sport, behauptet er mit fast schon religiöser Inbrunst, sei "unbefleckt". Ganz anders das Leben: "Life is fucked."

Die Gültigkeit dieser These erfährt der geschiedene D''Amato am eigenen Leib. Die neue Zeit - für sie steht Cameron Diaz als eiskalte, kommerzgeile Clubchefin - degradiert alte Kämpen wie ihn zu Auslaufmodellen.

Doch Totgesagte leben länger. Es ist faszinierend anzusehen, wie Pacino seine matten Soldaten ("Kniet euch nieder!") in einer Kabinen-Rede aufbaut, die nur von Shakespeares Heinrich V. übertroffen wird, wenn er sein Heer auf den Kampf gegen die Franzosen einschwört.

Kaum vorstellbar, dass ein Übungsleiter wie Ottmar Hitzfeld sich jemals zu einer solchen manipulatorischen Attacke aufraffen könnte: Loddar, stell dir vor, es ist Krieg.

(Film-Kritik aus dem General-Anzeiger)

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