Flüchtlingshilfe in Hennef "Und dann standen elf Leute da"

HENNEF · Worauf er sich genau einlässt, das ist Rudolf Hielscher aus Hennef noch vor knapp einem Jahr nicht bewusst. Er weiß nur, er will helfen. Deshalb bringt Hielscher im Oktober zwei syrische Familien in Uckerath unter.

"Die Wohnung über der Metzgerei war gerade frei geworden, mein Schwiegersohn hat sie der Stadt angeboten", erzählt der ehemalige Mitinhaber der Metzgerei Hielscher. Auf einmal geht alles ganz schnell: Das Sozialamt der Stadt meldet sich. "Und dann standen elf Leute da", erinnert sich der 76-Jährige.

Er kann nachvollziehen, wie es ihnen gehen muss: Als er sieben ist, wird seine Familie aus Schlesien vertrieben. "Das ist hängen geblieben", sagt er. Seit Oktober kümmert er sich nun um die Familien. "Es ist alles sehr positiv gelaufen. Auch mit den Behörden", sagt er mit Nachdruck. Und zu den Familien ist eine Freundschaft entstanden.

Die zwei Brüder, ihre Frauen und insgesamt sieben Kinder sind bei ihrer Ankunft völlig erschöpft, berichten nach und nach von einer monatelangen Odyssee und vier Tagen ohne Trinkwasser auf dem Meer. Hielscher und seine Frau Margarete (73) organisieren Busfahrpläne, Arztbesuche, Internet, Kita und Schule.

"Der Lohn für alles sind die glänzenden Augen der Kinder"
Rudolf Hielscher, Rentner aus Hennef

Sie holen alte Töpfe aus dem Keller, suchen Kinderbettchen und Besteck heraus. "Sie hatten ja nur eine Notausrüstung", erzählt der 76-Jährige. Nachbarn und Freunde packen mit an, bringen Kleidung und Möbel.

Hielscher ist Vermittler und Fahrer; zur Seite steht ihm eine ehemalige Angestellte, die selbst 1998 aus Aleppo in Syrien nach Deutschland kam. Denn die Familien sprechen kein Deutsch, er kein Arabisch. "Deshalb sind Sprachkurse vom ersten Tag an so wichtig", sagt Hielscher. "Vielleicht auch über Kooperationen mit den Unis." Seitenweise Anträge hat der 76-Jährige seither ausgefüllt. Noch immer fährt er die Familie zu Arztterminen oder ins Jobcenter. Ein bis zweimal die Woche besucht er sie, über Telefon stehen sie in Kontakt.

Hielschers hoffen, dass noch mehr Menschen helfen - für die Flüchtlinge, die alle noch kommen werden. Die Stadt Hennef hat genau deshalb eine Initiative unter dem Namen "Flüchtlinge in Familien" gestartet. Der Hintergrund: Die Stadt möchte die Flüchtlinge möglichst dezentral und nicht in einem großen Asylbewerberheim unterbringen.

Dafür ist sie auf die Hilfe der Bürger angewiesen. Am Dienstagabend gab es den ersten Infoabend. Dabei kamen so viele Hennefer, dass die Sitzplätze nicht ausreichten. "Die Resonanz war unglaublich positiv", sagt Stadtsprecher Dominique Müller-Grote. "Am Donnerstag sind schon fünf konkrete Angebote eingegangen."

Das Ehepaar Hielscher würde es immer wieder so machen - und stellt deshalb demnächst eine zweite Wohnung zur Verfügung. Der schönste Dank für sie: Wenn die Kinder ihnen selbstgemalte Bilder mit roten Herzchen schenken, die Hand drücken oder ein Küsschen geben. "Der Lohn für alles sind die glänzenden Augen der Kinder. Dann geht das Herz auf", sagt der 76-Jährige sichtlich berührt. "Dann kommen auch schon mal die Tränen."

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