Flüchtlinge in Deutschland Kein Ost, kein West - ein Land

BERLIN · Hier der Osten. Da der Westen. So will Angela Merkel das Land, wenige Wochen vor dem Jubiläum zu 25 Jahren Deutsche Einheit, nicht aufgeteilt sehen. Natürlich nicht.

 Werbung für Mitgefühl mit den Flüchtlingen: Kanzlerin Angela Merkel in der Bundespressekonferenz.

Werbung für Mitgefühl mit den Flüchtlingen: Kanzlerin Angela Merkel in der Bundespressekonferenz.

Foto: AFP

Merkel mag eine solche Trennlinie nicht, auch wenn sie vor sechs Tagen bei ihrem Besuch im sächsischen Heidenau noch übel beschimpft worden ist. Okay, damit kann sie leben: "Es gehört dazu, dass man als Politiker auch beschimpft wird." Berufsrisiko gewissermaßen. Die Bundeskanzlerin spricht lieber über das ganze Land. Merkel verteidigt entschlossen: "Unser Land ist immer noch ein gutes Land. Es ist in guter Verfassung."

Aufschlag Merkel in der Sommerpressekonferenz der Bundeskanzlerin, die im Juli wegen der Abstimmung des Bundestages über die Aufnahme von Verhandlungen für ein drittes Griechenland-Hilfspaket verschoben worden war. Griechenland - auch so ein Mega-Thema, das die Menschen umtreibt. Aber längst haben die Folgen von Krieg und Bürgerkrieg in Syrien, Irak und Afghanistan ein neues Thema nach oben gespült: Zehntausende neue Flüchtlinge kommen jeden Monat nach Deutschland, wo in diesem Jahr insgesamt rund 800.000 erwartet werden - mit Folgen für Länder und Kommunen und die öffentlichen Finanzen. Merkel wendet den Flüchtlingsansturm ins Positive.

Ein Image-Problem, nach dem sie im Zusammenhang mit der Griechenland-Rettung gefragt wird, habe Deutschland nicht. "Die Welt sieht Deutschland als ein Land der Hoffnung und der Chancen. Und das war nun wirklich nicht immer so." Was immer bei Aufmärschen von Rechtsex-tremisten gerufen oder gegrölt worden sei, Merkel macht deutlich, es gebe "keine Toleranz gegenüber denen, die die Würde anderer Menschen in Frage stellen". Es gebe keinen Grund, auch keine Erklärung wegen einer bestimmten, ostdeutschen Biografie für verbale Entgleisungen oder gar Gewalt gegen "Menschen, die zu uns kommen". Ost oder West, egal. "Wir sind ein Land, seit 25 Jahren sind wir ein Land."

Jetzt, da Rechtsextremisten und andere Irrläufer gegen Flüchtlinge aufmarschierten, müsse das Land "Flagge zeigen, deutlich machen, worum es geht. "Deutschland ist ein starkes Land. (...) Wir haben so vieles geschafft, wir schaffen das", ruft Merkel als Botschaft in das Land, lobt Ehrenamtliche und Sozialverbände, plädiert dafür, bestimmte Regelungen für die schnelle Unterbringung der vielen Flüchtlinge großzügiger zu interpretieren. Brandschutz oder auch die Höhe von Geländern sollten jetzt weniger bürokratisch ausgelegt werden. "Deutsche Gründlichkeit ist super, aber es wird jetzt deutsche Flexibilität gebraucht."

Hatte Bundespräsident Joachim Gauck am Wochenende im GA-Interview für eine Neudefinition des Nationen-Begriffs in Deutschland geworben und dabei von einer "Gemeinschaft der Verschiedenen" gesprochen, so schließt sich Merkel indirekt an.

Deutschland habe sich immer wieder verändert, sagt Merkel und nennt dabei die Aufnahme von Gastarbeitern, später die Integration der Heimatvertriebenen oder auch den Wandel, dass der Islam mittlerweile zu Deutschland gehöre. "Diese Tendenz wird sich verstärken, dass wir Verschiedenheit haben", stützt Merkel Gaucks These.

Am Ende geht es noch um Merkel selbst. Was sie noch antreibt, in ihrer mittlerweile dritten Legislaturperiode? Es folgt eine echte Merkel-Erklärung, unprätentiös, knapp. "Ich fühle mich jeden Tag gefordert. (...) Es bereitet mir weiter Freude." Wahlkampf sei erst in zwei Jahren. Jetzt gehe es darum, anstehende Probleme zu lösen. Arbeiten eben. Merkel mag es so am liebsten.

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