Immer mehr "Pseudo-Studenten" Hochschulen in Bonn und der Region verzeichnen höheren Zulauf

BONN · Die Anzahl der Studenten an den Hochschulen in Bonn und der Region hat sich parallel zum Trend in Nordrhein-Westfalen positiv entwickelt. An der mit Abstand größten Hochschule, der Universität Bonn, hat sie mit knapp 34.000 Eingeschriebenen einen neuen Höchststand erreicht. Zuletzt waren vor mehr als zehn Jahren ähnlich viele Studenten immatrikuliert.

"Wir befinden uns aber gerade in einer Phase, in der sich nur schwer eine Tendenz ablesen lässt", sagt Andreas Archut, Sprecher der Uni Bonn. Der Grund: Noch immer würden sich angehende Studenten des doppelten Abiturjahrgangs von vor zwei Jahren einschreiben, die bisher noch kein Studium begonnen hatten. "Erst zum kommenden Wintersemester wissen wir, ob die alle durch sind." Allerdings lasse sich insgesamt ein hohes Studieninteresse feststellen.

"Das liegt auch daran, dass versucht wurde, die Hürden abzusenken. Das eröffnet beispielsweise auch Quereinsteigern ein Studium." Archut sieht die Entwicklung aber nicht ausschließlich positiv: "Viele junge Menschen hören, dass ein Studium der Weg in eine sichere Zukunft ist. Was dabei nicht passieren darf: Eine Ausbildung in einem Ausbildungsberuf sollte nicht als Karriereweg zweiter Klasse gelten."

Daher arbeite die Uni beispielsweise mit der Handwerkskammer zu Köln zusammen, um Perspektiven bei einem Studienabbruch aufzuzeigen. Ohnehin werde die Beratung immer wichtiger. "Den jungen Leuten wird sehr viel zugemutet", sagt Archut. "Durch das Bachelor- und Master-System müssen sie schon sehr früh wissen, was sie wollen. Denn ihre Leistungen gehen vom ersten Tag an in die Abschlussnote ein."

Eine sehr hohe Nachfrage besteht laut Archut bei den Fächern Psychologie (60 Bewerber auf einen Studienplatz), Medienwissenschaften (35:1) sowie Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaft (15:1). Ebenfalls sehr beliebt sei ein Nischenfach: Für die 30 Plätze in Molekularer Biomedizin seien 1000 Bewerbungen eingegangen (33:1).

Nachdem die Uni Bonn zu Beginn der 90er Jahre mehr als 40.000 Studenten verzeichnete, sind die Grenzen des Wachstums laut Archut fast erreicht. "Damals konnte man die Studiengänge noch beliebig ,hochfahren'. Heute ist das nicht mehr möglich, weil es eine bundesweit festgeschriebene Betreuungsrelation gibt." Es ist also festgelegt, wie viele Studenten von einem Professor unterrichtet werden sollen. Darüber errechne sich die Auslastung.

Durch die Einführung der Langzeitstudiengebühren 2004 war die Anzahl der Studenten in Bonn auf knapp mehr als 30 000 abgesackt, mit Einführung der allgemeinen Studiengebühren 2007 sogar auf 27 000. Erst mit der Abschaffung der Gebühren 2011 stieg die Anzahl wieder. Das liegt auch daran, dass ohne Studiengebühren zahlreiche "Pseudo-Studenten" angezogen wurden, die sich einschreiben, um mit dem NRW-Ticket, das jeder Student erhält, gratis Bus und Bahn zu fahren. So hat die zulassungsfreie Evangelische Theologie inzwischen fast 1000 Studierende - vier Mal so viele wie vor fünf Jahren. "Der Zuwachs macht sich im Hörsaal aber nicht bemerkbar", sagt Archut.

An der zweitgrößten Hochschule im Verbreitungsgebiet, der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, ist die Studierendenzahl ebenfalls gestiegen. "Wegen der alternativen Zugangsmöglichkeiten und des hohen Praxisbezugs", sagt Sprecherin Eva Tritschler. Allerdings würden auch sie noch die Folgen des doppelten Abiturjahrgangs spüren. Stark nachgefragt seien Biologie und Wirtschaft. Die meisten Bewerber gibt es aber für Naturwissenschaftliche Forensik: 700 für 60 Plätze. In dem Fach geht es um Spurensicherung, DNA-Analysen et cetera. "Zum Erfolg des Fachs hat sicher auch das Fernsehen einen Beitrag geleistet", sagt Tritschler.

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