Karla Misek-Schneider: "Eltern müssen sich selbst informieren"

Gab es früher Streit um den Griff zur Fernseh-Fernbedienung, müssen Eltern heute wegen des Internet-Konsums ihrer Kinder diskutieren. Karla Misek-Schneider befasst sich mit der Problematik im Rahmen ihrer Forschung an der Fachhochschule. Mit ihr sprach Doris Pfaff.

Karla Misek-Schneider: "Eltern müssen sich selbst informieren"
Foto: Bernhard Berger

General-Anzeiger: Viele Eltern sind verunsichert, wann sie Kinder an den Computer heranführen sollen...

Karla Misek-Schneider: Immer wieder erreichen uns Anfragen besorgter Eltern, Schulen oder Kindergärten, die um Rat und Orientierung bitten. Aber es gibt keine einfachen Antworten. Leider herrscht in der Forschung eine Art Lagerideologie mit Internetgegnern und -befürwortern.

GA: Gibt es keine Untersuchungen, die Klarheit verschaffen?

Misek-Schneider: Leider bietet die Wissenschaft da bisher wenig gesicherte Erkenntnisse. Viele Forschungsresultate sind vorläufig oder gar widersprüchlich, weil die Wissenschaft nicht mit dem Tempo der Entwicklung etwa bei der Lernsoftware mithalten kann. Eltern müssen selber entscheiden, ob sie ihrem Kind virtuelle Lernumgebungen oder virtuelle Spielräume öffnen wollen.

GA: Dafür müssen sie sich mit Computern und Internet auskennen.

Misek-Schneider: Ja, denn Kinder benötigen Begleitung und Aufsicht. Welche Eltern würden ihr fünfjähriges Kind ohne Begleitung in fremde Gegenden schicken? Das Gleiche sollte auch für virtuelle Gegenden gelten. Eltern müssen sich selbst medienpädagogisch informieren. Neurobiologische Untersuchungen zur Gehirnentwicklung haben aber erwiesen, dass es für kleine Kinder zur Ausbildung ihrer sozialen, emotionalen und kognitiven Fähigkeiten unverzichtbar ist, die Welt um sie herum ganzheitlich zu erfassen. Also durch den Einsatz und die Erfahrung mit allen Sinnesorganen und den Austausch und die Interaktion mit anderen Menschen.

GA: Wie sieht das bei den Grundschulkindern aus?

Misek-Schneider: Da müssten sich die Eltern aktiv gegen den Computer entscheiden. Die Verantwortung wird mit der Schule geteilt. In der Grundschule ist die Begegnung mit virtuellen Lern- und Spielwelten für unsere Kinder unumgänglich geworden. Hier sind neben den Eltern die Schule und Pädagogen aufgerufen, sich zu informieren und sich medienpädagogisch zu bilden.

GA: Kommt mit Unterricht am PC, Videospielen und Fernsehen nicht ganz schön viel Zeit am Bildschirm zusammen?

Misek-Schneider:Eine repräsentative Studie aus dem Jahre 2008 zeigte, dass bei Grundschülern das Fernsehen das Medium Nummer Eins ist, aber über die Hälfte dieser Kinder Internet und Computer nahezu täglich nutzen. 13-Jährige sehen im Schnitt zwei Stunden am Tag TV. Mit Computerzeit wird die entwicklungspsychologisch notwendige Zeit für körperliche Spiele und Aktivitäten im Freien oder für Sport und Bewegung immer knapper.

GA: Welche Medien-Nutzungszeit empfehlen sie für Kinder?

Misek-Schneider: Gerade im Grundschulalter darf die körperliche Entwicklung durch Bewegung und Sport für das physische und psychische Wohlbefinden der Kinder nicht zu kurz kommen. Medienzeit muss reglementiert sein, die Eltern müssen Alternativen wie gemeinsame Aktivitäten bieten. Eltern müssen da ein Vorbild sein. Es sollte die Regel gelten: je jünger die Kinder, um so mehr Begleitung durch die Eltern.

GA: Was bedeutet das konkret?

Misek-Schneider: Bei den Fernsehzeiten empfiehlt sich im Vorschulalter nicht länger als 30 Minuten, bis zwölf Jahre nicht über 90 Minuten. Die Zeit am Computer sollte verbindlich abgesprochen werden. Mehr noch kommt es auf den Inhalt an. Auch länger Fernsehen ist weniger bedenklich, als wenn die Kleinen kurz Sendungen mit ungeeigneten Inhalten sehen. Es ist vor allem wichtig, kleine Kinder nicht mit diesen Medien alleine zu lassen. So können Eltern erklärend eingreifen, wenn Inhalte nicht kindgerecht sind, und behalten den Überblick über die Zeit, die das Kind schaut oder surft.

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