Interview mit CDU-Vorsitzendem Armin Laschet: "Steuererhöhungen sind falsch"

Bonn · Armin Laschet, Vorsitzender der Landes-CDU, über Koalitionsoptionen und nordrhein-westfälische Ansprüche. Eine gestärkte Landesgruppe im Bundestag kann NRW-Interessen künftig besser durchsetzen, hofft Armin Laschet, Vorsitzender der NRW-CDU.

 "Über Personal denkt im Moment niemand nach": NRW- CDU-Chef Armin Laschet.

"Über Personal denkt im Moment niemand nach": NRW- CDU-Chef Armin Laschet.

Foto: dpa

Herr Laschet, "wir in NRW sind wieder wer"! Ist das Ihre Stimmung nach der Bundestagswahl?
Armin Laschet: Das Wahlergebnis ist für uns in Nordrhein-Westfalen sehr erfreulich. Es ist natürlich zunächst und vor allem das Verdienst unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel. Aber wir haben auch gezeigt, dass wir nach der Niederlage bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr mit knapp 26 Prozent wieder stärkste politische Kraft in Nordrhein-Westfalen sein können. Und bei dieser Wahl haben wir in absoluten Zahlen mehr Stimmen erhalten als bei dem großen Landtagswahlerfolg 2005.

Im Vergleich zum letzten Jahr ist das eine Steigerung um satte 50 Prozent.
Laschet: Ja, das zeigt unser Potenzial. Das ist eine gute Grundlage für kommende Wahlen.

Die NRW-Landesgruppe im Bundestag ist jetzt größer als die CSU-Landesgruppe. Was resultiert daraus?
Laschet: Unsere Landesgruppe hat 63 Abgeordnete. Das sind so viele, wie die ganze Grünen-Bundestagsfraktion Mitglieder hat, und in der Tat mehr als die CSU-Landesgruppe. Damit kann man sehr gut nordrhein-westfälische Interessen auch im Wettbewerb mit anderen Landesgruppen der Union durchsetzen.

Wenn Sie so viele Abgeordnete haben wie die Grünen, hieße das doch: Angela Merkel müsste mit Ihnen koalieren.
Laschet: Das braucht sie natürlich nicht. Wir alle stützen sie. Und wir werben für entscheidende NRW-Themen, die wir vielleicht anders sehen als die Süd- oder Nordländer.

Was sieht NRW anders? Was würden Sie gerne in einem Koalitionsvertrag verankert sehen?
Laschet:
Das Wichtigste für uns hier in Nordrhein-Westfalen ist, dass wir Industrieland bleiben können. Im Ruhrgebiet, in Süd- und Ostwestfalen und am Mittelrhein haben wir noch viele Tausende Industriearbeitsplätze. Das ist anders als in Mecklenburg-Vorpommern oder in Sachsen-Anhalt. Diese Arbeitsplätze stehen und fallen damit, dass wir die Energiewende jetzt zum Erfolg führen. Das ist das allerwichtigste Thema für uns. Wir brauchen bezahlbaren Strom. Für den normalen Verbraucher wie für mittelständische oder energieintensive Betriebe.

Sie zeichnen ein sehr skeptisches Bild vom aktuellen Stand der Energiewende.
Laschet: Ich zeichne ein realistisches Bild. Wir brauchen eine Generalrevision des EEG, des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Das ist heute Planwirtschaft von oben bis unten. Für jede regenerative Energieform sind auf 20 Jahre bestimmte Cent-Beträge festgesetzt, ohne dass da ein marktwirtschaftlicher Anreiz für die wirtschaftlichste Form drin wäre. Deshalb steigen dauernd die Preise. Wir haben zu dieser Reform direkt nach der Wahl im Landesvorstand Grundsätze formuliert. Die wollen wir jetzt umsetzen.

Diese Planwirtschaft hat Ihr Vorgänger Norbert Röttgen zu verantworten...
Laschet: Nein, diese Planwirtschaft hat Jürgen Trittin zu verantworten. Norbert Röttgen und Peter Altmaier haben versucht, dieses Gesetz zu korrigieren. Aber bei beiden hat die Bundesratsmehrheit von Rot-Grün Verbesserungen blockiert. Ich hoffe nach diesem Wahlergebnis, dass Frau Kraft, die die SPD-Länder koordiniert, ihre Blockade beendet. Sie schädigt Nordrhein-Westfalen.

Welche Koalition empfiehlt Armin Laschet Angela Merkel?
Laschet: Ich muss Angela Merkel keine Ratschläge geben. Wir wollen mit Grünen und Sozialdemokraten sprechen, offen und ernsthaft, um dann zu sehen, mit wem es die größten Schnittmengen gibt, um das CDU-Programm durchzusetzen.

Was verbindet die Union mit den Grünen?
Laschet: Mit Grünen - wie auch mit der SPD - verbindet uns die europäische Orientierung. In der Europapolitik gäbe es keine Probleme. In der Außenpolitik im Prinzip auch nicht mehr, seit Joschka Fischer die Grünen da auf eine sehr realpolitische Linie gebracht hat. Das Kernproblem wird im Zweifel die Energiepolitik sein.

Wo sollten denn da Differenzen liegen?
Laschet: Wenn die Grünen nach dem Atomausstieg auch den schnellen Kohleausstieg wollen und die Illusion wecken, das sei in den nächsten Jahren möglich, dann ist das sowohl aus NRW-Sicht als auch naturwissenschaftlich falsch. Nur mit Sonne und Wind können wir auf absehbare Zeit die Energie für das Industrieland Deutschland nicht bereitstellen. Wir brauchen also Gas- und Kohlekraftwerke weiterhin. Ich bin nicht sicher, ob die Grünen diesen Realismus aufbringen.

Die SPD doch in dieser Frage bestimmt...
Laschet: Ja, die SPD ist verbal in dieser Frage klarer. Auch wenn sie im Streit um das modernste Kohlekraftwerk der Welt in Datteln immer taktiert und den Grünen nachgibt.

Welches Problem steht bei der SPD im Vordergrund? Die Steuern? Sie haben ja selbst Kompromissbereitschaft signalisiert.
Laschet: Ich bin definitiv gegen Steuererhöhungen. Das haben wir immer gesagt und das gilt auch heute noch.

Unter Helmut Kohl gab es einen erheblich höheren Spitzensteuersatz. Das kann doch kein Knackpunkt sein.
Laschet: Der Staat muss mit den höchsten Steuereinnahmen auskommen. Steuererhöhungen sind falsch.

Können Sie sich eine Situation vorstellen, in der Neuwahlen notwendig würden?
Laschet: Ich kann nicht beurteilen, wie sich SPD und Grüne in den nächsten Wochen verhalten. Frau Kraft kämpft aus purem Parteiinteresse mit aller Gewalt gegen eine große Koalition. Jeder der beiden potenziellen Partner muss wissen: Wer willkürlich Neuwahlen verursacht, wird dafür von den Wählern nicht belohnt.

Sie schließen Neuwahlen also nicht aus?
Laschet: Ich kann mir nicht vorstellen, dass die beiden Oppositionsparteien Parteitaktik vor das Interesse des Landes stellen.

Sind Sie eigentlich traurig darüber, dass Angela Merkel die absolute Mehrheit verfehlt hat?
Laschet: Ja. Weil ich denke, dann hätte man zu 100 Prozent einmal das umsetzen können, was in unserem Programm steht.

Sind Sie traurig, dass die FDP nicht mehr dem Parlament angehört?
Laschet: Ja, das ist ein großer Verlust. Die FDP gehört zu 60 Jahren bundesrepublikanischer Tradition. Ich glaube, wir brauchen eine liberale Partei und deshalb würde ich mir wünschen, dass sie bald wieder zu ihrer alten Stärke zurückfindet.

War es ein Fehler, auf eine Zweitstimmenkampagne zu verzichten?
Laschet: Nein. Parteizentralen schieben doch keine Stimmen hin und her. Wir haben ein anderes Programm als die FDP. Wir verbinden wirtschaftliche Kompetenz mit sozialer Gerechtigkeit. Die FDP hätte ihre fünf Prozent selbst schaffen müssen.

Die Zweitstimmenkampagne der Bonner CDU war also ein Fehler?
Laschet:
Auch die Bonner CDU hat um Zweitstimmen für die CDU geworben.

Zurück zur komplizierten Regierungsbildung in Berlin. Nordrhein-Westfalen hat bisher einen Minister, die CSU drei. Muss sich das ändern?
Laschet: Wir wissen nicht einmal, mit wem wir Koalitionsverhandlungen führen werden. Wir kennen die inhaltlichen Ergebnisse folglich nicht. Das beides geht vor. Über Personal denkt im Moment niemand nach.

Aber NRW als stärkste Unionsmacht könnte doch Erwartungen formulieren.
Laschet: Als Landesvorsitzender muss ich mich um die Interessen des Industrielands Nordrhein-Westfalen kümmern. Bezahlbare Energie, die Sanierung der Infrastruktur und gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Wenn bei Leverkusen Llw nicht mehr über den Rhein fahren können ist das dramatisch. Alle diese Themen beschäftigen uns derzeit mehr als Personalfragen.

Damit erübrigt sich dann die Frage, die ich dennoch stelle: Geht Armin Laschet ins Bundeskabinett, ist er dazu bereit?
Laschet: Die Frage stellt sich derzeit nicht.

Doch, ich hab sie grad gestellt...
Laschet: ...und ich hab sie nett beantwortet.

Zur Person

Armin Laschet, 1961 in Aachen geboren, ist seit Juni vergangenen Jahres Vorsitzender der nordrhein-westfälischen Landes-CDU. Der Jurist zog 1989 als jüngster Ratsherr für die CDU in den Aachener Stadtrat ein. Von 1994 bis 1998 war er Mitglied des Bundestages, danach Europaabgeordneter. Von 2005 bis 2010 gehörte er der Landesregierung von Jürgen Rüttgers als Integrationsminister an.

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