Wohnungsnot: Schwache werden verdrängt

Region · Die Zahl der Sozialwohnungen in NRW befindet sich im freien Fall. Zwischen 2002 und 2010, ist sie von einst 940.000 auf 540.000 geschrumpft. "Da kann ich nur eindringlich mahnen. Es müssen mehr preiswerte Wohnungen, besonders solche mit Sozialbindung, gebaut werden", sagt Bernhard "Felix" von Grünberg.

 In Deutschland fehlen schon heute bezahlbare Wohnungen. Experten warnen vor dramatischen Entwicklungen.

In Deutschland fehlen schon heute bezahlbare Wohnungen. Experten warnen vor dramatischen Entwicklungen.

Foto: Archiv

Der Vorsitzende des Mieterbundes Nordrhein-Westfalen und des Mieterbunds Bonn/Rhein-Sieg/Ahr sieht die politisch Verantwortlichen in der Pflicht, die nötigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Aber auch bei Investoren, Vermietern und bei den Bürgern selbst müsste ein Umdenken einsetzen. "Bonn gehört mit zu den teuersten Mietstädten in NRW. Und ich prognostiziere, dass es eher noch teurer wird, denn es werden einfach zu wenige Wohnungen gebaut", sagt von Grünberg.

Experten errechneten einen aktuellen bundesweiten Bedarf von rund 5,6 Millionen Sozialwohnungen. Derzeit seien allerdings lediglich 1,6 Millionen auf dem Wohnungsmarkt verfügbar. Folglich hat nur jeder fünfte finanzschwache Haushalt derzeit überhaupt die Chance, eine Sozialmietwohnung zu bekommen, berichtet das Pestel-Institut für Systemforschung in Hannover.

In Bonn fehlt es generell an Wohnraum. In der aktuellen Wohnungsmarktstudie von Deutschem Gewerkschaftsbund, Caritas, Diakonie, Arbeiterwohlfahrt und des Mieterbundes heißt es, dass fehlende Wohnungen für die steigenden Mieten verantwortlich seien. Gleichzeitig würden die einkommensschwachen Haushalte aus bestimmten Vierteln verdrängt. "In der Stadt Bonn fehlen rund 5000 Mietwohnungen", beziffert von Grünberg den Mangel.

"Das Bevölkerungswachstum ist in Bonn zum Glück sehr groß, weil es viele Unternehmen gibt, die junge Leute einstellen und ihnen Perspektiven bieten", so der Mieterbund-Vorsitzende. Das habe allerdings auch zur Folge, dass gar nicht so schnell gebaut werde, wie nötig. Und wenn gebaut wird, dann meistens frei finanziert. Wohnungsbauunternehmen würden auf Rendite setzen anstelle einer positiven Stadtentwicklung.

"Für die unteren Einkommensgruppen wird es künftig schwieriger werden, eine Wohnung mit bezahlbaren Mieten zu finden", so von Grünberg. Während für öffentlich geförderte Wohnungen nur rund fünf Euro Miete pro Quadratmeter zu erzielen sind, erreichen Vermieter freifinanzierter Wohnungen in Bonn elf bis 13 Euro. Der Mieterbund-Vorsitzende appelliert an die Vermieter: Sie sollten sich überlegen, ob es angesichts von demografischem Wandel und steigender Altersarmut langfristig noch genug Mieter geben wird, die sich die teuren Wohnungen leisten könnten.

Heute schon haben viele Senioren Schwierigkeiten, Miete und Nebenkosten aufzubringen. "Deshalb ist die Aktion Weihnachtslicht jedes Jahr ein Segen. Viele bedürftige Senioren wüssten sonst nicht, wie sie ihre Heizkosten bezahlen sollten", so von Grünberg.

Empfindlich treffen würde der Rückgang des Sozialwohnungsbaus die sozial Schwachen. Das Pestel-Institut erwartet eine zunehmende Altersarmut in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis. "Wenn die Altersarmut in der Region zunimmt, dann müssen wir über neue Wohnformen nachdenken. Das heißt konkret: kleinere, energieeffiziente und altersgerechte Wohnungen für Senioren.

Das spart Miete und Heizkosten", beschreibt Matthias Günther vom Pestel-Institut wie erschwinglicher Wohnraum aussehen könnte. Von Grünberg beobachte jedoch auch eine zunehmende Abwehr von neuen Bauprojekten und fordert die Bürger deshalb auf, nicht jedes neue Haus in der Innenstadt zu verhindern. "Wer jetzt den Bau von preisgünstigen und seniorengerechten Wohnungen verhindert, muss sich später nicht wundern, wenn er nicht mehr in der Innenstadt wohnen bleiben kann", so der Mieterbund-Vorsitzende.

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