Bundestagswahl 2013 Regionale Belange sind für die Bonner wichtiger als Bundespolitik

BONN · Zehn Wochen vor der Wahl hat der General-Anzeiger die Bürger befragen lassen. Viele kennen die Kandidaten noch nicht.

An Straßenlaternen und Bäumen hängen sie schon - die ersten Plakate der Kandidaten für die Bundestagswahl am 22. September. In Bonn war es die CDU, die den Wählern als erste ihre Bewerberin präsentierte: Claudia Lücking-Michel. Inzwischen haben andere Parteien nachgezogen. Im Wahlkreis Rhein-Sieg I, dem nördlichen und östlichen Kreisgebiet, ging die FDP voran und machte schon am vorigen Wochenende Werbung für Jürgen Peter. Ob die Strategie aufgeht, so früh Plakate aufzuhängen?

Zumindest versuchen CDU und FDP auf diese Weise, den Bekanntheitsgrad der Kandidaten zu steigern. Eine durchaus lohnenswerte Absicht, wenn man die Ergebnisse des Stimmungsbarometers für Bonn und den Rhein-Sieg-Kreis zugrunde legt. Bei der Studie, die das Bonner Meinungsforschungsinstitut dimap im Auftrag des General-Anzeigers durchgeführt hat, sagten 86 Prozent der Befragten in Bonn, sie würden Lücking-Michel nicht kennen oder wüssten mit ihr keine politische Eigenschaft zu verbinden. Für FDP-Mann Peter sind die Zahlen noch schlechter: Mit seinem Namen können 89 Prozent in seinem Rhein-Sieg-Wahlkreis nichts anfangen.

Zehn Wochen vor der Wahl sind Lücking-Michel und Peter, die erstmals für ein Bundestagsmandat kandidieren, nicht die einzigen, deren Bekanntheitsgrad "optimierbar" ist, wie Wahlkampfmanager sagen würden. In Bonn sind selbst Politiker wie Katja Dörner (Grüne) und Paul Schäfer (Linke), die schon seit Jahren im Bundestag sitzen, weitgehend unbekannt. Dörner kennen 78 Prozent der Befragten nicht, Schäfer 95 Prozent. Den Piraten Klaus Benndorf kennen 97 Prozent nicht.

Das ist bei den Platzhirschen in den Wahlkreisen natürlich anders. Der Sozialdemokrat Ulrich Kelber, der seit 13 Jahren im Bundestag sitzt und zum vierten Mal hintereinander das Direktmandat in Bonn holen will, ist 56 Prozent der Befragten bekannt. Bei der Frage, welche Eigenschaften mit ihm verbunden werden, nannten 42 Prozent "Passt zur Region und ihren Menschen" und 41 Prozent "Versteht etwas von den Problemen in unserer Stadt/Region". Dass er in Berlin mithalten kann, finden 39 Prozent.

Dass kein Politiker aus der Region so bekannt ist wie Bundesaußenminister Guido Westerwelle, ist keine Überraschung. Aber immerhin 20 Prozent der Befragten in Bonn kennen ihn nicht oder verbinden keine Eigenschaft mit ihm. Gut die Hälfte findet, dass der Liberale in Berlin mithalten kann, knapp die Hälfte, dass er zuverlässig ist und 46 Prozent, dass er politischen Weitblick hat. Ähnliche Werte wie Kelber weist Westerwelle in puncto regionalem Bezug auf.

In der Kategorie Bekanntheit weist unter den Rhein-Sieg-Kandidaten nur Ex-Bundesumweltminister Norbert Röttgen einen guten Wert auf. 73 Prozent wissen mit dem CDU-Politiker etwas anzufangen. Nach Meinung einer Mehrheit passt er zur Region und den Menschen. Weitere hohe Werte: Röttgen versteht etwas von den Problemen in der Region, gilt als zuverlässig und politisch weitblickend. Dass nur 23 Prozent der Befragten sagen, er werde von seiner Partei geschlossen unterstützt, hat sicher damit zu tun, dass er in den vergangenen zwei Jahren in der CDU vom Hoffnungsträger für die Nach-Merkel-Zeit zum Buhmann geworden ist, mit dem sich viele in der Partei nicht mehr gern sehen lassen.

Weit weniger bekannt sind hier Bettina Bähr-Losse (SPD), Thorsten Knott (FDP) und Arnd Kuhn (Grüne). Jeweils 16 Prozent der Befragten ist der jeweilige Name ein Begriff. Pirat Jürgen Weiler dagegen kennen nur vier Prozent. Nach dem Rückzug von Charly Hörster benennen die Linken erst an diesem Sonntag einen neuen Kandidaten.

Im Wahlkreis Rhein-Sieg I gibt es keinen Bewerber, der einer Mehrzahl der Befragten bekannt ist. Immerhin 37 Prozent sind es, die mit der Mandats-Inhaberin Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) etwas anfangen können, 24 Prozent kennen Sebastian Hartmann (SPD), elf Prozent Robert Wendt (Grüne), sechs Prozent Alexander Soranto Neu (Linke) und drei Prozent den Piraten Martin Zieroth.

Große Unterschiede gibt es bei den Erwartungen der Bürger an ihre Abgeordneten. 71 Prozent der Befragten zwischen Niederkassel und Windeck finden, dass die Politiker in erster Linie die Interessen der Region vertreten sollten. 23 Prozent meinen, die Bundespolitik sei wichtiger. Anders sieht das Bild im Westen und Süden des Kreises aus (Wahlkreis Rhein-Sieg II): Hier sind es 61 Prozent, die der Region den Vorrang geben und 32 Prozent, die finden, Abgeordnete sollten sich in erster Linie um die Bundespolitik kümmern. In Bonn ist das Ergebnis noch knapper. Hier halten nur 51 Prozent die Vertretung der Interessen der Region für die wichtigste Aufgabe eines Abgeordneten, während 40 Prozent der Bundespolitik Priorität geben.

Die Parteien und Kandidaten haben nun noch zehn Wochen Zeit, sich bekannt zu machen und ihr Profil zu schärfen - auch jene beiden, die als erste mit ihren Plakaten rauskamen. So wird die Bonner CDU-Kandidatin Lücking-Michel nicht nur die regionale Schiene im Blick, sondern auch die Bundesthemen draufhaben müssen. Vielleicht kommt ihr das als Seiteneinsteigerin in die Politik sogar zugute. Der Siegburger Liberale Jürgen Peter kann sich ebenfalls darauf einstellen, worauf es den Wählern vor allem ankommt: auf die Belange der Region.

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