Nach Conchita-Sieg Szene hofft auf "Egal-Effekt"

WIEN · Der Sieg von Conchita Wurst ist mit reichlich Botschaft aufgeladen. Taugt der Triumph für eine neue Lässigkeit im Umgang mit sexueller Orientierung?

"Österreich ist toleranter geworden heute Abend", sagt ORF-Intendant Alexander Wrabetz nach dem ESC von Kopenhagen. Der Sender hatte im Alleingang ohne Publikumsvotum Conchita Wurst ins Rennen geschickt und mit der Kunstfigur die Sensation geschafft. Ob der Sieg des schwulen Frauendarstellers Tom Neuwirth beim Eurovision Song Contest (ESC) Bewegung in die Köpfe bringt, bleibt abzuwarten.

"Es ist im Prinzip sehr positiv", ist der Generalsekretär des Verbands "Homosexuelle Initiative Wien", Kurt Krickler, überzeugt. "Aber viele werden auch ihre Vorurteile behalten wollen." Fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung sind - wie überall - homosexuell. Das katholisch geprägte Österreich habe kein spezielles Problem mit Lesben und Schwulen, sagt Krickler. Allerdings gebe es nach wie vor beim Thema Transsexualität, wie auch in vielen anderen Staaten Europas, sehr ärgerliche Beschränkungen, meint eine Sprecherin der Organisation "TransX".

Schon der erste Schritt zu einer neuen Identität, die Wahl eines neues weiblichen oder männlichen Vornamens, sei von einem oft aufwendigen Gutachten über die Ernsthaftigkeit der sexuellen Neuorientierung verbunden. "In Großbritannien dagegen ist man dagegen liberal, da ist die Wahl des Vornamens reine Privatsache", sagt die Sprecherin weiter. "Niemand muss uns lieben oder toll finden", drückt es Krickler aus. Schon ein "Egal-Effekt" ohne Wertung über sexuelle Orientierung wäre fein.

[kein Linktext vorhanden]Der Weg zum ESC-Triumph war für Wurst steinig. Für nicht wenige in Österreich schien es lange Zeit eher peinlich, dass eine Geschlechter übergreifende Kunstfigur das Land in Europa vertreten sollte. Wurst wurde in Lokalen angepöbelt, in sozialen Netzwerken angefeindet, in einer nicht-repräsentativen Online-Umfrage hatten 79 Prozent der Teilnehmer gemeint, sie seien nicht stolz, dass Wurst das Land in Kopenhagen vertrete.

Das politische Establishment war am Sonntag voll des Lobes, allein die rechte FPÖ fand den Sieg des Travestie-Künstlers ohne echten Belang. Bundespräsident Heinz Fischer sagte, "das ist nicht nur ein Sieg für Österreich, sondern vor allem für Vielfalt und Toleranz in Europa".

Der EU-Spitzenkandidat der FPÖ, Harald Vilimsky, sah keinen Anlass für eine Anti-Diskriminierungs-Debatte und bemäkelte obendrein, dass die meisten Contest-Teilnehmer auf Englisch sängen. Er selbst sei eher Fan von Udo Jürgens, weil der deutsche Texte singe. Apropos Udo Jürgens: Der ließ via ORF ausrichten, Conchita sei eine würdige Nachfolgerin.

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