Institute der Hausarztmedizin Uniklinik bildet verstärkt Hausärzte aus

BONN · Professor Detmar Jobst kann die aktuelle Debatte um Hausärztemangel verstehen. "Es wird absehbar einen Engpass in der Versorgung insbesondere in der ländlichen Fläche geben", bestätigt der stellvertretende Direktor des Instituts für Hausarztmedizin an der Uniklinik Bonn.

 Übung mit Puppe: Studenten lernen in einem Operationssaal der Medizinischen Hochschule Hannover an "HAINS".

Übung mit Puppe: Studenten lernen in einem Operationssaal der Medizinischen Hochschule Hannover an "HAINS".

Foto: DPA

Allein schon, weil die Prognosen für 2025 voraussagen, dass einige Tausend Allgemeinärzte, also praktische Ärzte, Internisten und Kinderärzte, im Ärztekammerbezirk Nordrhein in Pension gehen. "Das ärztliche Durchschnittsalter liegt derzeit schon bei 52 Jahren", rechnet der Professor vor. Institute der Hausarztmedizin wie das der Universität Bonn versuchten dagegenzusteuern.

Die Frage sei nämlich: Woher kommt der Nachwuchs, der eines Tages auch im noch gut versorgten Bonn und auf jeden Fall in den Kommunen des Rhein-Sieg-Kreises gebraucht wird? Denn wenn, wie Jobst vermutet, Bonn auch weiterhin über ausreichend Hausärzte verfügen dürfte, werde das Gefälle zu den umliegenden Gemeinden sicher weiter bestehen (siehe Kasten).

Kürzlich hatte in dieser Zeitung Karl-Josef Laumann, der neue Pflegebeauftragte der Bundesregierung, aus Sorge vor einer Katastrophe eine Forcierung der Ausbildung von Hausärzten gefordert. Die würden im Gesundheitssystem einfach nicht genug geachtet. Die Menschen wollten aber ihren Lebensabend in den eigenen vier Wänden in Würde verbringen. Dafür brauche es flächendeckend Hausärzte in Stadt und Land, so Laumann.

"An den Universitäten in NRW sind die Abteilungen und Institute für Allgemeinmedizin gestärkt worden" erläutert nun Professor Jobst. Das Bonner Institut, das unter dem Motto "Wir machen Hausärzte" für sich wirbt, erhalte seit 2011 über vier Jahre eine Anschubfinanzierung von 1,2 Millionen Euro. Es stemme damit schon jetzt das zweitgrößte Kontingent an Lehrstunden in der medizinischen Fakultät.

Wer vom Angebot profitiere? Die Studenten des zweiten und fünften klinischen Semesters, die im Institut erstmals eine völlig andere und nicht, wie wohl befürchtet, eintönigere Medizin als die in den Klinken kennenlernten, so Jobst. Die Klinikforschung sei sozusagen Bettenmedizin. "Bei uns lernen die Studenten dann erstmals den ambulanten Patienten kennen." In den angeschlossenen 120 Lehrpraxen absolvierten nämlich alle Studierenden ein 14-tägiges Praktikum. Und das praktische Jahr vor der ärztlichen Prüfung könne dort ebenfalls in Teilen absolviert werden.

Die Zeit in den Arztpraxen bringe eine steile Lernkurve, ist Professor Jobst überzeugt. "Die Studenten sehen, dass es dort beileibe nicht nur um Schnupfen und Husten geht." Das Institut betreue zudem den Weiterbildungsverbund, der in medizinischen Fächern wie der Kardiologie, der Chirurgie und in ausgewählten Hausarztpraxen Stellen für Assistenzärzte mit dem Berufsziel Allgemeinarzt vorhalte.

Um die Zahl der Studierenden zu steigern, hat die Uni Bonn mit Aachen, Bochum, Düsseldorf, Duisburg/Essen, Köln und Münster Ende 2012 einen Kompetenzverbund Allgemeinmedizin gegründet. "Wir verzeichnen seit der Förderung der Studierenden im Praktischen Jahr durch die Kassenärztlichen Vereinigungen Westfalen-Lippe und Nordrhein in ganz NRW schon zunehmendes Interesse an unserem Fach", zieht Verbundssprecher Professor Stefan Gesenhues Bilanz. Die Entscheidung kurz vor dem Staatsexamen für das Wahlfach Allgemeinmedizin sei wichtig auf dem Weg zum Berufsziel Hausarzt. Hier seien Fördermaßnahmen an der richtigen Stelle.

Ein Problem bleibe laut Jobst natürlich, trotz des attraktiven Lehrangebots, der spätere Niederlassungsort. "Bonn ist als Lebensmittelpunkt viel attraktiver als beispielsweise eine kleine Gemeinde am Niederrhein oder im Westerwald, trotz finanzieller Anreize und Lockangebote dort." Weil das an anderen Studienorten ähnlich sei, komme es zu einer gewissen Überversorgung in den Universitätsstädten. "Und die Zukunft der ländlichen Hausärzteversorgung bleibt ungewiss."

Zahlen und Fakten

Laut neuestem Versorgungsreport der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein über die Hausarztdichte in Städten und Gemeinden ist Bonn mit einem Hausarzt pro 1460 Bürgern überproportional gut versorgt. Noch besser sieht es etwa in Siegburg mit einer Quote von nur 1222 potenziellen Patienten pro Allgemeinmediziner aus. Zum Beispiel in Niederkassel muss ein Hausarzt schon 2161 Menschen versorgen, in Hennef 2274, in Much 2351. Und in ländlichen Gemeinden wie Nörvenich kommt ein Hausarzt sogar auf 3471 mögliche Patienten. Quelle: www.versorgungs report.de

Das Bonner Institut

Das Bonner Institut für Hausarztmedizin verbindet universitäre Forschung und Lehre. Klinische Untersuchungskurse, Blockpraktika, das Seminar Allgemeinmedizin und die Querschnittsbereiche für Prävention, Altersmedizin und Naturheilverfahren werden angeboten. Die angehenden Ärzte werden in Hausarztpraxen, Kursen und Qualitätszirkeln, im Praktischen Jahr und im fakultären Weiterbildungsverbund für Allgemeinmedizin begleitet. Man arbeitet mit niedergelassenen Kollegen und im Austausch mit anderen Institutionen. Kontakt: www.allgemein-medizin.uni-bonn.de

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