Bewertung einer Doktorarbeit Neuer Ärger um ein Plagiat

BONN · "Die Angelegenheit hat sich für mich mit dem Schreiben der Universität Bonn erledigt, wonach keine vorsätzliche Täuschung festgestellt wurde." Das erklärt ein Arzt auf Nachfrage des GA zu Plagiatsvorwürfen gegen seine Doktorarbeit von 2010, die gegenwärtig auf der Internetplattform Vroniplag erhoben werden (der GA berichtete am 3. März).

Trotz des Freispruchs durch die Uni, genaugenommen den Dekan der Medizinischen Fakultät, kann sich der Doktor seines Titels aber keineswegs ganz sicher sein. Denn morgen steht die nur scheinbar abgeschlossene Angelegenheit auf der Tagesordnung des Fakultätsrates, des gemeinsamen Leitungsgremiums der Lehrenden, Lernenden und sonstigen Mitarbeiter. Darauf haben zahlreiche Hochschullehrer nach dem ersten Bericht im GA gedrungen.

Der zuständige Doktorvater, ein renommierter Nachwuchsprofessor und Hoffnungsträger der Deutschen Forschungsgemeinschaft, bestätigt auf Anfrage "laufende Diskussionen", zu denen er sich nicht öffentlich äußern will. Der Fakultätsrat kann - wie der Bonner Rechtsprofessor Klaus Ferdinand Gärditz generell feststellt - zu einer Neubewertung der Plagiatsfrage kommen und selber ein Prüfverfahren über Bestand oder Entzug des akademischen Grades einleiten.

Die Unruhe in der Fakultät entzündet sich vor allem am Verfahren, mit dem der Dekan die Plagiatsfrage zunächst zu erledigen suchte. Die Mitgliederzeitschrift des bundesweiten Hochschulverbandes der Uniprofessoren spricht in ihrer aktuellen Ausgabe von einem schlimmen Musterbeispiel, wie Plagiatsfälle ohne größeres Aufsehen "entsorgt" werden. Tatsächlich suchte der Dekan Rat bei der Promotionskommission, die die Prüfungsschrift seinerzeit durchgewunken hatte.

Andere medizinische Fakultäten (etwa in Bochum oder Düsseldorf) haben schon für Vorprüfungen in Verdachtsfällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens unabhängige, in den jeweiligen Fall nicht selber verwickelte "Ombudspersonen" eingesetzt. Ersatzweise hätte man damit auch den für die Bonner Uni zuständigen "Ombudsman" befassen können. Aber der wurde nicht befasst. Nach ihrer Überprüfung "bestätigten" der Dekan und der Vorsitzende der Promotionskommission die monierte "wortwörtliche Übernahme" längerer Textpassagen ohne Zitatnachweise, verneinen aber "vorsätzliche Täuschungsabsicht".

Von Rechts wegen war es vor dieser Entscheidung nicht nötig, aber immerhin möglich gewesen, den Fakultätsrat zu Promotionsangelegenheit zu hören. Jetzt verlangen Fakultätsmitglieder zumindest eine ausführlichere Begründung des Dekans für sein Vorgehen und Ergebnis. So lässt sich etwa in den Schriften des Rechtsexperten Gärditz nachlesen, dass nicht nur eine klar beabsichtige Täuschung zum Titelverlust führen kann, sondern schon bedenkenlose Schlamperei beim Zitieren ("bedingter Vorsatz").

Der Münchener Rechtsprofessor und Plagiatsexperte Volker Rieble bringt zudem das Argument ins Spiel, dass schon das "Erwirken" des Doktortitels mit einer plagiierten Arbeit zum Titelverlust reichen könne - egal, ob das Fehlverhalten mehr gewollt war oder weniger. Demnach kommt es also mehr auf die klaren Tatsachen an als irgendwelche Motive dahinter.

Die morgige Fakultätsratssitzung kann offenbar spannend werden. Der Dekan hat den Nichtmediziner Gärditz als erfahrenen Rechtsbeistand hinzugebeten.

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