Sie wollen nur spielen

Für Uneingeweihte klingt es wie eine Geheimsprache, die durch die Cafeteria der Sporthalle des Stadtsportverbandes (SSV) Brühl gerufen wird: „Wer hat CoD?“ „Installiere ich gerade“, schallt es zurück.

Sie wollen nur spielen
Foto: Dario Krobath (7) I Stefan Knopp

Ein anderer ruft dazwischen: „Weiß jemand, wie ich mich im Netzwerk anmelde?“ Hilfe naht von dem, der gerade auf die CD-Rom mit dem Spiel „Call of Duty 4“ (CoD) wartet und deshalb Zeit hat. Die einen installieren, die anderen verbinden sich mit dem Netzwerk, wieder andere stöpseln gerade die letzten Kabel in ihre Computer.

Die Unterhaltung nebenbei dreht sich darum, wie viel Red Bull jeder mitgebracht hat. Es sind mehr oder weniger typische Vorgänge bei der Vorbereitung zu einer LAN-Party, die die Judo-Abteilung des Brühler Turnvereins in der Sporthalle durchführt. Was eine LAN-Party ist? „Da treffen sich Leute zum PC-Spielen“, erklärt Fabian (21). So einfach, wie das klingt, ist es eigentlich auch. Zuvor wurden Spiele ausgesucht, mit denen alle einverstanden waren.

Außerdem hat man eine Liste mit Anforderungen erstellt, die alle Computer erfüllen müssen, damit diese Spiele auch laufen. Dann brauchte es noch einen Netzwerk-Switch mit genügend Ethernet-LAN-Ports, um ein Local Area Network (LAN) aufzubauen, also eines, das nicht mit dem Internet verbunden ist. Der Switch ist ein kleines Gerät, an das man die Netzwerkkabel der Rechner anschließt; so können die Daten aufeinander abgestimmt werden.

Jetzt liegt es auf einem einzelnen Tisch zwischen den beiden Tischreihen, auf denen die Brühler Judoka ihre Rechner aufgebaut haben. 14 Netzwerkkabel führen zu dem Switch, daneben liegen dort allerlei Strom-, Monitor- und sonstige Kabel und bilden ein rechtes Gewirr, an das man sich gar nicht rantraut, weil man befürchten muss, irgendetwas zu lockern oder von den Tischen zu reißen.

Aber das gehört nun mal dazu, so lange nicht alle ein Laptop mitbringen. In Zeiten von sehr schnellem Breitband-Internetzugang und grenzenlosem Surfen via Flatrate scheint es erstaunlich, dass die Jugendlichen überhaupt die Mühe auf sich nehmen, ihre Computer an einen anderen Ort zu schleppen, statt bequem zu Hause zu spielen.

„Es ist nicht so langweilig“, sagt Maxi (18). LAN-Partys sind halt gesellig, auch wenn jeder an seinem eigenen Rechner sitzt und Kopfhörer aufhat. Sie sind vergleichbar mit einem Kinobesuch: Da sitzt man ebenfalls im Dunkeln alleine und schaut den Film, dennoch macht es mehr Spaß, wenn man in einer Gruppe geht und sich anschließend über den Film unterhalten kann. Auf der LAN-Party spielen in der Regel alle miteinander oder in Teams gegeneinander.

Man kann sich gut absprechen, wenn man im gleichen Raum sitzt. Und so zocken die Judo-Kämpfer fröhlich vor sich hin, einige bis tief in die Nacht, andere haben Schlafsack und Isomatte mitgebracht und ziehen sich irgendwann müde in die Turnhalle zurück. Wichtig: viel trinken und immer wieder mal Pausen einlegen, um die Augen nicht zu überlasten. Mit 14 Teilnehmern ist diese private LAN-Party schon recht groß. „Ich mache das auch mit Freunden zu Hause“, meint Maxi.

Bei diesen Wohnzimmer-Partys kommen meistens drei bis sechs Kumpel zusammen – vorwiegend Jungs, und in der Regel spielen sie Shooter-Games, bei denen es um Ballern und Strategie geht. Das sind vorrangig Ego-Shooter wie „Counterstrike“ und „Farcry“, bei denen man durch die Augen der Spielfigur blickt, die man lenkt, und von ihr meistens nicht mehr als die Waffe sieht, die sie vor sich her trägt.

Die Alternative sind Third-Person-Shooter: Hier sieht man die Figur, blickt ihr quasi über die Schulter. In kleinerer Runde bieten sich auch noch Aufbau-Strategiespiele wie „Age of Empire“ und „Civilization“ an, die Zahl der möglichen Netzwerkspieler ist allerdings wesentlich kleiner als die der Shooter.

In der Sporthalle Brühl wird also scharf geschossen: Kopfhörer auf, die eine Hand klickt auf der Maus herum – jeder Klick ein Schuss. Die andere bedient bestimmte Tasten auf der Tastatur: vor-, rückoder seitwärts, ducken, aufpassen, dass man nicht getroffen wird.

Die Herausforderung, wenn Teams gegeneinander spielen: Menschliche Gegner reagieren ganz anders als Computer gegner mit ihrer programmierten künstlichen Intelligenz. Es sind solche Spiele, die die Videospiel-Kultur in Verruf gebracht haben.

Sie würden Amok-Läufer provozieren. Unter den Judo-Kämpfern ist wohl niemand so labil. Sie sind aber auch keine Freaks, die ihre gesamte Freizeit mit Ego-Shootern verbringen. „Zu Hause spiele ich am Rechner eher Strategiespiele“, berichtet Fabian (21), „ansonsten spiele ich an der Konsole.

Und da nur Sportspiele.“ An LAN-Partys kennen sie nur die der Judo-Abteilung. „Die erste fand vor acht Jahren statt“, sagt Trainer David Metzger, der ebenfalls mitzockt. „Das hier ist aber erst die fünfte oder sechste.“ Verglichen mit der Teilnehmerzahl an öffentlichen Partys sind 14 Teilnehmer nicht viel.

Seitdem sich in den achtziger Jahren die ersten Computerbesitzer zusammengetan und ihre Ataris mittels Midi-Kabeln verbunden haben, hat sich in der LAN-Party-Szene viel getan. Mitte der Neunziger gab es die ersten öffentlichen Veranstaltungen. Die ersten mit mehr als 1.000 Teilnehmern wurden in Deutschland ausgerichtet.

Die Organisatoren liefern sich mittlerweile Wettkämpfe um Teilnehmer-Rekorde: 2005 stand die „Dreamhack“ in Schweden mit mehr als 5.000 Spielern im Guinnes-Buch der Rekorde; inzwischen hat die Veranstaltung ihren eigenen Rekord um das Doppelte überboten.

Dort wird aber nicht nur aus Spaß gespielt: Es finden Wettkämpfe um Highscores statt, die Gewinner verdienen dabei nicht schlecht. Hier kommen auch die Freaks hin. Zu diesen Veranstaltungen muss niemand einen Rechner mitbringen; sie werden gestellt, um für die Wettbewerbe gleiche Bedingungen zu schaffen.

Maxi ist zwar schon 18 Jahre alt, „meine Eltern gucken aber trotzdem, was ich mache. Früher haben sie auch schon mal ein Veto eingelegt, wenn sie mit einem Spiel nicht einverstanden waren.“ PC-Spiele sind längst Teil der Jugendkultur, Eltern sollten aber schon wissen, was ihr Nachwuchs spielt. Sorgen sind jedoch weniger angebracht, wenn sich ihre Kinder zu LAN-Partys treffen – das läuft in der Regel so friedlich ab wie ein Brettspiel- Nachmittag.

LAN-Partys für ElternEltern müssen der Faszination ihres Nachwuchses für Computerspiele nicht ratlos gegenüberstehen. Die Bundeszentrale für politische Bildung (www.bpb.de) veranstaltet gemeinsam mit Turtle Entertainment und Spielraum, dem Institut zur Förderung von Medienkompetenz an der Fachhochschule Köln, LAN-Partys für Eltern und Lehrer.

Diese sollen eine Brücke schlagen zwischen den Generationen und Einblicke in jugendliche Medienwelten geben. Die Teilnehmer erhalten eine medienpädagogische Einführung zu Computerspielen und probieren unter pädagogischer Anleitung Computerspiele aus. Auf dem Programm stehen das Rennspiel „Trackmania“ und der Ego-Shooter „Counterstrike“.

Die mobilen Eltern-LANs können kostenlos gebucht werden, aber die Einrichtung vor Ort (etwa eine Schule, Jugendzentrum oder Stadtbibliothek) muss die notwendigen Rechner stellen und die benötigte Software installieren.

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