Universität Bonn Das Bonner "Institut für Wissenschaft und Ethik" (IWE) setzt eigene Impulse

BONN · Vor 20 Jahren gegründet:

 Auch mit ethischen Aspekten der Stammzellforschung beschäftigt sich das Bonner Institut für Wissenschaft und Ethik. Das Foto entstand im Translationszentrum für Regenerative Medizin in Leipzig.

Auch mit ethischen Aspekten der Stammzellforschung beschäftigt sich das Bonner Institut für Wissenschaft und Ethik. Das Foto entstand im Translationszentrum für Regenerative Medizin in Leipzig.

Foto: dpa

Dürfen wir alles, was wir können? Die Frage mag für die einen bloße Theorie sein. Während andere täglich mit ihr konfrontiert werden. Ärzte zum Beispiel, die darüber zu entscheiden haben, ob die maximale Therapie angewendet werden sollte und ob der zu erwartende Erfolg tatsächlich die massiven Einschränkungen in der Lebensqualität des Patienten rechtfertigt.

Wissenschaftler, die sich darüber Gedanken machen (müssen), welche Folgen die Anwendung ihrer Forschungsergebnisse möglicherweise hat. Die aktuelle Debatte um die Anpflanzung von Genmais auf europäischen Feldern zeigt einmal mehr, dass der Zusammenhang zwischen Ethik und Natur ein schwieriger ist - und die Notwendigkeit, beides zusammen zu denken, ist heute größer denn je. Eine Aufgabe, der sich das Institut für Wissenschaft und Ethik (IWE) stellt. Jetzt zieht es zum 20-Jährigen Bestehen eine Zwischenbilanz.

Das Ergebnis an sich dürfte dabei kaum überraschen: Die Versuchung, die Grenzen zwischen ethischen Grundsätzen und wissenschaftlichem Potenzial zu überschreiten, hat in den letzten zwei Jahrzehnten spürbar zugenommen. Mindestens ebenso groß ist heute die Herausforderung, ihr von Fall zu Fall zu widerstehen.

Ob Stammzellenforschung, Organtransplantation oder das Klonen menschlichen Erbguts - das Spektrum der Entscheidungen erweitert sich zusehends. Ebenso wie die Optionen, diese Entscheidungen auch nachträglich zu rechtfertigen: sei es beispielsweise damit, dass Gentechnik dazu beitragen könne, die Ernährungsprobleme dieser Welt zu lösen.

Gegründet wurde das Institut für Wissenschaft und Ethik im Januar 1994 auf Initiative der Universität Bonn, der Universität Essen, des Forschungszentrums Jülich (FZJ) und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), zunächst in Form eines eingetragenen Vereins.

Es verfolgt, wie im Gründungsstatut festgelegt, das Ziel, "Forschung im Bereich der ethischen Grundlagen der Wissenschaften und ihrer Anwendung zu betreiben und zu fördern". Seit dem 1. Januar 2010 ist das Institut eine zentrale Wissenschaftliche Einrichtung der Rheinischen Friedrichs-Wilhelms-Universität Bonn; Direktor ist Dieter Sturma, Professor für Philosophie unter besonderer Berücksichtigung der Ethik in den Biowissenschaften, Geschäftsführer ist Privatdozent Dr. Michael Fuchs.

Das IWE versteht sich, so erläuterte Fuchs jetzt in seiner Ansprache beim Festakt im Uni-Hauptgebäude, als Mittler zwischen Wissenschaft, Philosophie und Öffentlichkeit. Denn Forschung - sofern sie Forschung am Menschen ist - bezieht naturgemäß auch die wissenschaftlichen Laien mit ein, konfrontiert sie dabei mitunter auch mit Risiken und Gefahren.

Die moralischen Fragen, um die es der Wissenschaftsethik gehe, seien, so Fuchs, nur selten Fragen, die der Einzelne für sich allein beantworten könne. Sie erforderten vielmehr eine gesellschaftliche Auseinandersetzung und politische Entscheidungen. Die werden, wie im aktuellen Fall des Genmaises, kontrovers diskutiert. Für solche Diskurse stand das IWE in den Anfangsjahren als Informationsquelle zur Verfügung und bezieht heute auch als eigenständiger Akteur Position.

So hat das Institut eine Reihe von Monografien und Sammelbänden herausgegeben sowie zahlreiche Artikel in Fachzeitschriften, Sammelwerken und Lexika veröffentlicht. Am IWE wird außerdem das "Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik" redaktionell betreut, ein jährliches Sammelwerk mit Originalbeiträgen, Berichten und Dokumenten zu den ethischen Aspekten von Medizin, Naturwissenschaft und Technik.

Derzeit beteiligt sich das Institut am Forschungsprojekt zur Normierung in den Modernen Lebenswissenschaften und koordiniert die Arbeitsgruppe "Ethische, rechtliche und sozialwissenschaftliche Aspekte der Stammzellforschung im Kompetenznetzwerk Stammzellforschung NRW". Schwerpunkte in der bisherigen zwei Jahrzehnten hat Professor Ludger Honnefelder gesetzt: im Lenkungsausschuss für Bioethik des Europarates sowie auch in der Enquetekommission des Bundestages "Recht und Ethik in der modernen Medizin". Um den Diskurs nicht nur zu begleiten, sondern auch selbst Impulse zu geben.

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