Plötzlich behindert

Als ich 13 Jahre alt war, änderte sich mein Leben schlagartig

 Leben mit Behinderung: eine Schülerin im Rollstuhl.

Leben mit Behinderung: eine Schülerin im Rollstuhl.

Foto: dpa

Sicher hat sich jeder von uns schon einmal die Frage gestellt: "Warum ausgerechnet ich?"

Ich stellte mir die Frage schon sehr oft. Man beginnt zu hinterfragen, ob ein Schicksal einen Sinn ergeben kann, vielleicht sogar eine Prüfung ist. Oder sagt sich, man hat einfach nur Pech.

Ich war 13, sportlich sehr aktiv, ein fröhliches Mädchen, immer unterwegs und völlig gesund. Wir schaukelten auf dem Spielplatz um die Wette, wer kommt am höchsten und wer springt am weitesten. Ich sprang und verletzte mich. Tage später schmerzte mein Knie, ich wurde geröntgt, es hieß: alles normal.

Irgendwann veränderte sich mein Gangbild mehr und mehr. So fing meine Odyssee an. Heute bin ich erwachsen und sitze im Rollstuhl. Noch immer habe ich keine Erklärung, keine Diagnose, nur Schulterzucken.

War der Sturz die Ursache oder Auslöser meiner Krankheit? Oder war es einfach Zufall, dass ich danach so krank wurde? Nach dem Sturz löste sich plötzlich die Netzhaut im rechten Auge ab. Ich konnte damit nicht mehr sehen. Meine Eltern brachten mich sofort in die Uniklinik. Ich hatte Glück im Unglück. Die Augenoperationen sind gut verlaufen.

Ich musste Medikamente nehmen, die hatten folgenreiche Nebenwirkungen. Es kam eines zum anderen. Das Auge ist noch sehr beeinträchtigt, braucht Zeit, sich zu erholen. Auch ständige Entzündungen in den Augen und am Körper quälen mich. Aber hey, Kopf hoch, wir suchen weiter, geben nicht auf. Zurzeit testen wir auf Rheuma.

Das Interessante an dieser wahren Geschichte ist, und das ist kein Scherz, ich bin immer noch diagnosefrei, aber inzwischen schwer behindert. Ich kann nicht mehr laufen. Plötzlich eine "Behinderung" zu haben, ist sehr schwer. Nicht nur, weil die Gesellschaft immer noch gerne wegschaut. Nein, auch die Umgebung macht es nicht einfacher, kaum Orte, die barrierefrei sind, oder Toiletten, die rollstuhlgerecht sind. Man hat Berührungsängste.

Das Wort "behindert" ist in der heutigen Zeit oft wie ein Schimpfwort. Aber man lernt mit der Zeit, sich zu arrangieren. Früher hatte ich kein Selbstbewusstsein, wie ich es heute habe. Ich bin noch der gleiche Mensch, auch wenn ich nun im Rollstuhl sitze.

Meine Familie ist mir eine große Hilfe. Sie hat mich immer so geliebt, wie ich bin, mich aufgebaut oder zurück auf den Teppich geholt, wenn es nötig war. Sie gaben mir nie das Gefühl, behindert zu sein. Ich bin ein sehr humorvoller Mensch und kann mit anderen lachen, ja, man kann sogar in einem Rollstuhl gut aussehen. Wahre Schönheit kommt von innen.

Ich gebe nicht auf. Derzeit mache ich eine Ausbildung, und ich habe auch das Glück, einen lieben Mann an meiner Seite zu haben, der mich liebt, so wie ich bin und den Rollstuhl einfach übersieht. Das tut gut und macht Mut weiterzumachen.

Ludwig-Erhard-Berufskolleg, FABM 4

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort