Dschungelcamp 2014 Das Ekelformat ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen

Australien · Sollte man einer Gruppe C- Prominenter dabei zuschauen, wie sie sich im Urwald mobben und lieben, wie sie gequirlte Kotzfrucht, pürierten Tieranus trinken, sich mit Kakerlaken und Mehlwürmern zuschütten lassen? Oder sollte man sich das eher nicht antun, vielmehr sich dagegen wehren? Es gibt gute Gründe für beide Alternativen.

Ignorieren kann man das Dschungelcamp wohl kaum, zu präsent ist es in den Medien - und so nachgefragt beim Publikum. Sahen vor zehn Jahren beim Start des Ekelformats nahezu fünf Millionen Zuschauer dem Schlagersänger Costa Cordalis und seiner Dschungelgesellschaft in der Schlangengrube zu, waren es in der aktuellen Auflage zuletzt 8,37 Millionen Zuschauer ab drei Jahren.

In der RTL-Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen gab es einen weiteren Rekord: Mit 5,10 Millionen und 51 Prozent verfolgte ab 22.15 Uhr mehr als jeder Zweite die Dschungelshow. Und selbst den Rückrunden-Auftakt in der Fußball-Bundesliga zwischen Borussia Mönchengladbach und dem FC Bayern München (0:2) sahen deutlich weniger Zuschauer (6,19 Mio.). Das Dschungelcamp kam auf 8,03 Mio. Zuschauer.

Was zu Beginn der Dschungelreihe als "Unterschichtenfernsehen" gegeißelt wurde, ist offenbar in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Der viel beschriene Untergang des Abendlandes ist jedenfalls ausgefallen. Es zeichnet sich ab, dass das Fernsehvolk doch nicht so leicht zu erschüttern ist.

[kein Linktext vorhanden]Positiv gewendet heißt das: Es scheint viel Medienkompetenz gewachsen zu sein; und es herrscht inmitten von Formaten wie "Bauer sucht Frau" bis "Das Supertalent" eine derart gestiegene Souveränität, dass man sich auch mal gerne unter Niveau amüsiert, ohne gleich alle Werte in Gefahr zu sehen.

Die Nominierung des Dschungelcamps für den Grimme-Preis im vergangenen Jahr, der bildungsbürgerliche Ritterschlag für TV-Formate schlechthin, markierte eine Trendwende in der Beschäftigung mit dem Trash-TV. Die Feuilletons der Republik analysieren Rollendynamik und Rituale, auf Theaterbühnen wird munter aus dem Dschungelfundus zitiert. Von der "Zeit" über den "Tagesspiegel" und der "Welt" bis zu Fachblättern wie "Rolling Stone" und "Musikexpress": Überall ist die laufende Dschungelcamp-Strecke Thema.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Held ohne Heldenpose
“One Life“ mit Anthony Hopkins Held ohne Heldenpose
Zum Thema
Aus dem Ressort