Serienkritik vom Film Festival Cologne „Babylon Berlin“: Mehr als nur ein spannendes Krimidrama

Köln · „Babylon Berlin“ bietet neben einem spannenden Krimi auch ein facettenreiches Porträt von Berlin, das sich 1929 im Wandel befindet. Auf dem Film Festival Cologne sprachen die Regisseure zudem über die Produktion und Parallelen zur heutigen Zeit.

Viel wird über die deutsche Serienlandschaft gemeckert. Immer das Gleiche, immer nur Tatort, nie mal eine innovative Geschichte, andere europäische Länder sind da deutlich weiter, heißt es da. Doch schon Formate wie „Weinberg“ oder auch „4 Blocks“ beweisen das Gegenteil. Das Problem: Sie sind dem breiten Publikum kaum bekannt. Nun – „endlich!“ dürften einige sagen – erscheint eine Produktion, die die nötige Aufmerksamkeit bekommen dürfte: das fast 40 Millionen Euro teure Mammutprojekt „Babylon Berlin“.

Die Serie geht zurück in das Berlin im Jahr 1929. Die Stadt ist kurz vor den Demonstrationen zum 1. Mai in Aufruhr, als der Polizeikommissar Gereon Rath von Köln nach Berlin versetzt wird. Der Grund: Er soll mit seinem Berliner Partner Bruno Wolter den Fall um einen von der Berliner Mafia geführten Pornoring lösen.

Bei seinen Ermittlungen stößt er auf ein zerkratztes Foto, was ihn wieder auf eine neue Spur bringt. Ausgehend von den Ermittlungen um einen Pornoring und einer Erpressung zieht die Geschichte nach und nach weitere Kreise. Bei seiner Arbeit trifft Gereon auf die junge Berlinerin Charlotte Ritter, die als Stenotypistin bei der Polizei das Geld für ihre arme Familie verdient und die ihn bei seinen Ermittlungen unterstützt.

"Eine Gesellschaft in einer experimentellen Phase"

Die Regisseure Tom Tykwer, Achim von Borries und Henk Handloegten, die auch für das Drehbuch verantwortlich sind, zeigen in ihrer Serie nicht nur einen Kriminalfall, sondern erzählen von einer Metropole während der Weimarer Republik im radikalen Wandel. Die Demokratie muss sich finden, ist gleichzeitig aber schon wieder gefährdet. „Es ist eine Gesellschaft in einer experimentellen Phase“, sagte Tykwer auf dem Film Festival Cologne. Berlin ist zu der Zeit auf der einen Seite eine Stadt voller Kreativität und Energie, auf der anderen Seite herrscht aber auch Armut und Arbeitslosigkeit.

Rund zweieinhalb Jahre lang wurde recherchiert und geschrieben, ein weiteres Jahr gedreht und fast noch einmal ein Jahr geschnitten. Seit mehr als vier Jahren arbeiten Tykwer, von Borries und Handloegten somit an der Umsetzung, wie sie auf dem Festival berichteten. Als Grundlage diente der Kriminalroman „Der nasse Fisch“ von Volker Kutscher.

Spannende Figuren mit Problemen

In diese Zeit des Wandels schrieben die Verantwortlichen vielschichtige Figuren. Gereon Rath kämpft beispielsweise mit den traumatischen Erlebnissen aus dem Ersten Weltkrieg und ist dabei auf Medikamente angewiesen. Hinter der fröhlichen Fassade von Charlotte Ritter steckt eine junge Frau, die neben den Aushilfsjobs bei der Polizei am Abend durch den Club Moka Efti zieht und sich als Gelegenheitsprostituierte weiteres Geld dazu verdient.

Jeder hat seine Probleme und seine Hintergründe, die auch nach sechs Folgen noch lange nicht auserzählt scheinen. Jeder der Hauptfiguren hat seine Absichten und Ziele und tut fast alles, um diese zu erreichen. Es werden Deals ausgehandelt, Wissen ausgetauscht und Informationen vertuscht – auch zwischen Gereon Rath, Charlotte Ritter und Bruno Wolter, ohne dass der jeweils Dritte davon etwas weiß.

Parallelen zur heutigen Zeit?

Es ist eine in jeder Hinsicht komplexe Angelegenheit, der sich die Verantwortlichen da gewidmet haben. Das zeigen allein schon die ersten sechs Folgen, die vorab auf dem Filmfestival gezeigt wurden, und in denen die Macher ein feines Gespür für die Zeit beweisen. Die Unruhen von rechts und von links, die Armut in der Gesellschaft und ein Staat, der versucht, mit Polizeigewalt und Verboten die Lage in den Griff zu bekommen.

Die Anzeichen für die nahenden Entwicklungen sind zwar da und bedrohen die Republik. Doch die Serie möchte keine Lehrstunde erteilen und tut dies auch nicht. Was die Serie stattdessen beeindruckend macht, ist, ein Gefühl der Verunsicherung zu vermitteln, das in Berlin im Mai 1929 herrschte. Ein Gefühl, das auch heute zutrifft?

Schon oft wurden die Regisseure schon auf die Parallelen zwischen Stimmungen im Jahr 1929 mit denen im Jahr 2017 angesprochen, sagen sie. Zu vergleichen sei diese Zeit mit der heutigen jedoch nicht, antworten sie darauf. Doch Themen, die in der Weimarer Republik herrschten, seien auch heute wieder aktuell, findet Achim von Borries, der dann nachdenklich anfügt: „Ich glaube an diese Demokratie. Doch das haben die Menschen 1929 wahrscheinlich auch.“

Erst auf Sky, dann im Netz, dann in der ARD

„Babylon Berlin“ erzählt nicht nur eine facettenreiche Kriminalgeschichte, die großartig besetzt, spannend geschrieben, ästhetisch herausragend gestaltet und toll ausgestattet, sondern auch thematisch breit gefächert ist und die Stimmung in einer Stadt im Wandel perfekt einfängt.

Die ersten 16 Episoden von „Babylon Berlin“ sind ab Freitag, 13. Oktober, um 20.15 Uhr wöchentlich in Doppelfolgen bei Sky zu sehen. Ende 2018 soll die Serie dann in der ARD laufen, zuvor soll sie bereits in der Mediathek des Senders abrufbar sein. Ein genauer Termin ist noch nicht bekannt.

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