Nichts Neues unter der Talkshow-Sonne Maischberger lädt Schweizer Klimaleugner ein und vergeigt eine Chance

Berlin · Zum Thema „Kippt das Klima?“ lud ARD-Talkmasterin Sandra Maischberger in ihre Sendung auch den schweizer Klimaskeptiker Axel Reichmuth ein. Dieser nutzte seinen Auftritt zur Darlegung seiner umstrittenen Thesen. Eine Nachbetrachtung von unserem Redakteur Wolfgang Wiedlich.

Von 1990 bis 1999 lief im privaten Fernsehen auf SAT.1 sonntags das Format „Talk im Turm“, und wenn der Zuschauer sich danach Richtung Bett bewegte, hatte er das Gefühl, wieder etwas gelernt zu haben. Das lag an den geladenen Gästen: meist echte Experten zu einem Thema, die kontrovers und fachkundig stritten, und ab und an auch ein Politiker.

In den Talkshows der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ARD und ZDF läuft es genau umgekehrt: meist Politiker, selten Fachkundige. Das liegt vermutlich daran, dass die Aufsichtsgremien besetzt sind, wie sie besetzt sind: mit Vertretern politischer Parteien. Deshalb herrscht bei Sandra Maischberger (ARD) oder Maybrit Illner (ZDF) auch immer latent Wahlkampf und wird der Zuschauer mit parteipolitischem Hickhack gefoltert – und gelangweilt.

Nach dem nun auch der letzte Tropfen aus den sich ständig wiederholenden Thema-Schwämmen „Trump“, „Erdogan“ und „Afd“ herausgepresst war und bald der Riesenschwamm „Jamaica“ droht, hatte Maischberger am Mittwochabend „Kippt das Klima?“ als Thema aufgelegt. Es genießt bei den Parteien offenbar niedrige Priorität. Wahrscheinlich hatten Minister oder Parteivorsitzende dankend abgewinkt, zumal es der Tag war, an dem die Noch-Bundesregierung eingestand, dass das Land seine Klimaschutzziele verfehlt.

So wurde eine Gästeschar zusammengerührt, die einen gewissen Klamauk versprach: Dorothee Bär, eine Staatssekretärin (CSU) aus dem bayerischen Verkehrsministerium, die scheidende Bundestagsabgeordnete Bärbel Höhn (Grüne), dazu „Wetter-Kachelmann“, mit Journalist Axel Reichmuth ein bekennender Klimaskeptiker und mit Professor Hans Joachim Schellnhuber wenigstens ein Klimaforscher, der etwas zum Thema sagen konnte, hätte sagen können, wenn er denn gelassen worden wäre.

Damit hatte Maischberger die Weichen auf Stammtisch gestellt. Immerhin überraschte die CSU-Dame: „Glaube nicht, dass wir Menschen schuld sind“ – an der globalen Erwärmung. Denkbar, dass sie bereits in geheimer Mission unterwegs war, um abtrünnige CSU-Wähler wieder von der AfD zurückzuerobern. Denn die „glaubt“ das auch nicht.

Überhaupt war viel von Glauben und weniger von Wissen die Rede, als gäbe es keinen wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt und -konsens. Das lag freilich auch an der Moderatorin, für die Wetter und Klima irgendwie Dasselbe sind. Und wenn Schellnhuber einmal zu Wort kam, konnte er seine Ausflüge in die Physik meist nicht beenden, weil sein Sesselnachbar, der Sektierer aus der Schweiz und der Gast mit der längsten Redezeit, ihn ständig unterbrach. Einmal zückte er gar eine Broschüre der „Zeugen Jehovas“ – nichts anderes seien Klimaforscher, die alles „türken“.

So wurde es eine für die ARD beschämende Quasselrunde zu einer zentralen Weltfrage, in der sich auch das Partei-Klein-Klein austoben durfte. Allein die Einladung an Reichmuth zeigt, worum es eigentlich geht: Um programmierten Krawall, kaum um Information und schon gar nicht um den ARD-Bildungsauftrag. Fazit: Nichts Neues unter der Sonne. Armer Schellnhuber, arme Zuschauer. Kein TV-Zuschauer ging klüger ins Bett.

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