Flüchtlinge beim Fußball in Mönchengladbach Selfies vor dem Borussia-Park

KÖNIGSWINTER · "Gladbach, Gladbach" hallt es durch den Bus. Den Borussia-Park vor Augen zeigen die überwiegend arabischstämmigen Männer und Frauen ihr ganzes Temperament. Sie kommen aus dem Irak, Afghanistan und Syrien, andere aus Guinea und Nigeria. Ihre gemeinsame neue Heimat ist Königswinter. 54 Flüchtlinge sahen am Samstag auf Einladung der Postbank das Bundesligaheimspiel von Borussia Mönchengladbach gegen den FC Ingolstadt im Stadion.

 Stolz präsentieren die Flüchtlinge vor dem Gladbacher Stadion ihre Borussia-Schals.

Stolz präsentieren die Flüchtlinge vor dem Gladbacher Stadion ihre Borussia-Schals.

Foto: Daniel Dresen

"Über die beiden Vereine weiß ich nur sehr wenig, weil ich erst seit zwei Monaten in Deutschland bin und vorher noch nie von ihnen gehört habe. Aber die Mannschaften, die in der 1. Liga spielen, sind die stärksten. Von daher wird es interessant sein, ihnen zuzuschauen", sagt Kamal Kaskas (42) auf Englisch. Der Syrer arbeitete vor seiner Flucht im Bauingenieurswesen. "Ich erwarte ein interessantes Spiel. Das Ergebnis ist mir egal." Er unterstütze Mönchengladbach und tippe auf ein 2:0. "Fußball bedeutet für mich zusammen Spaß haben und Teamwork. Einer für alle, alle für einen."

Diese Einstellung hat Silke Lohr auch verinnerlicht. Sie ist Leiterin der Verwaltungsabteilung Sozialhilfe und Asyl der Stadt Königswinter. Seit 24 Jahren arbeitet sie mit Flüchtlingen zusammen. Unterstützt von Sozialarbeiterin Sibylle Götz und Asylsachbearbeiterin Carolin Demmer, begleitet Lohr die Menschen auf dem Ausflug an den Niederrhein. "Ich habe die Personen ausgesucht, die zurzeit in einer Turnhalle in Königswinter untergebracht sind und keinen Fernseher haben. Damit sie dort nicht den Kollaps kriegen."

Vor der Flüchtlingsunterkunft in Sandscheid zählt Lohr die Teilnehmer noch mal nach, bevor sie in den Bus einsteigen. "Wir sprechen Englisch oder wie ich sage 'Denglisch'". Oft sieht man aber bereits anhand der Gestik, was sie möchten", sagt sie. Das geordnete Aufstellen in einer Schlange fällt den Männern noch schwer. Lohr muss mehrmals mit dem Zählen ansetzen. Der Ausflug erinnert an eine Klassenfahrt. Im Bus werden Trinkpäckchen, Waffeln und Schokoriegel verteilt. Die ersten Selfies werden geschossen.

Nach Anfahrt der Flüchtlingsunterkunft in Oberpleis fährt der Bus zügig nach Mönchengladbach. Zu arabischer Musik aus dem Smartphone wird geklatscht und gesungen. "In Syrien ist es wie in allen Ländern. Fußball ist das Spiel. In jeder Ecke sieht man Kinder Fußball spielen - auf dem Schulhof oder in den Innenhöfen der Städte. Besonders die Jungs", erzählt Kaskas.

Alternative zum langweiligen Alltag

Die erwartungsfrohen Augen der Teilnehmer verraten viel über deren Gemütszustand. Ein Flüchtling, der nicht erkannt werden möchte, sagt, er sei sehr glücklich, weil der Besuch des Fußballspiels eine Alternative zum langweiligen Alltag sei.

Bevor sie den Bus verlassen, müssen sie jedoch eine kleine Enttäuschung hinnehmen: Die Selfie-Sticks müssen aus Sicherheitsgründen im Bus bleiben. Auf dem Parkplatz angekommen, bekommen die Besucher zur Begrüßung noch einen grünen Gladbach-Schal überreicht. Mit ihrem Geschenk um den Hals ist der Borussia-Park ein beliebtes Hintergrundmotiv.

Die Flüchtlinge zücken erneut mit Begeisterung ihre Handykameras. "Und wir schwören Stein und Bein auf die Elf vom Niederrhein", dröhnt es durch die Lautsprecher und die Mehrheit der 52.331 Zuschauer singt enthusiastisch mit.

Kurz vor 15.30 Uhr wirbeln auch die Königswinterer Gäste ihre Schals durch die Luft und klatschen zum Rhythmus der Gladbach-Hymne. In der Startaufstellung der Gladbacher steht der gebürtige Syrer Mahmoud Dahoud (19), aktueller deutscher U20-Nationalspieler.

Die Begegnung im Borussia-Park endet 0:0. "Das Spiel war nicht gut. Es gab viele Fehlpässe", sagt Magd Hajjhajjar. Er war selber früher Spieler und Trainer der syrischen Spitzenmannschaft al Ittihad.

Nun ist er Trainer beim Bonner Club Rot-Weiß Lessenich. Trotz des Unentschiedens gehen die Königswinterer mit einem Lächeln zurück zum Bus. Als sie auf der Heimfahrt das Ortseingangsschild von Königswinter sehen, beginnen sie vor Freude laut zu singen.

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