Fit ins neue Jahr Wellness für Körper und Kopf
BAD KREUZNACH · Die Arbeitstage beginnen immer früher und enden immer später. Welche Farbe hat die Schreibtischunterlage? Unter Papier-, Aktenordner- und anderen Bergen ist sie längst nicht mehr zu sehen.
Der neue Kollege kann alles besser - meint jedenfalls der Chef. Und nach Feierabend erwartet einen der Partner mit vorwurfsvollem Blick, weil man schon wieder Überstunden geschoben hat: Wenn sich das Leben so beschreiben lässt, muss sich was ändern. Zwei Möglichkeiten fallen einem sofort ein: ein paar total entspannte Tage in einer Wellness-Oase, um die Anspannung wegmassieren zu lassen.
Oder: ein Besuch beim Therapeuten, um aus der Stressfalle herauszukommen. Das geht beides auch zusammen: "Mea Cura" heißt das Modellprojekt der Initiative Gesundheitstourismus Rheinland-Pfalz, mit dem die Landesregierung in Bad Kreuznach Heilbad-Angebote und Antistress-Coaching verbindet.
Den lateinischen Projektnamen "Mea Cura" könnte man mit "Ich mag" übersetzen - oder neudeutsch und facebook-inspiriert mit "Gefällt mir". Die rheinland-pfälzische Idee ist so sinnig, dass man sich fast wundert, warum sie erst vor zwei Jahren aufkam. Schließlich: Auch die tollste Massage löst am Ende nur die Muskelverspannung. Die Seele quält sich weiter mit negativen Stressgedanken, bis der Körper erneut die geistige Anspannung in körperliche Verhärtung umsetzt.
Aber können zwei Tage Heilbad, Wellness und Coaching tatsächlich eine spürbare Veränderung bewirken? "Auf jeden Fall", sagt Dr. Michael Vesper, Geschäftsführer von Gesundheit und Tourismus Bad Kreuznach GmbH. "Stressbewältigung fängt ja damit an, dass man sich den Stress bewusst macht, dass man ihn ernst nimmt und etwas dagegen unternehmen will." Klar ist: Wer bereits in einer tiefen Depression angekommen ist, der braucht mehr. "Mea Cura" ist perfekt als Präventionsmaßnahme, damit die Belastung nicht zur Depression wird.
Samstag, neun Uhr. "Cleopatra-Bad" heißt der erste Tagesordnungspunkt. Direkt neben dem Hotel befindet sich das Crucenia Gesundheitszentrum - nach dem lateinischen Namen Bad Kreuznachs. Stille erwartet einen. Und Yvette Hofmann. Die Mitarbeiterin im Gesundheitszentrum bettet einen in ein Wasserbett und umgibt einen mit ölgetränkten Vliesen, bis nur noch die Nase herausschaut.
Yvette Hofmann hat Lachfältchen, strahlt Wärme und Ruhe und Verständnis aus - und sie weiß wie alle Menschen, die man während des Antistress-Seminars hier trifft, worum es geht: "Einfach mal loslassen, das ist so wichtig! Die Erfahrung zeigt: Wenn der Körper sich entspannt, folgt ihm der Geist."
Dann verschwindet sie unhörbar, die Tür ist zu, das Fenster zeigt ein Stück winterlich-kargen Weinberg, von Zeit zu Zeit kreuzt ein Spaziergänger das Bild. Man guckt den überschaubaren Ausschnitt an, während der Körper warm und bewegungslos ist, man hört leise Musik, und als man mit der üblichen Konzentration, die einem auch der Job abverlangt, eine Bach-Sonate in den Klängen geortet hat, ist man schon fast eingeschlafen ...
Heilbad. Klingt irgendwie spießig, nach Kneipp, nicht nach Wellness. Im Heilbad Bad Kreuznach entdeckt man, dass an Heilen aber auch gar nichts Spießiges ist und dass die Erkenntnisse von früher auch im Heute gelten. "Mens sana in corpore sano" - in einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist, hat der Römer Juvenal vor fast 2000 Jahren gedichtet.
Fast 540 Jahre ist es her, dass in Bad Kreuznach salzhaltige Quellen entdeckt wurden. Vor 109 Jahren entdeckte ein Apotheker, dass im Kreuznacher Salz auch Radon enthalten ist - Bad Kreuznach wurde zum "Radiumheilbad", zur Hoffnungsadresse von Rheumakranken. Bis heute wird Rheuma hier mit Radon therapiert - und auch das Salz an sich zeigt Wirkung: Im Salinental gibt es Salzwasserfälle mit einer Gesamtlänge von einem Kilometer, das Salz speist die Luft, und wer im Salinental spaziert, der meint, am Meer zu sein.
Das alles und noch viel mehr erzählt Jens Werner. Der Diplom-Sportwissenschaftler ist Anti-Stress-Coach und füllt diesen Titel auf erfrischend unspektakuläre und überraschend nachhaltige Weise mit Inhalt. Antistress-Training mit Jens Werner, das kann ein Spaziergang durch salzhaltige Luft sein, ebenso ein Milchkaffee oder auch zwei im Hotel.
Dabei wird gesprochen. Über Salz, über Sport. Und über Stress. Jens Werner erzählt von anderen Menschen, und das "Bei mir ist das anders" oder "Bei mir ist das genauso" wird zur Ouvertüre fürs persönliche Coaching.
Dabei taucht von Zeit zu Zeit noch eine andere Person auf: das Würmli, erfunden von der Schweizer Psychotherapeutin Maja Storch. Sie entwickelte mit Frank Krause das Zürcher Ressourcen Modell. Das Würmli steht fürs Unbewusste, wenn man es - so Werner via Storch - beim Handeln mit beachtet, stimmt die innere Motivation und man erreicht seine Ziele leichter (siehe Artikel rechts).
Werner wurde ebenso wie die anderen Coaches gezielt für das Bad Kreuznacher Mea-Cura-Projekt geschult. Es wird wissenschaftlich begleitet von der Universität Trier und dem Institut für Personal- und Gesundheitsentwicklung Mainz (IPGE). Mal hat es Werner mit einzelnen Menschen zu tun, mal mit Mitarbeitergruppen von Firmen jeglicher Couleur - Mea Cura wurde in den ersten zwei Jahren ausschließlich von Firmen genutzt, die in die Gesundheit ihrer Mitarbeiter investieren wollen.
Wer Mea Cura privat bucht, der hat ein bisschen das Gefühl, mit Werner einfach nur zum Kaffeetrinken verabredet zu sein. Ein gutes Gefühl, das Patient-Gefühl fehlt, man erzählt offen, hört entspannt zu. Entspannt auch, weil zum Beispiel vor dem Coaching ein Besuch des Bäderhauses lag und man auf mehr als 4000 Quadratmetern Sauna- und Wellnesskultur entdecken konnte.
"Es ist eine Mischung aus Urlaub und Beratung", so hat Vesper vom Touristikamt Bad Kreuznach Mea Cura beschrieben. Am Ende des Wochenendes ist die Haut weicher. Und der Blick fürs persönliche Stressmanagement geschärft.
Weitere Infos zu "Mea Cura" in Bad Kreuznach im Internet unter www.stress-helfer.de.
