Flüchtlinge in Morenhoven Ortsvereine müssen Dorfhaus räumen

SWISTTAL-MORENHOVEN · "Ich bitte Sie, heute und morgen im Dorfhaus gelagertes Eigentum aus den Räumlichkeiten zu entnehmen." Diese Mail der Beigeordneten und gewählten Swisttaler Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner haben die Morenhovener Ortsvereine am Freitagnachmittag um 14.30 Uhr erhalten. Nach einer ersten Mail des Ortsvorstehers Rainer Zavelberg um 11.36 Uhr.

Hintergrund: die am gleichen Vormittag bei der Gemeindeverwaltung eingetroffene Mitteilung der Bezirksregierung Köln, wonach die Gemeinde Aufnahmestelle für Flüchtlinge wird und Notunterkünfte bereitstellen muss.

Schon im Laufe dieser Woche sollen Swisttal mindestens weitere 70 Flüchtlinge und Asylbewerber zugewiesen werden, und die Kapazitäten in den bestehenden Unterkünften seien erschöpft, so die Gemeinden. Das Bürgerhaus sei prädestiniert, weil es über die entsprechende Infrastruktur verfüge wie beispielsweise Sanitäranlagen.

Ganze eineinhalb Tage Zeit also für die Nutzer des Bürgerhauses der rund 1700 Einwohner zählenden Ortschaft, ihr Material und Eigentum aus dem Bürgerhaus zu räumen und kurzfristig andere Unterstell- und Lagermöglichkeiten in Privathäusern, Garagen, Scheunen zu suchen.

"Stinksauer" bei Räumung

Aktive der Ortsvereine Damenkomitee und dessen Tanzgruppen, Sportverein SV Swisttal, Swistbachkapell, Junggesellenverein, Schießsportverein, TC Kottenforst und Arbeiterwohlfahrt (Awo) wurden von der Nachricht völlig überrascht und waren bei der Räumung am Samstag "stinksauer". Äußerungen wie "eine Frechheit und Unverschämtheit, wie die Gemeinde mit den Bürgern umgeht" wurden vielfach laut.

"Information und Transparenz, das ist das große Thema. Mich stört am meisten, dass keiner hier ist von der Gemeinde", sagte Ortsvorsteher Rainer Zavelberg. Das sah der Ortsausschuss-Vorsitzende Norbert Sauren genauso, wie er später auch den Vereinen in einer Mail schrieb: "Dass wir jetzt quasi 'zwangsgeräumt' werden, finde ich ziemlich heftig. Von dieser Maßnahme wurde weder unser Ortsvorsteher noch ich informiert. Und auch unsere beiden Ratsherren waren nicht eingebunden. Wie gesagt, ich bin sprachlos, denn diese Art des Umgangs mit Mandatsträgern und ehrenamtlich Tätigen finde ich bedenklich, insbesondere, wenn man stehenden Fußes von den gleichen Personen Engagement zur Überwindung dieser Krise einfordert."

Auch die direkte Anwohnerin Karin Herrmanns beklagte nicht erfolgte Information der Anwohner und äußerte konkrete Ängste unter anderem hinsichtlich Sicherheit.

Wichtig war den Vereinen, Ortsausschuss und Ortsvorsteher, ihren Ärger nicht auf die Flüchtlinge und Asylbewerber zu beziehen. "Die Leute, die kommen, können ja nichts dafür", wie Bärbel Zimmer vom Damenkomitee Rotkehlchen sagte. Ihren Ärger bezog sie ausschließlich auf die Gemeindeverwaltung mit der kurzfristigen Benachrichtigung und Fristsetzung für die Räumung sowie die Tatsache, dass niemand von der Verwaltung vor Ort erschienen war: "Wenn wir so arbeiten würden wie die bei der Gemeinde, dann wären wir schon längst rausgeworfen worden."

"Unser Dorfleben ist vorbei"

Vereinskollegin Angelika Mulsow befürchtete: "Unser Dorfleben ist vorbei." Auch Joachim Lyhme, zweiter Schriftführer der Schießsportfreunde, nahm die Flüchtlinge ausdrücklich aus seiner Verärgerung aus: "Dass das jetzt eine Notsituation ist, ist uns allen klar. Was mich einfach aufregt, ist diese verfluchte Organisation." Er stand vor dem Problem, dass er für "scharfe Waffen", die in einem gesicherten Safe im Schießstand im Kellergeschoss aufbewahrt wurden, eine neue sichere Unterbringungsmöglichkeit suchen musste.

"Ich bin selbst kein Waffenscheininhaber. Ich habe jetzt Vereinskameraden angesprochen. Einer hat Platz, der nimmt die Waffen in seinen Schrank", sagte Lyhme. Dass der Schießstand im Keller des Bürgerhauses für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden könnte, bezweifelte Lyhme.

Tatsächlich ist die Nutzung der Kellerräume für die Flüchtlingsunterbringung nicht vorgesehen, sagte die Beigeordnete Petra Kalkbrenner dem GA auf Anfrage: "Das Dorfhaus wird nur ebenerdig genutzt und die Sanitärräume, die anderen Räumlichkeiten nicht."

Die Vereine könnten ihr Material im Keller lagern, wie auch die Gemeinde ihr Mobiliar. Die Gemeinde habe versucht frühzeitig zu informieren, so die künftige Swisttaler Bürgermeisterin, es solle eine Info-Veranstaltung in dieser Woche terminiert werden. Sie räumte ein, dass es "besser gewesen wären, wenn jemand von der Verwaltung vor Ort gewesen wäre".

Allerdings sei der für die Übergangsheime zuständige Hausmeister erkrankt und die Verwaltungsmitarbeiter "jetzt schon im Dauereinsatz".

Den Vereinen will die Verwaltung Alternativen anbieten. So soll heute geprüft werden, ob die Senioren für den Seniorentag mit von der Gemeinde angemieteten Bussen nach Buschhoven gefahren werden können. Laut dem Ortsausschuss-Vorsitzenden Sauren habe er bereits die Zusage, dort das katholische Pfarrheim nutzen zu können.

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