Eurovision Song Contest 2014 Nur singen - aber bitte nicht tanzen!

BONN · Gildo Horn hätte 1956 noch nicht einmal die Chance bekommen, sich auf die Bühne zu stellen. Viel zu flippig, viel zu bunt - und vor allem: viel zu wild! Denn die Geburtsstunde des Grand Prix d'Eurovision vor 58 Jahren war vor allem eins: steif und bieder.

Auftreten durften beim von der European Broadcasting Union (EBU) ins Leben gerufenen Musikwettbewerb ausschließlich Solokünstler mit maximal dreieinhalb Minuten langen Liedern, die von einem 24-köpfigen Orchester begleitet wurden. Und: Die Auftritte beschränkten sich aufs Singen - Tanzschritte waren verpönt. Zugeschnitten war der Contest ganz auf das Fernsehen.

Sieben europäische Länder (Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande, di Schweiz und die Bundesrepublik Deutschland) gingen am 24. Mai 1956 in Lugano bei der Premiere an den Start. Jedes Land durfte zwei Beiträge liefern. Deutschland schickte Freddy Quinn und Walter Andreas Schwarz ins Rennen, die Jury begeistern konnten jedoch beide nicht. Dabei hatte Quinn für die Fahrt in die Schweiz echte Strapazen auf sich genommen. Stolze drei Tage war er im VW-Käfer unterwegs.

Erste Grand-Prix-Königin wurde Lys Assia aus der Schweiz mit dem melancholischen Song "Refrain". Vielleicht kam ihr dabei auch der damalige Abstimmungsmodus zu Gute: Die Jurymitglieder - jeweils zwei aus jedem Teilnehmerland - stimmten geheim ab und konnten auch das eigene Land wählen. Assias Glück: In der Jury saßen gleich vier Schweizer, denn Luxemburg hatte aus finanziellen Gründen auf eine eigene Jury verzichtet und die Schweiz gebeten, mit zwei Wertungsrichtern auszuhelfen. Gerne bei der Premiere mitgemacht hätten auch Dänemark, Großbritannien und Österreich - doch die drei Länder verpassten schlicht die Anmeldefrist.

Für einen ersten handfesten Skandal sorgte 1969 die Spanierin Salomé. Sie wagte es, was eigentlich noch streng verboten war: Sie tanzte während ihrer Darbietung. Disqualifiziert wurde sie zwar nicht, einen Sieg einfahren konnte sie aber auch nicht.

Für Deutschland lief es indes in den ersten Jahren alles andere als rund. Gleich mehrmals landeten die deutschen Teilnehmer auf den letzten Rängen. Wesentlich erfolgreicher präsentierte sich da Katja Ebstein. Die aus der Liedermacherszene bekannte Sängerin trat gleich dreimal für Deutschland an. 1970 und 1971 schaffte sie es mit "Wunder gibt es immer wieder" und "Diese Welt" jeweils auf Platz drei, 1980 mit "Theater" sogar auf den zweiten Platz.

Sage und schreibe 26 Jahre musste Deutschland aber auf einen Sieg warten. Erst 1982 gewann Nicole als erste den Grand Prix. Mit "Ein bisschen Frieden" traf die 17-Jährige voll den Zeitgeist. Wie schon beim Vorentscheid saß sie mit ihrer weißen Gitarre auf einem Hocker in der Bühnenmitte, begleitet von Songschreiber Ralph Siegel am weißen Flügel.

Neben ESC-Dauer-Komponist Siegel, der gefühlt jedes Jahr mindestens drei Ländern die Teilnehmer-Songs schrieb, mischte auch Dieter Bohlen schon beim Contest mit. 1989 hatte der Pop-Titan Nino de Angelo mit "Flieger" zum Sieg beim deutschen Vorentscheid geführt. Dumm nur, dass er im selben Jahr auch einen Song für Österreich geschrieben hatte. Und während de Angelo erst als Vorletzter auf die Bühne durfte, sang der Österreicher Thomas Forstner seinen Bohlen-Song bereits im Mittelfeld. Viele Jurys empfanden de Angelos Lied als plumpe Wiederholung und bestraften ihn mit dem 14. Platz, Forstner landete auf Platz fünf.

Bis zum zweiten deutschen Sieg dauerte es nach dem Erfolg von Nicole noch einmal 28 Jahre - auch wenn dazwischen deutsche Teilnehmer wie Gildo Horn und Stefan Raab 1998 und 2000 zumindest für jede Menge Spaß auf der ESC-Bühne sorgten. Die 19-jährige Lena Meyer-Landrut verzauberte 2010 mit "Satellite" schließlich nicht nur die immer jünger werdende ESC-Fangemeinde. Ein Jahr später reichte es zwar nur noch für Platz zehn, doch den Sieg holte sich erneut ein "junger Wilder": Der bereits zuvor vor allem im Internet favorisierte Norweger Alexander Rybak fiedelte sich in die Herzen des ESC-Publikums.

Auch in diesem Jahr starten mit Ela (21), Yvonne (29) und Natalie (28) von der Formation Elaiza wieder junge Musiker für Deutschland, die vor allem bei Youtube schon etliche Erfolge feierten - und sich auf der Bühne ganz im Kontrast zur ersten Siegerin des Contests, Lys Assia, gerne zur eigenen Musik bewegen. So ändern sich die Zeiten...

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