Erlebnisse in fremden Welten

Seoul · Mein Name ist Nora Pfützenreuter, ich bin 23 Jahre alt und studiere Physik an der Uni Bonn. Im Rahmen eines Austauschsprogramms meiner Uni bin ich derzeit für ein Semester an der Korea University in Seoul, Südkorea

Wie ich das Ausland erlebe

Da meine Mutter Koreanerin ist, bin ich dieses Jahr bereits zum fünften Mal in Südkorea. Das heißt, ich weiß schon einiges über das Land und fühle mich hier nach der üblichen Umgewöhnungszeit schon fast wie zuhause. Dennoch bin ich in Deutschland aufgewachsen und mit der deutschen Kultur groß geworden. Somit kann ich zwar die koreanische Kultur zum allergrößten Teil gut nachvollziehen, aber trotzdem gibt es manchmal die ein oder andere merkwürdige Situation im Alltag, die auf kulturelle Unterschiede oder Verständigungsprobleme aufgrund der Sprache zurückzuführen sind. Seoul, die Hauptstadt Koreas, in der ich zurzeit lebe ist eine 12 Millionen Stadt, die vermutlich viele auf Dauer als hektisch und laut empfinden. Aber auch daran gewöhnt man sich und es gibt in der Tat auch ruhige Orte wie Tempelparks, Flussgegenden und Saunen.

In Seoul ist immer etwas los, es gibt ein riesiges kulturelles und kulinarisches Freizeitangebot. In den letzten Jahren hat die Zahl der ausländischen Touristen und Austauschstudenten hier stark zugenommen, sodass man hier schon sehr daran gewöhnt ist und die Zahl der englischsprechenden Koreaner zugenommen hat. Für ältere Koreaner und insbesondere Menschen auf dem Land ist das aber nicht der Fall, wird man hier allein aufgrund seines westliches Aussehens fotografiert oder auf Koreanisch unverblümt auf sein "gutes Aussehen" hingewiesen.

Unterschiede zur Heimat

Im Unterschied zu Deutschland gibt man sich hier nicht zur Begrüßung die Hand, sondern begrüßt sich mit einer Verbeugung. Gegessen wir mit Stäbchen und Löffel, nicht mit Messer und Gabel. In Restaurants gibt es immer kostenlos Wasser zum Trinken und gezahlt wird nicht am Tisch, sondern am Ausgang. Separate Duschkabinen wie in Deutschland gibt es selten, in der Regel wird das ganze Badezimmer "überflutet". In Wohnungen zieht man immer die Schuhe an der Tür aus, im Winter gibt es oft Fußbodenheizungen. Deutsche sind häufig direkt und ehrlich, Koreaner eigentlich immer indirekt und deuten ihre Gedanken nur an.

Ältere Freunde oder Geschwister werden nicht mit Vornamen sondern mit festen Begriffen angesprochen, die vom Geschlecht der sprechenden und angesprochenen Person abhängen (zum Beispiel "Nuna" wenn Männer ältere Frauen ansprechen). Hunde als Haustiere sind in Seoul eine Seltenheit, was aber durch sogenannte Hunde-Cafés kompensiert wird. Es gibt kein Sprudelwasser und dunkles Brot, dafür aber immer Reis und Kimchi (eingelegter Chinakohl).

Was ich schön finde/kritisch sehe

Schön finde ich die koreanische Landschaft mit ihren vielen hohen Bergen, in denen man gut wandern gehen kann und die Tatsache, dass das Meer trotzdem oft in Sichtweite ist. Die Kirschblüten im Frühling und farbigen Blätter im Herbst sind sehr sehenswert. Der koreanische Herbst ist trocken, im letzten Monat hat es kaum geregnet und fast jeden Tag schien die Sonne. Mir gefällt es, dass eigentlich 98 % der koreanischen Lieder auch in koreanischer Sprache gesungen werden und Karaokebars an jeder Ecke zu finden sind. Koreanisches Essen ist sehr vielseitig, gesund und richtig lecker! Insbesondere Grillrestaurants sind hier sehr gesellig und der Gast darf am tischeigenen Grill selbst die Grillzange in die Hand nehmen.

Ein anderer sehr schöner Aspekt ist, dass ich den Eindruck habe, dass Koreaner und Asiaten im Allgemeinen sehr viel emotionaler sind, was sich in Musik, Mimik und sogar Sprache äußert. So gibt es für fast jede beliebige Emotion oder Situation in der koreanischen Sprache eine entsprechende Wendung. Für mich persönlich ist Koreanisch eine der interessantesten und schönsten Sprachen der Welt! Kommen wir zu den weniger schönen Sachen: Korea hat eine Kultur, in der man selten sagen darf, was man wirklich denkt, denn das Wohl der Gesellschaft steht vor dem des einzelnen Individuums. Koreaner sind ein sehr fleißiges und ehrgeiziges Volk, was dazu geführt hat, dass Korea innerhalb von 50 Jahren vom Agrar- Entwicklungsland zum wirtschaftlich und technologisch weit entwickelten, demokratischen Land entwickelt hat, das es heute ist.

Während dieser rapiden Entwicklung ist meiner Meinung aber das Wohl der Menschen in den Hintergrund gerückt, der Druck im Berufs- und bereits Schulleben ist enorm. Alle kennen Samsung, aber was viele nicht wissen ist, dass die koreanische Selbstmordrate eine der höchsten in der Welt ist. Dass gesellschaftliche Probleme vorliegen, äußert sich außerdem im starken Alkoholkonsum der Studenten und arbeitenden Bevölkerung, der nicht verharmlost werden sollte.

Wie ich Weihnachten feiere

Zwar sind in Korea mittlerweile 30 % der Bevölkerung Christen, jedoch muss hier in Betracht gezogen werden, dass sich diese Entwicklung erst Mitte des 20. Jahrhunderts abgezeichnet hat. Seit tausenden von Jahren ist Korea ein buddhistisch geprägtes Land, sodass Weihnachten hier keine große Tradition hat wie es in Deutschland der Fall ist. Andere Feiertage wie das Erntedankfest Chuseok oder das Neujahrsfest Seolnal (parallel zum chinesischen Neujahr) sind hier weitaus wichtiger.

Somit ist verständlich, dass Weihnachten hier kein Familienfest ist, sondern lediglich ein weiterer "Valentinstag für Paare". Aus diesem Grund werden wir uns hier unter Freunden vielleicht kleine Wichtelgeschenke machen, aber Weihnachten sonst ganz untypisch verbringen und zusammen essen und ausgehen. Am 2. Weihnachtsfeiertag kommt mein Freund nach Korea, sodass ich Weihnachten - ganz im koreanischen Stil - mit ihm verbringen kann.

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